Kapitel 212

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Irgendwann mussten wir uns dann aber doch mal aus dem Bett rausquälen. Nach dem Frühstück haben wir uns einen echt schönen Tag gemacht, waren draußen etwas spazieren und haben in der Wohnung ein bisschen was geschafft. Gleich sind wir noch mit der Familie auf dem Weihnachtsmarkt verabredet. Leo hat sich zum Fertigmachen ins Bad verabschiedet, während ich Kilian in seinem Zimmer versuche dazu zu kriegen, sich was Warmes anzuziehen.
„Nein, ich will den grünen Pullover!" meckert er und verschränkt die Arme vor der Brust.
„Okay, dann der Pullover mit dem Bär" seufze ich und packe den roten wieder weg, um ihm den gewünschten Kapuzenpulli zu geben.
Mal abgesehen davon, dass er da noch ne Jacke drüber ziehen wird und niemand den Pullover sehen wird. Aber okay, der Grüne soll's sein.
„Jetzt aber anziehen, ich muss mich auch noch fertigmachen."
„Okay" kommt es nur von ihm, er nimmt mir den Pullover aus der Hand und fängt an, sich umzuziehen.
Ich verlasse sein Zimmer dann, um mich selber im Schlafzimmer fertig zu machen. Als ich die Tür dazu öffne, verharre ich jedoch in meiner Bewegung, als Leo nur in einer locker sitzenden Jeans und BH vor mir steht. Unwillkürlich mustere ich sie kurz durch.
„Sorry, ich... dachte du wärst im Bad."
„Wincent, entspann dich" meint sie und zieht sich den schwarzen Rollkragenpullover über.
„Sorry, wie gesagt, noch immer irgendwie ungewohnt" murmle ich und hole mir frische Klamotten aus meinem Teil des Schrankes.
„Nur nochmal zur Erinnerung, du kannst mich nicht kaputt gucken" kommt es leicht genervt von ihr.
Oh nein, nicht schon wieder! Auf gar keinen Fall! Leo will hinter mir an mir vorbei raus aus dem Zimmer, aber ich greife ihr Handgelenk.
„Ich werde mich nicht nochmal auf eine Eiszeit zwischen uns einlassen. Ich war kurz überfordert mit der Tatsache, dass du so vor mir standest. Das ist aktuell einfach noch keine normale Situation. Ich freue mich auf diesen Abend mit der Familie inklusive meiner Frau. Ich liebe dich."
Ich sehe ihr fest in die Augen und ohne groß nachzudenken ziehe ich sie kurz an mich, um sie zu küssen.

Tausende kleine Stromstöße durchzucken mich. Ein Feuerwerk explodiert in meinem Bauch. Sofort ist dieser kleine Kuss mehr als ein kleiner Kuss. Er ist nicht mehr wirklich unschuldig. Es ist ein Kuss, der so viele Erinnerungen in mir hervorruft. Glückliche Erinnerungen. So habe ich lange niemanden mehr geküsst. So wurde ich lange nicht mehr geküsst. Ich habe ihr Handgelenk inzwischen losgelassen und sie an der Taille fest an mich gezogen, sie hält sich an meinem Shirt fest und hat ihre eine Hand in meinen Haaren vergraben.
„Mama! Papa!"
Leicht erschrocken lösen wir uns voneinander. Unsere Blicke treffen sich.
„Ich ähm... gehe mal nach ihm schauen" murmelt sie leise und löst sich langsam von mir, um aus dem Zimmer zu humpeln.
Ich starre noch immer auf die offene Tür, spüre noch immer ihre Lippen auf meinen, wie sie leicht an meinen Haaren zieht und mir dann mit ihren wunderschönen Augen in meine starrt, als würde sie direkt hindurch in meine Seele schauen können.

Noch leicht neben der Spur schmeiße ich mich dann schnell in andere Klamotten und suche dann nach meiner Frau und meinem Sohn. Die kommen allerdings gerade auch schon beide komplett fertig aus Kilians Zimmer.
„Können wir los?" lächelt Leo leicht.
„Ja."
Ich ziehe Kilian die Schuhe an und helfe ihm in die Jacke, bevor ich auch in meine Sachen schlüpfe. Kilian nehme ich an der Hand und zu dritt spazieren wir zum Weihnachtsmarkt, wo Leos Eltern und meine Mum, sowie unsere Geschwister wie schon die letzten Jahre warten. Mit dem Unterschied, dass heute Leo bei diesem kleinen Traditionsbesuch auf dem Weihnachtsmarkt dabei ist.
Als Kilian seine Großeltern und Onkel und seine Tante registriert, lässt er meine Hand los und als erstes zu Onkel Nils und Alex, die er schon recht lange nicht mehr gesehen hat.
„Wegen vorhin" kommt es dann von ihr, als wir noch auf halbem Weg zur Familie sind.
Ich sehe zu Leo runter, sie erwidert meinen Blick.
„Sollten wir darüber wirklich in der Öffentlichkeit sprechen?"
„Ich liebe dich" haucht sie nur, was mich lächeln lässt.
„Ich würde ja gerne deine Hand nehmen, aber die Dinger da stören."
„Nicht nur dich, glaub mir... Aber irgendwann wird der weg sein."

„Na meine Lieblingsschwester" grinst Nils, als wir auch mal bei den anderen sind, und nimmt seine Schwester in den Arm.
Ich begrüße in der Zeit erstmal die anderen und als die Begrüßungsrunde, heute mal etwas länger als sonst, vorbei ist, betreten wir das Gelände des Weihnachtsmarkts.

Alles was uns reichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt