(Bild von Jeongin Yang)
Das Urteil I
Woojin Kim
Mein Bruder saß auf meinem Bett, während er auf seine Hände runter sah. Er spielte mit den Nägeln seiner Finger, wobei ich direkt vor ihm stand. Chan saß auf dem Hocker in der Zelle, nicht weit von uns entfernt. Sein Blick ging nach draußen. Jeongin war nicht in der Zelle und Perl auch nicht. Wir waren alleine... Ich fand heraus, beim Abendessen um genau zu sein, dass Seungmin sich die Zelle mit Wooseok teilte, dem Riesen. Dieser, der wegen uns in Isolationshaft saß. Das erleichterte mich, wenn ich ehrlich war. Zumindest kam er mit jemanden in eine Zelle, den... Den ich kannte und dem ich eventuell etwas abgewinnen konnte. Da der aber sowieso nicht da war, schlief Seungmin die Nacht erstmal alleine. Mich erleichterte jedoch vor allem, dass Seungmin ordentlich essen konnte. Beim Frühstück... Der Junge hatte zwei Brötchen gegessen und auch eines von mir bekommen. Ich gab es ihm, weil ich es wollte. Weil er es brauchte. Weil ich sehen musste, dass es ihm gut ging. Und ich konnte es sehen. Ich konnte sehen, dass ihm nichts fehlte. Er war gesund. Heil. Bei mir... Darüber konnte ich glücklich sein! Ich war so glücklich, dass er wieder bei mir war. Das Glück konnte ich dabei nicht in Worte fassen. Zumindest in den ersten Stunden. Mittlerweile klang das Glücksgefühl ab. Das war unfair zu fühlen. Unfair zu denken, aber... Ich konnte nicht zu hundert Prozent glücklich sein, dass Seungmin wieder zurück war, weil die Luft hier drinnen angespannt zu sein schien. Wir saßen das erste mal zu dritt zusammen, seit Seungmin zurück war und es fühlte sich... Merkwürdig an. Chan schwieg ungewohnt viel und mein kleiner Bruder war nachdenklich gewesen. Ich brauchte nicht lange, um ihr Verhalten zu verstehen. Es war komisch für beiden zusammen zu sitzen, weil sie eine heftige Vorgeschichte hatten. Wir alle... Chan machte das Leben von Seungmin nicht einfach und somit auch meines nicht. Bedachte man nun, dass mein Bruder mit einem Gewehr auf Chan zielte, wobei er nun in einem Gefängnis saß. Paradoxerweise mit ihm. Mit seinem Mobber, Chan Chaehyoung. Das war ziemlich schräg. Ich gab es ja zu. Aber die Umstände hatten sich verändert. Ich musste mit dem Mobber meines Bruders zusammenarbeiten, um ihn zurück zu bekommen und um Jeongin aufzuhalten. Ich bekam die Chance Chan aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten und wenn ich ganz ehrlich war... Hasste ich ihn nicht mehr. Ich hatte mich bereits oft versucht zu erklären... Wieso hasste ich ihn wohl nicht mehr? Lag es an unserer Zusammenarbeit? Der ganzen Zeit, die wir miteinander verbrachten? An sein schreckliches Schicksal, dass ich mir anhören musste? Dass ich sah, er war doch nicht nur das Böse? Dass er meinem Bruder raushalf? Lag es daran, dass er sich verletzte? Mir das Gefühl gab, er brauchte jemanden? Ich wusste es ja auch nicht. Egal, wie oft ich darüber nachdachte. Fakt war jedoch, ich hasste ihn nicht mehr. Ich wusste aber, würde Seungmin ihn nicht hier haben wollen, könnte ich mich nicht gegen ihn stellen. Er hatte jedes Recht dazu Chan nicht hier haben zu wollen. Außerdem war er mein Bruder. Ich würde mich immer auf seine Seite stellen. Ich bewies es oft genug... Auch, wenn ich Chan nicht hängen lassen wollte, denn... Wegen ihm war ich noch nicht tot und wegen ihm hatte ich meinen kleinen Bruder zurück. Nur war mir das Wohl meines Bruders wichtiger. So hart das auch klang...
„Und? Hast du nichts zu sagen?", fragte ich an Chan gerichtet und sah zu ihm.
Ich musste, denn ich hielt die Stille nicht mehr aus. Unwissend hier zu sitzen, während beiden alles und nichts durch den Kopf ging, das konnte ich nicht. Ich musste wissen, was los war. Ich musste wissen, ob sich beide etwas zu sagen hatten. Ich musste unbedingt wissen, ob's so, wie es jetzt war, für sie in Ordnung war. Für beide.
„Hm?", machte er, als er meinen Blick erwiderte.
Das Nichts in seinen Augen erreichte mich. Ich konnte, wie so oft, nicht einschätzen, was er dachte. Was er fühlte. Was er als nächstes sagen oder tun würde. Auf der einen Seite verunsicherte mich das. Auf der anderen Seite bewunderte ich ihn dafür.
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Too much Promises - Stray Kids FF, Hwang Hyunjin
Fiksi Remaja*wird demnächst auf Rechtschreibfehler überarbeitet* „Das sind zu viele Versprechungen, Hwang Hyunjin." „Und ich werde mich an jedes Einzelne halten." *** ...