Kapitel 228

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„Ich hab einfach irgendwie Bauchschmerzen, wenn ich dran denke, euch alleine zu lassen."
Leo lehnt an mir, Kilian ist auf mir eingepennt. Wir liegen auf dem Sofa und es läuft noch immer ein Film, den wir für unseren Sohn angemacht haben. Allerdings fanden wir den auch nicht schlecht, Disneyfilme sind halt immer gut, und haben ihn dann einfach weiter geschaut.
„Wir werden klarkommen und außerdem ist unsere Familie auch noch da, um zu helfen."
„Ich weiß ja und so mache ich mir auch keine Sorgen eigentlich... Ich weiß nicht, wieso ich so Bauchschmerzen hab."
„In ein paar Tagen wirst du nach Hause kommen und die Bauchschmerzen waren umsonst."
„Ich hoffe, du hast Recht."
„Ey, ich bin deine Frau, ich hab immer Recht" grinst sie.
Augenverdrehend ziehe ich Leo noch fester in meine Arme und die Decke etwas weiter hoch, sodass sie bis über Kilians Schultern geht.
„Du hast wirklich meistens recht."
„Meistens?"
„Meistens."
Ich spüre ihren Blick auf mir, habe meinen aber weiterhin auf den Fernseher gerichtet. Auch, als Leo sich etwas hoch stützt un mir einen Kuss auf die Wange drückt.

Irgendwann bringe ich dann mal unseren schlafenden Bären ins Bett und krabble direkt danach zu Leo unter die Decke.
„Wovor genau hast du denn Angst?"
„Wenn ich das wüsste..."
Leo kuschelt sich in meine Arme und streichelt sachte über meine Brust.
„Irgendwas löst diese Bauchschmerzen aber aus" murmelt sie, ihre Hand rutscht an meinen Bauch.
„Es ist einfach ein ganz komisches Gefühl. Ich weiß, dass, wenn ich wiederkomme, nichts anders sein wird. Ich werde nach Hause zu dir und Kilian kommen, mit ihm rumtoben und dich küssen können, aber irgendwas in mir sagt, dass das eben nicht der Fall sein wird. Ich weiß, Bullshit, aber dieses Gefühl ist so stark."
„Du bist nur ein paar wenige Tage weg. Kilian ist dein Sohn, er wird dir immer bleiben. Und ich..."
Leo schiebt sich sich über mich, reflexartig schlinge ich meine Arme um ihren Körper.
„Und du?" harke ich nach.
„Ich werde dich bestimmt nicht nur mit einem einfachen Kuss begrüßen."
„Nein?"
„Mh... nein."
„Und wie werde ich dann begrüßt?" 
Ich setze mich mit ihr auf, muss leicht zu ihr hochschauen. Leo verwickelt mich in eine kleine Knutscherei, auf die ich mich nur allzu gerne einlasse. Aber gerade, als ich meine Hände unter ihr Oberteil schieben will, hält sie mich auf.
„Und weiter geht's, wenn du wiederkommst" grinst sie.
Woher nimmt diese Frau nur diese ganze Selbstbeherrschung?
„Das... Leo..."
„Es ist Zeit zu schlafen."
Ich bekomme echt nur noch einen kurzen Kuss, dann schaltet sie das Licht aus und kuschelt sich an meine Brust.

Am nächsten Morgen geht alles ziemlich schnell und nachdem wir noch eine Weile alles etwas hinaus gezögert haben, sitze ich jetzt im Auto auf dem Weg nach Berlin. Die Tage hier sind extrem anstrengend. Interviews, in denen ich den Fragen rund um meine Familie ausweiche -alles was ich dazu aktuell preisgeben will, beziehungsweise was ich bereit bin preiszugeben, hab ich in dem Video erklärt. Die Reaktionen darauf waren auch echt gespalten, aber wirklich angeschaut hab ich mir das nicht. Will ich wahrscheinlich auch nicht. Meetings und noch weitere Termine etcetera, die mich ordentlich was an Nerven kosten, geben mir den Rest. Alles, was mich motiviert hat, waren die Telefonate am Ende des Tages mit Leo und Kilian. Allerdings musste ich meinen Aufenthalt hier um zwei Tage verlängern. Als ich also dann jetzt endlich nach Hause komme, ist Kilian schon mit Anke und Frank weg und Leo müsste gerade bei der Physiotherapie sein. Sie hat mir heute morgen nur geschrieben, dass sie danach was mit Zola macht. Das war's dann also mit der heißen Begrüßung, auf die ich mich die ganze Woche gefreut habe. Ich weiß nicht genau, wann Leo nach Hause kommt und auf die Nachricht, dass ich zuhause bin, kam auch noch keine Antwort. Eigentlich seltsam. Ich weiß, dass sie nicht gerade begeistert war, als ich noch zwei Tage hinten dranhängen musste. Ich weiß, dass sie sich trotzdem umso mehr drauf gefreut hat, dass ich heute wiederkomme. Das hat sie mir ja heute früh auch noch geschrieben. Trotzdem denke ich mir erstmal nichts weiter dabei. Erstmal. Aber als nach zwei Stunden immer noch nichts von ihr kommt, mache ich mir langsam echt Sorgen. Ans Telefon geht sie nicht, Zola ebenso wenig. Ich rufe die beiden bestimmt ein dutzend mal an, aber keiner geht ran. Ich will es gerade ein weiteres Mal versuchen, da höre ich im Flur die Tür aufgehen.
„Wo warst du? Warum gehst du nicht ans Handy? Antwortest mir nicht? Ich hab mir Sorgen gemacht!"
„Aha" verdreht sie die Augen und geht an mir vorbei.
Okay, was ist jetzt los? Hab ich irgendwas verpasst? Ich dachte, wir haben diese Phase überstanden... Die Sache ist, dass ich da nicht nochmal mitmachen werde.
„Leo, redest du bitte mir" laufe ich ihr hinterher, aber sie schweigt einfach nur „Muss ich raten? Okay... War was bei der Physio? Kamen irgendwelche bescheuerten Nachrichten zu unserer Beziehung?"
Sie hat mir den Rücken zugekehrt, aber bei meinem letzten Satz hat sich ihre Atmung leicht beschleunigt.
„Zeig's mir" fordere ich sie auf.
„Was soll ich dir zeigen?"
„Die Nachricht oder Nachrichten, die du bekommen hast."
„Ich hab da gar nicht mehr reingeschaut."
„Was ist dann los? Heute früh hast du mir noch geschrieben, dass du dich auf mich freust, dann bin ich wieder da und du bist nicht zuhause und reagierst nicht auf Nachrichten und Anrufe. Ich hab mir Sorgen gemacht! Schon wieder! Ich hab mir mal wieder einfach nur tierische Sorgen um dich gemacht! Das kannst du nicht machen!"
„Das kann ich nicht machen?"
„Nein?"
„Ich kann dir nicht einfach mal eine Kleinigkeit verschweigen, wie wo ich bin?"
„Wir sind verheiratet, da setze ich Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit voraus, also ja, genau!"
„Das ich nicht lache! Das aus deinem Mund?"
Aufgebracht steht sie auf und kommt mit wütendem Blick auf mich zu.
„Was hat das jetzt wieder zu bedeuten?"
„Das bedeutet: Bist du dir sicher, dass du mir von den letzten Jahren, in denen ich im Koma lag, alles wichtige erzählt hast? Hast du mir nichts verschwiegen? Vielleicht sowas wie eine Tochter mit einer anderen Frau?"

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