Kapitel 56

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(Bild von Minho Lee)

Die fehlende Seite

Jisoo Chaehyoung

„Schon ist dein Bruder weg, spielst du dich auf!"

Und das war meine Mutter. Meine verrückte Mutter, die nicht mehr aufhörte zu meckern. Ich aß gerade von meinem Obstsalat. Mein Vater kam gerade von sonst woher und setzte sich an den Tisch. Eigentlich hätte das Hausmädchen was gekocht haben müssen, was sie nicht getan hatte, wofür meine Mutter sie feuerte und jetzt all die Nerven verlor. Sie hatte Hunger, ihr Sohn war weg, mein Vater nervte sie ganz offensichtlich und ich atmete nur. Die Augen verdreht, wollte ich ihr eigentlich nicht zuhören. Ich wollte nur essen. Essen, um wieder zu Kräften zu kommen. Die gestrige Nacht war anstrengend. Die Erkenntnis, dass Han mich gerettet hatte, dass Jennie und Minho stritten und dass Hyunjin mir zum Schluss auch noch begegnen musste. Das hatte mich überlastet. Ich brauchte Ruhe. Heute war es sogar soweit, dass ich mehr essen würde, als nur Obst. Ich wollte richtig reinhauen. Sowas essen wie Schokolade, Eis und Pizza. Dinge, die wohl glücklich machen sollen. Frustsex würde es auch tun, aber ich hatte niemand potentiellen in Sicht. Also griff ich nach meinem Handy. Vielleicht hatte Jennie Lust sich mit mir voll zu stopfen. Gerade als ich aber mein Bildschirm entsperren wollte, um Jennie zu schreiben, zerbrach ein Glas. Hochgesehen, sah ich, dass meine Mutter ihr Glas fallen ließ. Durch große Augen sah ich sie an. Mein Vater ebenfalls.

„Ich kann das nicht mehr.", seufzte sie frustriert.

„Wovon sprichst du?", fragte mein Vater und meine Mutter fuhr sich über ihre glatten, dunkelbraunen Haare, die ich von ihr hatte.

„Wieso ist Chan gegangen?"

Ich musste die Stirn runzeln, als sie das fragte. Mein Handy auf den Tisch gelegt, fragte ich mich wirklich, wieso sie diese Frage stellte. Sie wusste, wieso er gegangen war. Dass es ihm nicht gut ging. Dass er Probleme hatte. Musste ich das wirklich noch einmal erklären? Oder mein Vater? Sie wusste, wieso er weg war. Ich hatte es ihr einhundert mal erklärt. Vielleicht sogar mehrmals. Da übertrieb ich nicht. Ich versuchte ihr beizubringen, dass ihr Sohn nicht sauber tickte und sie? Sie stellte wirklich ein weiteres Mal dieselbe Frage. Wow...

„Mum...", schüttelte ich den Kopf.

Mein Vater atmete aus.

„Beruhig dich. Er ist nächste Woche sicher schon wieder zurück.", winkte er ab.

Von meiner Mutter zu ihm gesehen, musste ich wieder fragend die Augenbrauen zusammenziehen. Was sagte er da? Ich musste den Kopf schütteln. Fassungslos.

„Wieso seid ihr so?", fragte ich direkt.

Das konnte nicht sein. Wieso sagte er das? Wieso wollten sie Chan zurück haben, während er EINMAL in seinem Leben versuchte das Richtige zutun? Während er versuchte sich zu heilen? Wollten sie das nicht? Wollten sie nicht das Beste für ihn? Offensichtlich ja wohl nicht...

„Nein, Jisoo. Von dir will ich gerade wirklich nichts hören.", warnte meine Mutter mich.

„Ach so. Und warum? Was habe ich getan? Wieso schreist du denn nur noch rum?"

Ich regte mich allmählich auf. Mein Vater widmete sich wieder seiner Zeitung. Nebenbei fuchtelte er mit seiner Hand umher, um uns zu signalisieren, dass wir nicht streiten sollten. Dann drehte meine Mutter erst richtig durch.

„Wegen dir ist er gegangen! Du hast gewusst, dass er geht und hast ihn gehen lassen!", schrie sie.

Von mir zu meinem Vater gesehen, ging sie auf ihn zu, um ihm die Zeitung aus der Hand zu reißen. Überrascht war ich zurückgewichen. Ich saß schließlich dicht neben ihm und wollte ganz sicher nicht getroffen werden.

Too much Promises - Stray Kids FF, Hwang HyunjinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt