Sicht Leo
Ich mache mir wirklich Sorgen um Wincent, vor allem als ich irgendwann aufwache und er nicht neben mir im Bett liegt. Stirnrunzelnd schnappe ich mir meine Krücken und verlasse das Schlafzimmer. Finden tu ich meinen Mann letztlich auf der Terrasse, wo er auf dem Geländer sitzt und auf die Stadt starrt. Ich schnappe mir schnell, oder zumindest so schnell es eben geht, eine Decke von der Couch, lege sie mir über die Schulter und gehe auch raus. Wincent blickt kurz über die Schulter zu mir, als das Holz unter meinen Füßen knarzt.
„Geh wieder rein und schlaf" meint er leise, als ich neben ihm stehen bleibe.
„Komm du da runter" erwidere ich nur und lehne mich aufs Geländer.
Auch wenn ich es nicht sehe, ich weiß genau, dass er gerade die Augen verdreht. Er hört jedoch auf mich und kommt da runter.
„Geh rein, Leo, es ist kalt."
„Ich lasse dich nicht alleine."
„Der Tag war so unglaublich schön. Zum ersten Mal seit so langer Zeit waren wir wieder wir. Ich konnte so entspannt sein. Ich weiß gar nicht was der Auslöser für diese Attacke war. Es war doch alles gut. Du warst doch bei mir. Ich hatte doch eigentlich keinen Grund so auszuflippen. Kurz wurde mir irgendwie alles zu viel, die Gedanken haben sich überschlagen und ich hatte keine..."
Er bricht ab.
„Du hattest keine Kontrolle mehr über deinen Körper."
„Ja... Ich hatte Angst. Ich kann nichtmal genau sagen wovor. Sowas hatte ich länger nicht mehr."
Vorsichtig lege ich meine Hand neben seine, lasse ihn entscheiden, ob er die Berührung will oder nicht. Er will sie anscheinend, denn er greift direkt nach meiner Hand und umschließt sie fest mit seiner.
„Deine Hand ist eiskalt" murmelt er.
„Wir haben auch schon Mitte Dezember und es mitten in der Nacht."
„Du kannst reingehen, ich brauche nur noch etwas frische Luft."
„Willst du alleine sein?"
„Nein, aber-"
„Dann bleib ich auch hier draußen."
Wincent zieht mich in seine Arme und während ich mein Gesicht an seiner Brust verstecke, sieht er weiterhin aufs Wasser und die Stadt. Ich hab meine Hände unter seine Jacke geschoben und an seinen Rücken gelegt.„Okay... lass uns wieder reingehen" flüstert Wincent irgendwann und löst sich nur soweit von mir, dass ich zu ihm hoch schauen kann.
Ich nicke leicht und folge Wincent in unsere Wohnung rein. Wincent weicht mir nicht von der Seite und als wir etwa eine Stunde bevor wir aufstehen sollten, wieder im Bett liegen, zieht er mich auch wieder dicht an sich ran.
„Hattest du das öfter, als ich..."
„Ein paar Mal. Es ging mir psychisch extrem schlecht, als du nicht bei mir warst."
„Auch jetzt geht's dir noch nicht wieder gut."
„Aber warum? Ich hab doch alles, was ich mir immer gewünscht habe."
„Du hast viel durchgestanden in den letzten Jahren. Du warst vielleicht nicht ganz alleine, aber du hast doch alles immer nur mit dir alleine ausgemacht."
„Mit wem hätte ich es sonst ausmachen sollen? Ich musste einfach nur funktionieren, wegen Kilian. Ich hab funktioniert und bin dann manchmal abends, als er im Bett lag und geschlafen hat, zusammengebrochen... Dich zu verlieren hat mich gebrochen. Kilian hat mich nur ein bisschen zusammengehalten, aber selbst meine grenzenlose Liebe zu unserem Sohn kann keine Wunder vollbringen."
„Du hast mich doch nie ganz verloren. Ich war vielleicht geistig nicht anwesend und körperlich auch nicht richtig, aber ich bin zurückgekommen. Ich bin wieder da und wir haben noch eine Chance bekommen. Wir haben uns versprochen, immer füreinander da zu sein und einander zu stützen. Du hast die letzten Jahre so hart für uns gekämpft und jetzt bin ich an der Reihe mein Versprechen von damals zu halten. Ich kann endlich für dich da sein und die Stütze sein, die du verdienst."
Ich stütze mich leicht hoch, um ihm in die Augen zu sehen. Wincent weicht mir nicht aus, das macht den Anblick seiner trüben Augen wenigstens etwas erträglicher...Wincent schläft irgendwann in meinen Armen wieder ein, ich jedoch bin hellwach und beobachte meinen Mann. Die Zeit verstreicht nur langsam aber wahrscheinlich dauert es gar nicht so lange, bis unser Wecker klingelt. Als ich mich strecke, um dieses nervige Geräusch auszuschalten, schlingt Wincent die Arme noch fester um mich.
„Hey, schau mich bitte nochmal an" flüstere ich und während er sich leicht löst, kann ich mein Handy greifen und den Wecker ausstellen.
Wincent sieht mich müde an, sachte streiche ich ihm ein paar Strähnen aus dem Gesicht.
„Wir stehen ab jetzt wieder alles zusammen durch... Du und ich... und wenn du eher deine Ruhe brauchst, dann sag ich Zola ab-"
„Nein, vergiss es! Zola und Jan kommen nachher und es wird ein schöner Nachmittag und Abend. Ich komme klar."
„Wince, ich will nicht, dass du nur klarkommst. Was kann ich tun, damit du wieder glücklich wirst?"
„Bei mir sein. Ich muss einfach lernen, dass ich nicht mehr alleine bin und dich wieder an meiner Seite habe. Es wird mir nicht von heute auf morgen besser gehen. Wir brauchen beide noch etwas Zeit um gesund zu werden. Vielleicht tun uns als Familie mal ein paar Tage oder gar Wochen Abschottung ganz gut."
„Vielleicht gar nicht mal so eine schlechte Idee" schmunzle ich ihn ermutigend an.
„Ernsthaft?"
„Ja und ich würde alles tun, um mit dir und Kilian zusammen ein normales Familienleben zu führen. Und wenn wir dafür zusammen einfach mal abhauen müssen, dann machen wir das."
DU LIEST GERADE
Alles was uns reicht
ФанфикJa gut, Leo ist wieder da, aber sicher, dass damit jetzt wieder alles einfacher wird? Sind sie bereit, die ganzen Herausforderungen zusammen zu meistern, oder werden sie an ihnen zerbrechen? Was ist mit Kilian?