Sicht Wincent
Während Kilian und Shayenne zusammen nochmal was holen gehen, mache ich mich schon auf den Weg zu Leo ins Zimmer. Bevor ich rein kann, kommt jedoch jemand anderes raus. Der große blonde Typ, den ich versuche, so gut es geht auszublenden. Ja, es ist sein Job, aber er ist Leo im letzten knappen Monat näher gewesen als ich. Sie lässt mich kaum an sich heran, ich war ihr sogar näher, als sie noch im Koma lag. Er schiebt mich zur Seite und schließt hinter sich die Tür.
„Gut, dass ich dich treffe!" Frage: Seit wann sind wir beim du? „Es geht um Leo, ich mache mir ernsthafte Sorgen um ihre psychische Verfassung. Sie kann meiner Meinung nach, nicht viel länger hierbleiben. Ich werde mit ihren Ärzten sprechen, ob wir sie entlassen können, aber sie ist noch immer nicht selbstständig."
„Ich... verstehe nicht ganz."
„Sie ist niedergeschlagen, psychisch fertig. Wenn man bedenkt, was sie gerade durchgemacht, normal, aber trotzdem nicht gut für ihre Genesung. Ich denke, sie braucht ihre Familie um sich. Jetzt ist meine Frage, in wie fern das bei euch möglich ist, sie zu betreuen. Sie braucht rund um die Uhr jemanden, der ihr helfen kann. Außerdem muss sie natürlich weiterhin zur Physiotherapie und anderen Untersuchungen. Es ist noch nichts in Stein gemeißelt, aber um besser argumentieren zu können, muss ich wissen, dass sie zuhause irgendwie klarkommen wird."
Sie soll wieder zurück nach Hause? Ich kann sie wieder bei mir haben?
„Ich würde alles tun und wenn ich mal weg muss, bin ich mir sicher, dass ihre Eltern oder meine Mum oder Schwester da sein werden."
„Shayenne von der Station, richtig?"
„Genau."
„Okay, ich versuche mal, das in die Wege zu leiten und halte dich auf dem Laufenden."
„Danke! Leo sagen, sollten wir es noch nicht, oder?"
„Nein, am Ende macht sie sich Hoffnung und es klappt doch nicht, weil ich was nicht bedacht habe."
„Hab ich mir gedacht, Leo und Kilian da erstmal raushalten."
„Gut, dann mal rein mit dir. Die Laune ist nicht gerade auf nem Hochpunkt, aber war schon schlechter."
Ich nicke nur, schaue ihm aber kurz hinterher, während er den Flur entlang geht, dann schüttle ich den Kopf und öffne die Tür zum Zimmer meiner Frau. Wie immer bekomme ich Flashbacks, wenn ich die Türklinke auch nur berühre und Leo dann wenig später im Bett liegen sehe. Jetzt hat sie allerdings die Augen geöffnet und sieht mich an. Jedoch nicht so wie früher. Irgendwas ist anders und zwar seit sie aufgewacht ist. Und alles, was ich mir wünsche, ist herauszufinden, wie unsere Ehe trotz dieser vergangenen vier Jahre funktionieren kann.
„Hey."
„Hey" erwidere ich und setze mich neben sie ans Bett, nachdem ich ihr einen Kuss auf die Stirn gedrückt habe „Alles gute zum Geburtstag."
„Danke... Wince, ist alles okay?"
„Ja, mir geht's gut" lächle ich.
„Wo ist Kilian?"
„Noch bei Shay, die kommen gleich zusammen her."
Leo nickt und sieht dann zum Fenster, während ich weiterhin -wie immer- mit ihr rede. Und es tut einfach nur weh, nicht an sie heranzukommen. Ich leide, wahrscheinlich sogar mehr als in den vier Jahren. Da konnte ich mich wenigstens an diese Hoffnung klammern, dass alles gut wird, wenn sie aufwacht. Jetzt ist sie wach und alles ist alles andere als gut. Nichts ist gut. Jeden Tag merke ich, wie meine Frau sich immer wieder ein Stück mehr von mir entfernt.
„Leo, kannst du mich bitte ansehen?" seufze ich.
Müde blickt sie mich jetzt an. Ich will gerade ansetzen, etwas zu sagen, habe schon nach ihrer Hand gegriffen, da geht die Tür hinter mir auf und Kilian kommt als erster zu uns gerannt. Er klettert zuerst auf meinen Schoß und von da aus zu Leo ins Bett, um sie zu drücken. Das einzige, was im Gegensatz zu den letzten Jahren einfach perfekt ist, ist dass Kian seine Mama hat. Und Leo ist eine tolle Mama. Es kommen dann auch noch meine Schwester sowie Leos Eltern und ihre Brüder rein. Jetzt hat sie wenigstens ein Lächeln im Gesicht. Ist es wirklich so schlimm, mit mir alleine zu sein?Für den Rest des Tages schlucke ich den Schmerz einfach runter und versuche, mir nichts anmerken zu lassen. Es ist noch ziemlich warm draußen, also setzen wir uns einfach zusammen auf die Terrasse. Kilian wechselt immer mal, zwischen meinem, Leos und Franks Schoß. Als er grade mal wieder auf dem seines Opas sitzt, starte ich doch mal wieder einen Annäherungsversuch und lege meine Hand auf den Oberschenkel meiner Frau. Kaum merklich zuckt sie kurz zusammen, zögert kurz und legt dann doch ihre Hand auf meine. Es sind diese kleinen Momente, die mich dann doch weiterhin an unsere Ehe glauben lassen. Und wenn sie bald wieder zuhause ist, wird es noch besser... Es muss einfach besser werden!
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Alles was uns reicht
FanfictionJa gut, Leo ist wieder da, aber sicher, dass damit jetzt wieder alles einfacher wird? Sind sie bereit, die ganzen Herausforderungen zusammen zu meistern, oder werden sie an ihnen zerbrechen? Was ist mit Kilian?