Kapitel 57

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(Bild von Chan Chaehyoung)

Klinikclown

Jisoo Chaehyoung

„Du siehst verändert aus...", schmunzelte Minho.

Ein Monat. Es war ein Monat vergangen, wenn wir abrunden würden... Ein Monat, seit Chan nicht mehr Zuhause war. Seit er weg war. Seit er für sich selbst entschied sich einzuweisen, um zu lernen, wie er mit seinen Aggressionen am besten umgehen könnte. Um zu lernen, wie er seine Impulsivität eher unter Kontrolle bekam. Dazu kam auch, dass er sein Trauma verarbeiten wollte. Ich sprach nicht nur von dem Amoklauf, der bereits fünf Monate und sechs Tage her war, nein. Ich sprach von seiner Kindheit. Die Kindheit, in der es Chan am schwersten hatte und auf die im Endeffekt alles zurückführte. Die Kindheit, in der er übermäßig gehänselt und geschlagen wurde. Chan neigte eine gewisse Zeit sogar zum selbstverletzenden Verhalten. Die Sticheleien und all sein selbstzerstörerisches Verhalten ließen erst dann nach, als er rausfand, dass es gut war, wenn er zuschlug und die Menschen Angst vor ihm bekamen. Er setzte sich auf eine brutale Art durch, indem er schließlich begann anderen... Weh zutun. So bekam er seinen Willen und keiner würde sich ihm je wieder nähern. Musste ich diese Art zu denken verstehen? Nein... Nun. Ich versuchte es auch gar nicht erst. Er war ein komplizierter Mensch und war es noch immer. Wer wusste denn schon, was in ihm alles vorging? Was der wirkliche Grund dafür schon war?

„Liegt vermutlich an meiner neuen Frisur.", zwinkerte mein Bruder und riss mich damit weder zurück in die Realität.

Ich hatte ihn ansehen müssen, bis es mir einfiel. Minho sagte, mein Bruder würde verändert aussehen, weshalb er dementsprechend antwortete, aber. Nein... Es war nicht seine Frisur. Er war es. Er war es wirklich. Er wirkte... Erholt. Erholt und entspannt. Zufrieden. Friedlich. Als würde er sich wohl fühlen. Ich fühlte diese positive Energie, die ich zuvor noch nie in seiner Gegenwart verspürte. Er war nicht plötzlich ein anderer Mensch gewesen, nein. Aber er war ein Mensch geworden, der lernte mit seinen Fehlern umzugehen und der das unbedingt wollte. Ich hatte das Gefühl, er war auf einem guten Weg. Er war endlich bereit seine Wut loszulassen. Vielleicht sogar für immer. Okay... Das war unrealistisch. Aber... Ich wünschte es mir zumindest für ihn... Für niemand anderes mehr als für ihn. Es war schräg das zu denken. So schräg... Chan und ich hatten uns eine ganze Zeit nicht verstanden. Wir kamen miteinander nicht zurecht und das schon seit sehr langer Zeit. Nur... Es fühlte sich so an, als... Wären wir uns näher gekommen. Woran lag das wohl? An Minho? An dem Amoklauf? An Felix' Tod? An seine Einweisung? Ich wusste es nicht... Ich wusste nur, dass es gut war...

„Wer hat dir die denn gelockt?", hob ich schmunzelnd eine Augenbraue.

Minho hielt es ohne Chan nicht mehr aus und bestand darauf, dass wir uns heute anmeldeten, um ihn zu besuchen. Ich zitierte ihn mal: „Es fühlt sich ohne ihn so... Komisch an. Als würde etwas fehlen. Ich habe mich halt an diesen Penner gewöhnt. Was soll ich tun?!"
Und so landeten wir hier. Ich wurde keineswegs gezwungen. Aber es war dennoch nicht einfach. Ich hatte Angst. Angst davor, was mich erwarten würde. Außerdem waren unsere Eltern wütend auf ihn. Sie drohten mir bereits mit einem Rauswurf, wenn ich Chan kontaktieren sollte. Die Drohung ging teilweise unter, weil... Meine Eltern beschlossen hatten sich zu scheiden. Das war auch eines der Gründe, weshalb ich nicht zu Chan wollte. Er würde sicherlich fragen, wie sich Mum und Dad fühlten. Ich hatte Angst, wenn ich ihm die Wahrheit sagte... Würde er wieder nach Hause wollen, um das zu klären. Das konnte ich nicht riskieren. Nicht, wenn es ihm hier drinnen so gut ging... Nun. Jetzt war ich doch hier.

„Wenn du schon fragst", schnalzte Chan mit der Zunge. „Muss ich ihn euch dementsprechend auch vorstellen..."

„Wenn du mir jetzt mit dem Klinikclown da drüber ankommst...", warnte Minho und Chan zog nur die Augenbrauen zusammen.

Too much Promises - Stray Kids FF, Hwang HyunjinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt