Kapitel 204

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Im Auto schaut Leo mehr raus, als dass sie mich beachtet. Als wir dann an einer roten Ampel stehen, schaue ich mal zu ihr rüber. Wohl eine Sekunde zu lang. Als es hinter uns hupt, erwache ich aus meiner Starre und fahre los. Kurz spüre ich Leos Blick auf mir, aber ich konzentriere mich einfach auf die Straße. Erst nachdem ich das Auto zuhause geparkt habe, sehe ich wieder zu Leo. Ein Lächeln kann ich mir nicht verkneifen.
„Was?" schmunzelt sie.
„Nichts" seufze ich und schnalle mich ab, um dann Leo zu helfen.
Gemeinsam gehen wir zum Aufzug, um nach oben zu fahren. Vor unserer Wohnungstür bleiben wir stehen und ich krame nochmal nach meinem Schlüssel, wobei ich auch einen kurzen Blick zu Leo werfe. Sie blickt sich um und wirkt irgendwie eingeschüchtert, in sich gekehrt. Ich schließe dann auf und halte meiner Frau die Tür auf, während sie langsam reinhumlelt.
„Willkommen Zuhause."
„Es hat sich kaum was verändert" murmelt sie.
„Ja... naja, das war im Grunde genommen ne Jungsbude, wir haben hauptsächlich alles einfach gelassen wie es war, weil's gut war. Außer Kilis Zimmer" schmunzle ich „Aber der will dir das ja selber zeigen, wenn er nachher kommt."
„Ja, hat er mir auch gesagt."
Leo wirft mir ein leichtes Lächeln zu, dann sieht sie sich weiter um. Letztlich lässt sie sich aber recht schnell auf dem Sofa wieder und stellt die Krücken weg.
„Alles okay?"
„Ja, passt schon, ich muss mich nur kurz ausruhen."
„Ich bring die Tasche ins Schlafzimmer und hol' dir nen Tee, ja?"
„Ja, danke."

Mit zwei Tassen komme ich dann zurück ins Wohnzimmer und inzwischen schläft Leo. Ich stelle die Tasse auf dem Couchtisch ab, decke sie etwas zu und hauche ihr noch einen Kuss auf die Stirn, bevor ich mich mit meinem Handy auf die andere Hälfte der Couch setze. Ich beschäftige mich eine Weile mit dem Beantworten einiger Nachrichten, bis wieder Leben in Leos Körper tritt.
„Wie lange hab ich geschlafen?" murmelt sie und stützt sich langsam hoch.
„Ne etwas über ne Stunde ungefähr."
Ich lege mein Handy weg und stütze meinen Kopf auf meine Hand, während ich Leo einfach ansehe. Fuck ist sie schön. Ihre Haare sind ziemlich durcheinander, sie ist immer noch echt blass, aber sie ist meine Frau und für mich nach wie vor die schönste Frau.
„Kilian und Shayenne sollten in circa zwei Stunden kommen."
„Okay... ich geh kurz auf Klo."
„Ja, klar... Ähm da hinten-"
„Ich weiß noch... für mich ist es immerhin nur zwei Monate her, dass ich hier war" pampt sie mich an und geht dann Richtung Badezimmer.
Ich setze mich auf und streiche mir verzweifelt übers Gesicht.
„Was ist nur aus uns geworden?" murmle ich in meine Hände, bevor ich mir durch die Haare streiche.
Leos Tee ist mittlerweile sowieso kalt und meine Tasse ist leer. Somit bringe ich beide in die Küche und spüle sie schnell aus.

Ich bin verzweifelt. Ich hab keine Ahnung, was ich noch machen soll! Ich liebe sie und wenn ich sie ansehe, wie sie mit Kilian umgeht oder auch einfach nur existiert... empfinde ich einfach nur pures Glück. Ich stütze mich auf der Arbeitsfläche ab und lasse einfach kurz meinen Kopf hängen. Nachdem ich dann ein paar Mal tief durchgeatmet habe, verlasse ich die Küche wieder. Leo kommt auch grade wieder aus dem Badezimmer. Gerade, als ich dann doch mal den Mut gefasst habe, unsere Probleme anzusprechen, kommt sie mir zuvor. Aber auch nur, um mich irgendwas komplett belangloses zu fragen. Murmelnd antworte ich ihr, dann geht sie ins Schlafzimmer. Ich bleibe zurück.
„Wenn was ist, ich bin im Büro" rufe ich dann, deutlich gereizter als ich vorhatte, und verschwinde auch sofort dahin.
Die Tür lasse ich einen Spalt offen und setze mich hinter den Rechner. Eigentlich wollte ich jetzt mal die Arbeit nachholen, die in den letzten zwei Monaten ordentlich auf der Strecke geblieben ist. Aber ich bin fucking angepisst. Ich weiß nichtmal genau warum. Es fühlt sich falsch an, auf Leo sauer zu sein, aber ich bin es. Also schnappe ich mir dann doch meine Gitarre, um die Gefühle irgendwie rauszulassen. Und das sind viele Gefühle! Da hat sich echt ordentlich was angestaut! Mein Blick fällt dann auf das Bild, was auf meinem Schreibtisch steht. Kilian und ich. Er hat sein typisches Grinsen auf den Lippen und auch ich lächle mal ehrlich in die Kamera. Er war zwei Jahre alt, das war kurz nachdem ich wieder angefangen hab, ins Studio zu gehen und Musik aufzunehmen. Ich hatte Kilian mitgenommen und an diesem Tag ist das Foto entstanden. Er war in all den Jahren immer meine Sonne, er ist es immer noch.

Alles was uns reichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt