Kapitel 279

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„Papa? Wie viele Leute sind heute Abend hier?"
„Sehr viele" schmunzle ich.
„Nur wegen dir?" fragt er mit großen Augen.
„Hm... und nen bisschen auch wegen den Jungs."
„Aber du bist der Coolste von allen."
„Wo er Recht hat, hat er Recht" ertönt die Stimme meiner Frau.
Ich drehe meinen Kopf in ihre Richtung und muss schmunzeln. Sie hat ihren Kopf auf den Armen abgelegt. Mehr sieht man nicht, da ist die Bühne zu hoch.
„Mama" murmelt Kilian und krabbelt zum Bühnenrand, um ihr direkt um den Hals zu fallen.
„Die Jungs werden da hinten unruhig, die wollen wieder an die Arbeit. Seid ihr soweit, um wieder mit nach hinten zu kommen?"
Ich nicke und rapple mich auch auf, um von der Bühne zu springen. Einen Arm um Leo gelegt, gehe ich mit ihr und Kilian wieder nach hinten in meine Garderobe.
„Wincent in einer Stunde ist Einlass, also bist du in drei auf der Bühne!" wird mir von Tobi hinterher gerufen.
Ich halte nur den Daumen hoch, bevor ich die beiden um die Ecke navigiere.
„Bedeutet wir beide sitzen in zwei Stunden draußen auf unseren Plätzen, oder?" schmunzelt Leo und wuschelt Kilian durch die Haare.
„Ja! Und wir sind bestimmt die Lautesten!" freut sich Kilian.
„Da werd ich mal genau hinhören, ob ich euch unter den vielen Menschen verstehe."
„Bestimmt!"
Leo wirft mir zwischendurch einen fragenden Blick zu, den ich mit einem Zwinkern und einem kleinen Lächeln erwidere. Das klären wir später, wenn wir alleine sind. Erstmal genieße ich die Stunden mit meiner kleinen Familie, die ich viel zu lange nicht im Arm gehalten habe.

Erst als die beiden sich auf den Weg nach draußen machen müssen, verlassen wir unsere kleine Familien-Bubble. Ich mache mich für die Bühne fertig und albere etwas mit den Jungs herum, bevor wir alle zur Bühne gescheucht werden. Okay, ich freue mich wie Kilian, wenn es Eis gibt und bin total hibbelig, aber warum auch nicht?
„So Jungs, erste von zwei Shows. Die Barclays ist fast voll. Neben den fans, ist Familie hier, also lasst uns denen mal ne krasse Show bieten."
Nach einem Kurzen und unserem rituellen „Ey! Büffel!" geht's zuerst für die Jungs und nach dem instrumentalen Intro auch für mich auf die Bühne. Die zwei Stunden kann ich einfach genießen und als ich nach der Show noch immer voller Adrenalin die Bühne verlasse, dauert es keine Minute, bis Kilian auf meinen Arm springt.
„Ich hab den coolsten Papa auf der ganzen Welt!" ruft er lachend und mein Herz schmilzt dahin.
Leo grinst mich stolz an und ich kann gar nicht anders, als sie an mich zu ziehen und mir einen Kuss abzuholen. Keinen intensiven, obwohl wir beide ihn uns wünschen, das spüre ich, aber einen zärtlichen. Kilian ist immer noch total fasziniert, dabei war das mit Abstand nicht sein erstes Konzert von mir. Nach den obligatorischen Gesprächen, geht's dann aber auch direkt wieder Backstage, wo ich erstmal unter die Dusche kurz springe. Und sobald ich wieder in meiner Garderobe bin, spüre ich die Lippen meiner Frau auf meinen.
„Warum vergesse ich jedesmal aufs Neue, wie heiß du auf der Bühne bist?" murmelt sie gegen meine Lippen und mein Grinsen wird breiter.
„Anscheinend musst du einfach öfter mitkommen... wenn ich dann jedes Mal so in meiner Garderobe begrüßt werde..."
Ich will sie wieder küssen, dieses Mal weicht sie etwas zurück.
„Kilian wird gleich zurück gebracht. Erzählst du mir noch, was du mit Kilian besprochen hast?"
Da war ja was...
Seufzend schiebe ich sie zur Couch.
„Er hat mitbekommen, dass wir noch ein Kind wollen... irgendwie hat sich da bei ihm die Angst eingeschlichen, dich zu verlieren. Ich hab ihm erklärt, dass das damals eine absolute Ausnahmesituation war."
„Du willst mir sagen, dass unser sechsjähriger Angst davor hat, dass seine Mutter stirbt? Wir sind uns hoffentlich einig darüber, dass er eindeutig zu jung ist für solche Ängste."
„Ja sind wir, aber er ist mit der Angst, dich niemals richtig kennenzulernen aufgewachsen. Er kannte dich nur aus unseren Geschichten und von Fotos. Die Angst, dich aus welchem Grund auch immer zu verlieren, wird immer bleiben... Komm her" murmle ich und ziehe sie an meine Brust.
„Wir werden dieses Kapitel nie komplett hinter uns lassen können, oder?"
„Dafür war es zu prägend, irgendwie wird es sich immer wieder in unseren Alltag einschleichen, aber im Großen und Ganzen liegt diese Zeit hinter uns." Ich hauche ihr einen Kuss auf die Stirn und verfestige meinen Griff um sie. „Ich freu mich so, dass ihr hier seid" murmle ich gegen ihren Kopf.
„Ich wüsste nicht, wo wir gerade sonst sein sollten, als bei dir."
Wann werde ich jemals erfahren, womit ich diese Familie verdient habe? Vor Leo gab es keine Frau, die so perfekt in mein Leben gepasst hat, die mich so sehr unterstützt hat.
„Worüber denkst du nach?"
„Hast du dir jemals gedacht, dass mein Berufsleben unserer Beziehung im Weg ist?"
„Ich hab mir vielleicht mal gedacht, dass es nervt, aber für mich war das nie eine unüberwindbare Hürde. Du hast mir viel zu schnell viel zu sehr den Kopf verdreht, als dass ich mir darüber groß Gedanken hätte machen können."
„Schnell?!" entfährt es mir „Ich hab Monate gebraucht, um dich für mich zu gewinnen!"
„Vielleicht hab ich dich auch einfach nur zappeln lassen."

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