Sicht Wincent
Ich verlasse leise das Schlafzimmer und muss mir echt Mühe geben, nicht selber noch irgendwas umzuschmeißen. Als ich dann beinahe über etwas stolpere, erschrecke ich mich fast zu Tode und damit ist auch der letzte Funken Lust auf meine Frau verschwunden. Recht schnell habe ich das auf den Boden dann als meinen Sohn identifiziert und hocke mich sofort zu ihm hin.
„Hey, was machst du denn hier?"
„Ich war auf Klo und bin hingefallen" murmelt er mit zitternder Stimme.
„Na komm her" flüstere ich und hebe ihn hoch „Was tut denn weh?"
„Knie und Kopf."
Und sofort bin ich alarmiert. Beim Kopf haben wir gelernt, nicht zu spaßen. Wir gehen also ins Bad, ich mache das Licht an und setze Kilian neben das Waschbecken. Zuerst schaue ich mir den Kopf an, aber oberflächlich ist da erstmal nichts zu sehen.
„Hast du dir den Kopf doll gestoßen?"
„Weiß nicht. Nein."
„Okay... Dein Knie sieht auch nicht schlimm aus. Komm, ich bring' dich ins Bett."
„Hm hm nein... ich will bei euch schlafen."
„Dann nehm' ich dich mit zu Mama."
Kilian bekommt noch einen Kuss aufs Knie und auf den Kopf, dann nehme ich ihn auf den Arm und wir verlassen das Badezimmer. Aus seinem Zimmer holen wir noch seinen Bären und gehen dann zu Leo.
„War nur unser kleiner Bär" schmunzle ich.
Kilian kuschelt sich sofort zu Leo unter die Decke, während ich mir meine schnappe und mich dicht zu den beiden lege. Er hat die Augen schon wieder geschlossen, ich sehe ihm genau an, dass er kurz vorm schlafen ist und auch Leo schläft gleich ein. Ich gebe beiden einen Kuss auf die Stirn, bevor auch ich meine Augen schließe.Ziemlich unpassend gerade, aber sofort tauchen wieder die Bilder von eben auf. Meine Frau, die definitiv genau das wollte, was auch ich wollte. Nach Jahren war ich so kurz davor, sie endlich wieder zu spüren. Aber natürlich kam das Elterndasein dazwischen. Ich wollte mit Leo schlafen... oh und wie ich das wollte! Aber kurzzeitig war ich wieder in diesem fremden Bett in Berlin... ich musste mich erstmal davon überzeugen, dass das wirklich Leo ist. Sie ist es und sie wird es auch immer sein, die neben mir im Bett liegt und langsam sollte genau das in mein scheiß Hirn gehen. Diese Frau vor ein paar Jahren war so ein riesiger Fehler! Allein, dass ich kurzzeitig an diese Nacht mit ihr dachte war so falsch! So sollte unsere erste Nacht miteinander -beziehungsweise die zweite erste- nicht laufen! Mal abgesehen von meiner Angst, alles zu überstürzen. Es ist lange her, was, wenn ich nicht hätte an mir halten können?
Mit meiner Frau und meinem Sohn im Bett eingeschlafene und alleine im Bett wieder aufgewacht. Brummend stehe ich auf, ziehe mir meine Jogginghose über und gehe in die Küche. Hier finde ich dann Leo, Kili und Frank am Frühstücken vor.
„Moin" murmle ich und schlurfe direkt zur Kaffeemaschine, bevor ich mich an meinen Platz setze.
Kilian bekommt einen Kuss auf die Stirn und meine Frau einen auf den Mund. Ich frühstücke also auch noch in Ruhe, dann machen wir uns fertig und Frank fährt uns zum Flughafen. Je mehr sich unser Abflug nähert, desto entspannter werde ich. Eine Woche weg von allem. Nur Leo, Kilian und ich. Endlich. Nach der Gepäckabgabe nehme ich Kilian auf den Arm und trage ihn, bis zum Gate. Während Leo sich sofort hinsetzt, will Kilian noch spielen.
„Powere ihn noch etwas aus, ich bleib hier."
„Na dann komm mal mit, Großer" schmunzle ich, aber im selben Moment rennt er schon weg „Ey!"
Ich renne ihm sofort hinterher und hab ihn natürlich mit ein paar wenigen Schritten eingeholt.
„Die Rede war davon, dass wir uns auspowern, nicht, dass du abhaust, klar? Das hatten wir schonmal, oder?"
Mir läuft immer noch ein eiskalter Schauer über den Rücken, wenn ich an die halbe Stunde damals denke, in der ich keine Ahnung hatte, wo mein Sohn ist und mir schon die schlimmsten Szenarien ausgemalt hatte... Letztendlich war er nur im Spieleparadies, aber extreme Angst hatte ich dennoch...
„Schuldigung, Papa" murmelt er.
„Na komm, wir spielen in Mamas Nähe, Ja?"
„Ja!"
Dieses Mal nimmt er meine Hand und zieht mich zurück zu Leo.Während Kilian direkt von Anfang an irgendeinen Film schaut, lehnt Leo mit Kopfhörern in den Ohren am Fenster und schläft und ich höre einfach nur Musik. So sieht das den ganzen Flug über aus. Nur dass ich irgendwie immer mehr entspanne, je weiter wir uns von Deutschland entfernen. Kurz vor Ende des Flugs, wacht Leo wieder auf und nimmt die Kopfhörer raus.
„Alles okay?" frage ich sofort.
„Ja" lächelt sie nur und schaut dann aus dem Fenster.
Mein Blick bleibt auf sie gerichtet. Sie wirkt genauso entspannt wie ich es bin, sie lächelt und sieht auf die Landschaft beziehungsweise das Meer.
„Mein Film ist zu Ende" kommt es dann von Kilian und er legt die Kopfhörer weg.
„Wir landen demnächst, schau" schmunzle ich und deute aufs Fenster.
Sofort klettert er zu Leo rüber und schaut ebenfalls aus dem Fenster.
„Cool!"

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Alles was uns reicht
FanfictionJa gut, Leo ist wieder da, aber sicher, dass damit jetzt wieder alles einfacher wird? Sind sie bereit, die ganzen Herausforderungen zusammen zu meistern, oder werden sie an ihnen zerbrechen? Was ist mit Kilian?