Kapitel 268

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Sicht Leo
Als ich von einem viel zu langen Tag in Hamburg zurück nach Hause komme, bin ich einfach nur froh darüber, dass Wincent aktuell den Vorzeigeehemann raushängen lässt. Sei mal dahingestellt, dass es ist weil er ein schlechtes Gewissen hat. Aber wenigstens ist die Wäsche gemacht, Kilian umsorgt und Essen steht fertig auf dem Herd.
„Hm das riecht gut."
„Was besonderes ist's nicht, aber Nudeln mit Tomatensoße geht doch eigentlich immer, oder?" schmunzelt Wincent und nimmt mich in den Arm.
„Wenn's das nicht geben würde, würde ich jetzt meinen Schuh essen. Ich hab Hunger!"
Ich gehe mich dann nur nochmal schnell umziehen und zurück in der Küche sitzen meine beiden Männer schon an ihren Plätzen und warten auf mich. Naja, Kilian erzählt mehr von seinem Tag, als dass er isst, aber er wirkt so glücklich. Ich kann nur grinsen, während ich meine zwei Portionen genüsslich verschlinge.
„Und was hast du heute gemacht, Mama?"
„Ganz viel langweiliges Zeug" schmunzle ich „Du hattest definitiv den spannenderen Tag!"

Nachdem ich Kilian dann ins Bett gebracht habe, wartet Wincent schon mit Wein auf dem Sofa.
„Den Post eher auf morgen verschieben oder machen deine Nerven das heute noch mit?"
„Da steht Wein, ich schaffe das heute."
„Okay, ich hab den schon soweit vorbereitet, wenn du einverstanden bist geht's schnell. Ich mach das aber auch nochmal komplett neu, wenn es nicht okay ist."
In der einen Hand habe ich mein Glas Wein und in der anderen Wincents Handy, um mir den Entwurf anzusehen. Es ist einfach nur ein Bild mit einem Text, den er am iPad geschrieben hat.

„Dein Leben lang werde ich dich beschützen" zitiert er aus seinem Song „Seit Wochen wird hier auf ein Statement von mir gewartet. Ich wusste einfach nicht, was ich dazu sagen soll beziehungsweise habe ich auch ein bisschen gehofft, dass sich das alles von alleine klärt. Aber dem war nicht der Fall. Meiner Frau wird gedroht, dass sie mich verlassen soll. Ihr wird gesagt, dass sie mein Leben ruiniert hätte und ich ohne sie viel besser dran wäre. Ich weiß nicht, wo diese Behauptungen herkommen, denn ohne sie wäre ich ein komplettes Wrack. Ich musste vier Jahre lang auf sie verzichten, was mich zerstört hat. Ich hatte mich zurückgezogen, um wenigstens meinem Sohn gerecht werden zu können. Recht lange hat das auch geklappt, so wie ich es wollte. Dann nicht mehr. Gerade als es mit wir wieder bergauf ging. Damals hab ich schon gesagt, dass ich meine Familie schützen werde, egal was es kostet. Jetzt tauchen überall Bilder von ihm auf, womit weder seine Mutter, noch ich einverstanden sind. Er ist ein Kind und hat nichts im Internet zu suchen. Wenn der Preis für die Sicherheit meiner Familie die Musik ist, werde ich ihn zahlen. Es wäre also für jeden am besten, wenn einfach keiner mehr Fotos von meiner Frau und meinem Sohn macht geschweige denn sie veröffentlicht.
Habt noch nen schönen Abend.
Wincent"

Als Caption steht da einfach nur „Mehr gibt's nicht zu sagen." und die Kommentare sind deaktiviert.
„Muss das da stehen, dass du die Musik aufgeben würdest?"
„Vielleicht versteht es dann auch der letzte Idiot."
„Oder aber sie interpretieren es als ‚Die Alte hat ihm den Scheiß eingetrichtert! Wie kann sie es wagen?' Und dann wird's nur noch schlimmer."
„Dann mache ich keine Musik mehr. Beziehungsweise konzentriere mich auf die Produktion und schreibe für andere. Ich meine das alles todernst."
„Du hast dir da heute echt viele Gedanken drüber gemacht, oder?"
„Ich hab heute nichts anderes gemacht. Ich will lieber ein ruhiges Leben mit euch und gehe nie wieder auf Tour, als dass ich euch verliere. Ja, du hast nie auch nur Andeutungen gemacht, mich verlassen zu wollen, aber bei dem ganzen Scheiß gerade könnte ich es dir niemals übel nehmen. So hast du dir das Familienleben bestimmt nie erträumt."
„Du auch nicht, nehme ich an. Wincent, zusammen sind wir stärker, als das alles."
„Also ist der Post abgesegnet?"
„Von mir ja, wie sieht's mit deinem Management aus?"
„Werde ich spätestens morgen früh erfahren, was die davon halten."
„Sicher?"
„Ja."
Ich weiß, wenn Wincent sich mit Entscheidungen wirklich sicher ist. Bei der Aufzeichnung seines Statements Anfang des Jahres war er es nicht. Hierbei ist er es wirklich. Er meint das ernst, dass er Konzerte für uns aufgeben würde. Etwas, was ich eigentlich überhaupt nicht will. Aber es geht hier darum, dass wir hoffentlich bald wieder ein halbwegs normales Leben führen können. Ich bete einfach dafür, dass Wincent seine Drohung niemals wahrmachen muss.

Ohne noch groß irgendwas zu überlegen oder zu sagen, drückt er auf Posten und schaltet sein Handy dann aus.
„Jetzt können sie ruhig eskalieren."
„Was, wenn etwas wichtiges ist."
„Da rufen sie dich an und wenn sie deine Nummer nicht haben, ist es nicht wichtig. Suchst du nen Film raus? Ich hol noch Chips."
„Hier geblieben" ziehe ich ihn am Shirt zurück.
Meinen Wein stelle ich zu seinem Glas auf den Tisch und kuschle mich in seine Arme.

Alles was uns reichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt