Kapitel 266

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Natürlich hat es der Person, die die Fotos von Leo und Jonas gemacht hat nicht gereicht, dass wir uns zurückgezogen haben. Die Fotos sind an die Öffentlichkeit gegangen und Leo hat wieder einiges abbekommen. Ich hab versucht, alles so gut es eben geht, abzufedern, aber natürlich ging nichts spurlos an ihr vorbei. Ihr Ex hat, so wie ich es mitbekommen habe, nicht allzu viel  abgekriegt. Auch wenn er mir lieber gewesen wäre als meine Frau, war das abzusehen. Mir wurde untersagt, irgendwas dagegen zu sagen. Das hätte alles nur noch schlimmer gemacht. Letztlich hätte das den Kohl aber auch nicht fett gemacht. Genauso wenig bei unseren Familien, aber bei den Konzerten, die noch anstanden hab ich durch Amelie, Tom und die anderen, die sich mal unter die Fans gemischt hatten -sei es um zur Technik zu kommen oder für die Crewseite zu filmen- mitbekommen, wie sie sich untereinander ausgetauscht haben. Leo ist nicht immer gut dabei weggekommen. Täglich durchsuche ich die Hashtags „wincentweiss" und „wincentweissfreundin" und finde ab und zu auch Bilder, die heimlich von uns gemacht wurden. Ab und zu wurde wenigstens drauf geachtet, dass Kilian gar nicht drauf ist oder wenigstens nicht sein Gesicht, aber schnell war auch das nicht mehr wirklich von Bedeutung. Zu viele haben nicht den Anstand gehabt, ein unschuldiges Kind da rauszulassen. Die ganze Geschichte sorgt auch zwischen Leo und mir für Spannung. Er ist unser ein und alles und gerät jetzt ins Kreuzfeuer... auch wenn er nichts davon mitbekommt. Wir -und vor allem Ich- haben komplett versagt, was den Schutzauftrag, den wir ihm gegenüber haben, angeht. Angespannt sitze ich in meinem Arbeitszimmer am Laptop. Kilian ist im Kindergarten und Leo nebenan ebenfalls am arbeiten.
Ich liebe Musik und dachte immer, dass ich einfach nur dankbar dafür sein muss, diesen Traum leben zu dürfen. Aktuell wünsche ich mir, niemals den Durchbruch geschafft zu haben. Ein Nine-to-Five Job wäre einfach deutlich sicherer für Kilian. Aber warum bekommen es andere in meiner Branche hin, während meine Familie immer so sehr leidet? Frustriert, weil ich hier nicht weiterkomme, klappe ich den Laptop zu und gehe eins runter ins Schlafzimmer, um mir Sportsachen anzuziehen. Mit lauter Musik auf den Ohren verschanze ich mich in meinem Gym. Auf die Uhr achte ich gar nicht, aber es sind mindestens zwei oder drei Stunden, die ich mich hier auspowere. Ordentlich vom Schweiß durchnässt lege ich gerade meine Gewichte weg, da taucht Leo vor meiner Nase auf.
„Ich wollte dir nur Bescheid geben, dass ich Kilian abholen fahre."
„Okay... sei vorsichtig."
„Hm" macht sie nur noch, bevor sie wieder verschwindet.
Die Tür fällt hinter ihr ins Schloss und ich starte wieder die Musik, um das Set noch zu beenden, bevor ich duschen gehe und dann noch einen Anlauf versuche, meine Arbeit zu erledigen. Ich schaffe wenigstens ein paar Mails, bis ich Kilian schon die Treppe nach oben trampeln höre. Nur wenig später geht die Tür auf und er klettert auf meinen Schoß.
„Ich hatte nen richtig coolen Tag!" grinst er und beginnt zu erzählen, was er heute alles erlebt hat.

„Und wo hast du Mama gelassen?" schmunzle ich.
„Sie ist unten. Gehen wir zu ihr?"
„Ja, machen wir" grinse ich und klappe mein MacBook wieder zu.
Kilian flitzt vor, während ich mir noch die leere Kaffeetasse und die Schüssel von heute früh noch schnappe, um sie endlich auch mal mit runter zu nehmen.
„Können wir noch was machen? Ich will auf den Spielplatz."
„Wie wäre es, wenn wir das wann anders machen? Wollen wir einfach raus aufs Trampolin?"
Leo lächelt, aber will einfach nur nicht aus unseren sicheren vier Wänden raus.
„Kommst du auch mit, Papa?"
„Klar!"
Lachend zieht er uns nach hinten in den Garten und lässt uns gerade mal so Schlappen anziehen.

Damit verbringen wir die Zeit, bis Kilian ins Bett muss, entspannt zu dritt.
„Wie viel musst du noch erledigen?"
„Eigentlich extrem viel... aber Energie dafür hab ich nicht. Das sind alles irgendwelche Termine, die ich bestätigen oder ablehnen muss oder Bitten um ein Statement zu uns."
„Wir wollten uns bedeckt halten."
„Ja, aber es fällt mir immer und immer schwerer, die Füße still zu halten."
„Und ich finde die aktuelle Situation super toll? Wir sind hierher gezogen, um uns in unserem Zuhause wieder wohl zu fühlen und nicht, damit wir uns nur noch hier sicher fühlen. Ich hab auch keine Lust noch länger hier fest zu sitzen. Aber was sollen wir tun?"
„Ich könnte mich wieder aus der Öffentlichkeit zurückziehen."
„Das bringt was? Zum einen wird das viele nur noch mehr aufhetzen und zum anderen ist da der finanzielle Aspekt. Wir zahlen gerade ein Haus ab, Wincent. Wir können es uns nicht leisten."
„Weil ich ja auch nur durch Konzerte und andere Auftritte Geld verdiene. Ich hab noch andere Einnahmequellen. Investitionen-"
„Und wie willst du das deiner Plattenfirma erklären?"
„Die sind mir so unglaublich egal. Meine Karriere ist nicht annähernd so wichtig, wie Kilians Sicherheit."
„Der Zug ist doch sowieso abgefahren. Es ist das passiert, was wir immer um jeden Preis verhindern wollten."

Alles was uns reichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt