Kapitel 295

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Meine Arme sind um meine Frau geschlungen, mein Kinn liegt auf ihrer Schulter, sie hat ihren Kopf etwas gegen meinen gelehnt und ihre Hände auf meine gelegt. Beide lächeln wir glücklich in die Kamera. Nachdem wir wir auch noch Fotos zusammen mit Kilian, unserer Familie und unseren engsten Freunden gemacht haben, fahren wir zur Party-Location. Eine große Pension am Meer, die wir dieses Wochenende für uns haben. Angekommen verliere ich dann aber doch ziemlich schnell meine Frau aus den Augen. Erst zum Empfang stößt Leo, inzwischen umgezogen, zu mir. Sie trägt einen schlichten, kurzen Jumpsuit mit langen Ärmeln. Ihre Haare sind jetzt offen.
„Ich hätte mir noch nen First Look gewünscht. Du siehst fantastisch aus."
Ihr Lächeln wird sofort breiter.

Ich hab Kilian gerade auf meinen Schoß genommen und ihm seinen Kuchen ran gerückt, da ertönt die Stimme meines besten Freundes durch die Lautsprecher.
„Dürften wir einmal bitte um eure Aufmerksamkeit bitten?"
Mein Blick geht verwirrt nach vorne, wo Zola und Marco auf der kleinen Bühne stehen.
„Als Trauzeugen haben wir uns zur Aufgabe gemacht, eine kleine Rede zu halten. Leo und Wincent haben uns nur gesagt, dass wir sie nicht blamieren oder in Schwierigkeiten bringen sollen."
„Deswegen sprechen wir nicht an, wie Wincent damals komplett dicht den Pinguin gemacht hat."
„Was heißt das, Papa?"
„Erkläre ich dir wann anders."
Oder vielleicht auch nie.
„Oder, wie Leo aus Franks Schrank damals mit 17 das gute Zeug geklaut hat."
„Bitte was?" Frank zieht die Augenbrauen nach oben, während Leo ihn nur scheinheilig angrinst.
„Aber wir wollen dafür definitiv erwähnen, wie sehr die beiden strahlen, seit sie sich gefunden haben."
„Es war ja ein nicht gerade kurzer Weg bis hierher und wir hatten das Glück, von Anfang an dabei gewesen zu sein. Ob wie ich, durch ein Telefonat, bei dem mir strahlend erzählt wurde, dass der gute Herr endlich die Nummer von der Frau bekommen hat, die ihn schon länger interessiert hat..."
„Oder wie ich, die das Glück hatte, bei der ersten, etwas peinlichen Begegnung der beiden anwesend zu sein. Naja, anfangs war die Zeit nicht auf eurer Seite. Auch wenn jeder gesehen hat, dass ihr euch nicht uninteressant findet."
„Aber alle guten Dinge sind drei und damit war beim dritten Treffen endlich auch mal die Zeit gekommen, dass ihr Nummern austauscht."
„Jetzt könnte man denken, dass jetzt alles easy wird. Freundschaft, verlieben, zusammenkommen. Allerdings reden wir hier von Leo und Wincent. Natürlich war nichts easy. Den langweiligen Part am Anfang überspringen wir jetzt einfach mal und kommen zum witzigen Teil."
Oh man...
„Wir sind immer noch im September 2019. Wiesn. Wie sagt man so schön? Kinder und betrunkene sagen immer die Wahrheit? Unangenehm wird's, wenn man es am nächsten Tag im nüchternen Zustand bereut."
„Einspruch!" rufe ich rein, jeder sieht mich an „Ich hab nie bereut, was an dem Abend passiert ist! Nur das, was ich am nächsten Tag im nüchternen Zustand gesagt hab!"
„Da war nicht mehr, als ein Kuss!" wirft Leo schnell ein.
„Naja, nen bisschen mehr war da schon" murmle ich.
„Wie auch immer... ein paar Monate lang haben die beiden ihre weirde Freundschaft durchgezogen, bis sie es gepackt haben und zusammengekommen sind. Und eins muss man Wincent einfach lassen... Der Kerl kann sich echt ins Zeug legen, wenn's um Leo geht. Ich glaube, euer erstes richtiges Date in Paris werdet ihr nicht so schnell vergessen, oder?"
„Obwohl ich euch ja vor allem für eure Fähigkeit bewundere, aus den unscheinbarsten Augenblicken etwas genauso großes, wenn nicht sogar größeres zu machen, wie ein Date in Paris. Ihr seid perfekt füreinander und das kann jeder sehen, der euch zusammen erlebt. Es ist wunderschön zu sehen, wie ihr ihr selbst geblieben seid. Nach all den Jahren und allem, was ihr durchstehen musstet, seid ihr, nicht zuletzt weil ihr immer zusammengehalten habt, die geblieben, die ihr schon immer wart. Sowohl als Individuen, als auch als Paar."
„Euch mit Kilian zusammen als Familie zu sehen, ist die eine Sache und die ist wunderschön, aber euch auf eurem ganzen Weg bis hierhin und hoffentlich noch bis ans Ende begleitet zu haben und euch jetzt gemeinsam so zu sehen, wie ihr angekommen seid, ist nochmal auf einer ganz anderen Ebene einfach wundervoll."
„Euer leben lang habt ihr beide unabhängig voneinander von einer eigenen kleinen Familie geträumt. Schon ziemlich am Anfang eurer Beziehung habt ihr erfahren, dass ihr ohneeinander nicht mehr sein wollt. Ihr habt euch versprochen, füreinander zu kämpfen und das habt ihr definitiv getan. Ihr könnt stolz auf euch sein, wir sind es allemal."

Ein Blick zu Leo rüber, verrät mir, dass wir ähnlich berührt von der Rede unserer Trauzeugen sind. Sie hat sogar einen leichten Tränenschleier in den Augen. Gefolgt von meiner Frau stehe ich mit Kilian auf dem Arm auf, der will allerdings lieber bei seinem Kuchen bleiben. Leo fällt Zola um den Hals, während ich Marco umarme, bevor wir tauschen und ich Zola einmal fest drücke.
„Du bist das Beste, was ihr passieren konnte."
„Trotz der vielen Schwierigkeiten?"
„Was gekommen wäre, wenn ihr nicht zueinander gefunden hättet, werden wir nie erfahren. Aber du hast sie nie aufgegeben und warst immer an ihrer Seite, das ist das Wichtigste."
„Aber denkt nicht, dass ihr uns heute zum letzten Mal hier vorne seht... Der Abend hat gerade erst begonnen."
„Ihr könnt direkt mal hier vorne bleiben."
Leo schaut die beiden skeptisch an und greift nervös nach meiner Hand.
„Wir wollen mal schauen, wie gut ihr euch kennt... beziehungsweise, wie gut ihr den Körper des jeweils anderen kennt."
„So gut wie meine Westentasche" schmunzle ich.
„Mama? Kann bitte jemand unseren Sohn hier wegbringen?"
„Keine Sorge, ist alles jugendfrei."
Während hinter uns aufgebaut wird, erklärt Zola das Spiel.
„Wie soll ich das denn machen?" rege ich mich sofort auf.
„Ich dachte, du kennst meinen Körper wie deine Westentasche" zieht Leo mich grinsend auf.
„Da bin ich ja gespannt, ob du mich erkennst."
„Oh Oh das gibt aber jetzt keinen Streit, oder?"
„Wer weiß."
Leo ist mir gerade etwas zu selbstsicher und als sie mich dann auch noch erkennt, weiß ich nicht recht, ob ich mich freuen oder beleidigt sein soll. Jetzt muss ich abliefern.

Alles was uns reichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt