Kapitel 32

201 22 26
                                    

(Ein Bild von Jisoo Chaehyoung)

Der Sturm II

Jisoo Chaehyoung

Die Polizei war hier. Die Sirenen ließen es mich wissen. Ich wollte rauslaufen. Ich wollte es wirklich. Aber bis ich zu Sinnen kam und beschloss raus zu laufen, war es bereits zu spät. Vor der Glastür, die nach draußen führen sollte, stand jemand. Da stand schon wieder diese schwarze Gestalt. Eine schwarze Gestalt, die eine Maske trug. Er trug ein Sturmgewehr in der Hand. Er sah genau so aus, wie Seungmin aussah. Er war es aber nicht. Ich war mir fast sicher, dass er es nicht war. Ich sah ihn, als ich um die Ecke gelaufen kam. Stolperte aber direkt wieder zurück, als er mit dem Gewehr auf mich zielte. Ich erkannte zwar nicht viel, sah aber, dass er jemanden vor sich sitzen hatte. Eine Schülerin. Wer genau das war, konnte ich nicht sagen. Dafür hatte ich nur einen kurzen Moment zum gucken. Die Angst, er könnte kommen, um mich zu jagen, wie ein Wolf einen Hasen jagte, ließ mich weiter laufen. Ich hielt gar nicht erst an. Der Vorteil war, die Schule war leer. Die meisten Schülerinnen und Schüler schafften es raus. Aber bedauerlicherweise nicht alle. Viele liefen noch panisch umher. Einige saßen noch immer auf dem Boden. Anderen quetschten sich in irgendwelche Löcher, um sich zu verstecken. Das war grauenvoll. Mich überkam eine Gänsehaut. Mir wurde kalt. Meine Hände waren eiskalt. Ich schwitzte zwar und der Schweiß rannte meinem Körper hinab, aber mir war kalt. Ich zitterte.

„Bitte rauskommen!"

Eine laute Stimme ertönte. Ich hielt mir die Ohren zu, weil ich mich davon derartig erschrak. Ungewollt schmiss ich mich mit dem Rücken gegen ein Spind. Mein Atem zitterte. Vorsichtig nahm ich meine Hände von den Ohren, als mir bewusst wurde, dass die Stimme aus einem Megafon kam. Es müsste die Polizei gewesen sein. Soweit war ich im Stande zu denken...

„Das Gebäude ist umstellt!"

Nach links und rechts geblickt, hörte ich jemanden schluchzen. Bedauerlicherweise konnte ich niemanden sehen. Vielleicht war es auch besser so. Der Gedanke, panische Menschen würden mich nur wieder in eine Schockstarre versetzen, gewann Oberhand.

„Wir stürmen das Gebäude! Sie haben zwei Minuten!"

Ich wusste nicht, ob ich erleichtert sein sollte oder nicht. Gerade als ich das überdenken wollte, ertönte ein Schuss. Wie eben erst, drückte ich mir die Hände auf meine Ohren. Intuitiv machte ich mich klein, indem ich an dem Spinden hinab glitt. Ich hielt mir die Arme über den Kopf. Vor und zurück geschaukelt, spürte ich, wie ich wieder zu weinen begann. Dieses fürchterliche Geräusch. Wieder ein Schuss. Ob der Schuss jemanden getroffen hatte? Gedanken an andere drosselten auf mich ein. Was war, wenn die Kugel Chan traf? Felix? Jennie? Minho? Hyunjin? Ich umgriff meine Haare und fing an, an ihnen zu ziehen. Selbst wenn die Kugel Namjoon traf, würde es mich verletzen. Hoseok... Seokjin! Oh, nein. Changbin! Ich fing an zu wimmern. Im nächsten Moment schreckte mein Kopf hinauf. Schniefend lauschte ich.

„Ich habe eine Geisel!"

Die Stimme brüllte. Ich atmete unregelmäßig. Das Mädchen... Das Mädchen, dass vor dem Mann an der Glastür saß... Sie war seine Geisel. Hatte er sie etwa angeschossen? Wollte er nur demonstrativ um sich schießen? Ich schluckte hart. Eigentlich wollte ich mich mit solchen Gedanken nicht auseinandersetzen, konnte aber nichts dafür, wenn sie mir durch den Kopf gingen. Auf einmal war ich nicht mehr die starke Jisoo. Die Jisoo, die Gedanken einfach abschütteln konnte, nein. Ich war ein Wrack gewesen. Ein elendes... Kleines Kind, dass auf dem Boden kauerte. 

„Wenn einer von Ihnen auch nur einen Schritt nach vorne wagt, aktiviere ich die Bombe in der Hand des Mädchens!", brüllte er.

Ich hatte das Gefühl der Boden bebte, weil er derartig laut war. Die Augen zusammengekniffen, wusch ich mir den Schweiß und die Tränen weg. Die Flüssigkeiten vermischten sich ineinander. Wie sehr ich mir wünschte, dass Chan hier war. Er hätte mich mit sich gezogen. Er hätte mich wach rütteln können. Er hätte mir helfen können. Die Angst, dass er nicht raus schaffte, überkam mich wieder. Ich musste irgendwas tun. Doch als noch ein Schuss ertönte, wimmerte ich nur wieder und drückte mir die Ohren zu. Ich konnte nicht anders, als in dieser Position zu verweilen. Mein Körper tat weh. Alles fühlte sich schwer an. Obwohl ich mich verkrampfen konnte, wie ich es noch nie tat, schmerzte alles. Jedes meiner Glieder. Meine Arme. Meine Beine. Selbst mein Kopf. Mein Brustkorb. Mein Herz drohte zu explodieren. Ich. Konnte. Das. Nicht. Mehr. Diese stetige Angst. Die Angst, die sich durch die Gefahr, in der ich mich befand, immer mehr vergrößerte. Sie wuchs immer weiter.

Too much Promises - Stray Kids FF, Hwang HyunjinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt