Kapitel 290

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Als ich auf der Auffahrt parke, fühlt es sich zum Glück wirklich wie zuhause ankommen an. Kilian ist auch super happy und stürmt, nachdem Leo ihn abgeschnallt hat, mit seinem Rucksack direkt zur Tür, wo in der nächsten Sekunde Anke rauskommt.
„Oma!"
„Hey mein Großer!"
„Mama, was machst du denn hier?" schmunzelt Leo.
„Papa und ich wollten euch nur etwas unterstützen beim Ausräumen und dann sind wir wieder weg, dann könnt ihr ganz entspannt wieder ankommen."
Und außerdem wolltet ihr, dass wir uns hier sicher fühlen können.
„Ihr seid die Besten!"
Zu dritt räumen wir also das Auto aus, während Anke mit Kilian und Balu im Garten spielt. Aber als alles ausgeräumt und die erste Waschmaschine hier wieder läuft, verabschieden sie sich wieder nach Hause und wir bleiben zurück.
„Und?" richte ich mich an Leo „Fühlt es sich an wie wieder zuhause?"
„Ja... schon irgendwie. Und das ist eine riesige Erleichterung!"
Für mich auch...
„Na komm, es ist schon ziemlich spät, wie wäre es, wenn wir heute einfach mal Essen bestellen?"
„Wincent, wir haben noch super viel mitgebracht, was jetzt dann wirklich weg muss und ich will das nicht wegwerfen. Wir bestellen jetzt nichts. Auch nicht wenn du Appetit auf Sushi hast."
„Na schön."
Brummend mache ich mich daran den Tisch zu decken. Ich hätte auch echt Bock auf Sushi gehabt.
„Übrigens meinte Zola, dass sie sich demnächst gerne mit uns zusammensetzen will wegen der Hochzeit."
„So schnell es geht!" grinse ich sofort wie ein Honigkuchenpferd los.
Meine Stimmung beim Gedanken an unsere Hochzeit ist einfach gut. Wir planen seit einem halben Jahr und es dauert nur noch ein knappes weiteres halbes Jahr, bis wir endlich mal unsere große Hochzeit nachfeiern... Und irgendwann werden wir noch ein Kind bekommen, diesmal ohne irgendwas was uns nochmal trennt, dafür werde ich sorgen!

Wir leben uns hier schnell wieder ein, auch wenn Kilian nicht mehr in den Kindergarten geht. Die größte Herausforderung ist es, als ich für ein paar Termine mit der Plattenfirma wirklich mal wieder persönlich auf der Matte stehen muss und Leo zeitgleich ein paar Termine in Hamburg. Und da wir Kilian nicht wieder längere Fahrten zumuten wollen, geschweige denn dass er seine Heimat wieder mal verlassen muss, bleibt er bei meiner Mum, während Leo und ich weg müssen. Und wenn wir wiederkommen hat er bestimmt mindestens ein neues Spielzeug oder so. Vor allem die ersten Tage, wo jeder von uns woanders ist, sind ziemlich hart. Wir facetimen jeden Tag zu dritt, bevor Kilian ins Bett geht und bei meiner Mutter weiß ich ihn auch sonst in guten Händen. Mich hat sie immerhin auch groß gekriegt.
Aber jetzt sitze ich noch bei Universal rum und höre mir die tollen Pläne an, wie sie meine Abwesenheit der letzten Monate erklären könnten.
„Ach kommt schon, das ist doch ganz einfach. Ich war abwesend, weil ich privaten Scheiß zu regeln hatte. Ich bin Ehemann und Vater. Mein Sohn wurde entführt, danach mussten wir erstmal von der Bildfläche verschwinden. Das haben wir gebraucht. Was würden Sie tun, wenn Ihr Kind von einer Verrückten aus dem Kindergarten entführt werden würde?" Jetzt sind sie still. „Ich habe mich aus der Öffentlichkeit zurückgezogen, weil meine Familie keine Ruhe mehr hatte. Immer wieder waren meine Liebsten Opfer von Attacken, die niemals stattgefunden hätten, wenn ich nicht in der Öffentlichkeit stehen würde. Ich schreibe weiter an Songs und werde die auch veröffentlichen und ganz vielleicht irgendwann auch wieder Konzerte geben, aber ich brauchende Zeit mit meiner Familie. Und diese Zeit nehme ich mir auch. Punkt. Ende. Aus."
Ich halte es keine Minute länger hier aus und stehe auf, um aus dem Raum zu stürmen. Amelie und Anna rennen mir hinterher, aber ich bleibe erst stehen, als ich mich einige Meter von dem großen Gebäude entfernt habe. Ich muss erstmal wieder richtig Luft bekommen.
„Wincent..."
Ich spüre Amelies Hand auf meiner Schulter und drehe mich um, damit sie mich richtig in den Arm nehmen kann.
„Die denken nicht an dein Trauma, nur daran wie deine Karriere nicht den Bach runtergeht. Das kommt dir falsch vor und vielleicht ist es das auch, aber während du dich um deine Familie kümmerst, kümmern die sich darum, dass das passiert, ohne dass deine Karriere mit jedem Tag an dem du nichts von dir hören lässt, zum zweiten Mal in deiner Laufbahn jetzt, ein Stückchen untergeht. Damit verdienen die sich nämlich ihr Geld."
„Aber ich hab genug anderen Kram der im Hintergrund läuft. Bald verdienen die mit mir keinen Cent mehr."
„Mach ruhig, aber ohne die da oben, wird deine Karriere bald wirklich nur noch eine Erinnerung sein. Kommen nicht außerdem bald sehr viele hohe Kosten auf dich zu? Ich gebe dir drei Stichworte: Hochzeit, zweites Kind und Haus. Auch wenn ich so nen groben Plan habe, wie es bei dir finanziell aussieht, du kannst dir den Verlust deiner Haupteinnahmequelle aktuell nicht leisten. Nicht wenn du diese ganzen Pläne hast... Anna ist wieder reingegangen und versucht was auszuhandeln womit sowohl sie aber hoffentlich vor allem du leben kannst. Was du jetzt tun kannst ist, in die Wohnung gehen und dich vor dem Essen heute Abend nochmal etwas entspannen. Telefonier mit Leo und Kilian, überzeug dich davon, dass es beiden gut geht und komm dann zum Restaurant... Okay?"
„Okay" brumme ich und atme nochmal durch, bevor ich mich auf den Weg mache.
Das ist doch alles einfach nur bescheuert. Genervt hole ich meine AirPods raus und mache mir laut Musik an, bis ich alles um mich herum ausgeblendet habe. Natürlich geht genau jetzt Leo mal nicht an ihr Handy. Seufzend wechsle ich zu WhatsApp und schreibe ihr, dass sie mich anrufen soll, wenn's passt und krame schonmal den Schlüssel aus meiner Jackentasche.

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