Kapitel 267

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„Und was soll ich deiner Meinung nach bitte sonst machen?"
„Einfach nichts. Bitte mach einfach nichts. So kann es nicht noch schlimmer werden."
„Sprich es doch jetzt einfach mal klar aus. Ich allein bin Schuld an dem ganzen Mist."
„Nein, bist du nicht. Wir sind beide seine Eltern. Wir sind beide Schuld."
„Ich wünschte, ich hätte es mit der Musik niemals geschafft."
„Sag das nicht, Wincent."
„Alles, was in unserem Leben immer wieder für Stress sorgt, hat mit meinem Beruf zutun."
„Das stimmt nicht."
„Sogar früher schon. Nur da war das alles noch in einem wenigstens halbwegs akzeptablen Ausmaß. Jetzt wird Kilian in alles mit reingezogen."
„Es war also dein Job, der damals für unsere Trennung verantwortlich war? Nicht die Tatsache, dass ich nicht mit meinen Gefühlen für dich klargekommen bin und mich zurückgezogen habe?"
„Nein, aber das ist ewig her."
„Du hast grade von früher gesprochen. Vier Jahre lang hat niemand etwas von Kilian gewusst. Erst als ich aufgewacht bin kam das raus."
„Das geht hier grade in eine Richtung, die mir absolut nicht gefällt" unterbreche ich Leo.
„Wir sind vom Thema abgekommen. Wir wollen beide einfach nur, dass Kilian sicher ist."
„Das wird bestimmt nicht der Fall sein, wenn ich nichts dagegen unternehmen darf."
„Was willst du denn dagegen tun?"
„Nen Statement abgeben und sagen, dass ich's scheiße finde, wie wenig Privatsphäre meinem Sohn zusteht."
„Das sorgt für nur noch mehr Aufsehen."
„Was sollen wir dann machen? Auswandern? Am besten nach Neuseeland. Ist am anderen Ende der Welt."
„Sehr lustig" verdreht sie die Augen.
„Aber welchen anderen Ausweg gibt's sonst? Ich hab jetzt anderthalb Monate die Füße stillgehalten und nichts unternommen. Nichts hat sich geändert. Entweder ich gebe nen Statement ab oder wir kehren Deutschland vorerst den Rücken."
„Ich glaube, du bist auf den Kopf gefallen. Wo kommt denn jetzt das mit dem Auswandern her? Wir sind grade erst hier eingezogen. Hier, in dieses Haus. In Deutschland. Wir ziehen jetzt bestimmt nicht in ein anderes Land."
„Ich fühle mich einfach machtlos."
„Weil wir es, was das angeht, sind."
„Nein, das kann nicht sein! Lass mich ein Statement dazu auf Instagram posten."
„Was versprichst du dir davon?"
„Meinen Standpunkt klar zu verdeutlichen. Versuchen, denen klar zu machen, dass wir auch Menschen mit Rechten sind."
In Leo arbeitet es. Sie setzt sich erschöpft auf die Couch und versteckt ihr Gesicht hinter ihren Händen. Langsam gehe ich auf sie zu und hocke mich vor sie auf den Boden.
„Sieh mich an" flüstere ich und nehme ihre Hände.
„Ich weiß, dass du alles tun wirst um Kilian zu schützen, aber du verstehst, warum ich meine Zweifel daran habe, dass ein Post auf Instagram der Richtiges Weg ist? Mit Instagram hat immerhin alles angefangen."
„Ich verstehe dich. Ja, mit Instagram hat alles angefangen, aber genau deswegen soll damit auch alles aufhören. Ich weiß nicht, ob nach diesem Post alles vorbei sein wird. Es ist sehr unwahrscheinlich. Sie wollen, dass ich ein Statement gebe und wenn ich ihnen gebe, was sie wollen, vielleicht lassen sie euch dann endlich in Ruhe."
„Oder sie verlangen immer mehr und mehr und mehr, bis es nichts mehr gibt, was du ihnen noch geben könntest. Was dann?"
„Ich weiß es nicht. Ich hab keine Ahnung. Ich weiß nur, dass das so definitiv nicht weitergehen kann. Ich muss jetzt was sagen."
„Versprichst du mir, dass es bei diesem einen Post bleiben wird und ich ihn mir vorher ansehen kann?"
„Natürlich!"
„Okay" seufzt sie, während ich mich auch auf die Couch setze und sie in meine Arme ziehe „Ich weiß doch, dass du immer nur auf uns aufpassen willst."
„Das klappt nur nicht immer ganz so gut und das tut mir so unglaublich leid. Das hast du nicht verdient. Und Kilian schon gar nicht."
„Und du auch nicht."

„Auch wenn Auswandern ne ziemliche Schnappsidee war... Urlaub wär doch mal wieder drinnen, oder?"
Leo, die eigentlich die ganze Zeit auf meiner Brust lag, stützt sich hoch und sieht mich mit hochgezogenen Augenbrauen an.
„Selbst wenn mein Post morgen was bringt, werden wir uns nicht von heute auf morgen wieder komplett wohl dabei fühlen, mit Kilian rauszugehen. Wir können uns aber auch nicht länger hier verschanzen. So sehr ich dieses Haus liebe, wir müssen hier mal wieder raus."
„Und woran hattest du gedacht?"
„Hm... Wir bräuchten was, wo Kilian Spaß hat und wir auch die Gelegenheit haben ein bisschen Zeit zu Zweit zu verbringen."
„Ich würde gerne mal was nicht spontan buchen."
„Spontan macht mehr Spaß."
„Spontan passt aber grade überhaupt nicht in meinen Kalender. Ich muss einiges fertig bekommen und hab Termine. Wenn wir in den Urlaub fahren will ich dann ja auch nicht den ganzen Tag aus der Ferne Zuschauen, wie ihr Spaß habt."
„Okay, das ist nen sehr gutes Argument gegen einen spontanen Urlaub."
„Wir fahren bald wieder in den Urlaub, den müssen wir halt nur ein bisschen langfristiger planen."

Alles was uns reichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt