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Emilia

Eine Woche später, muss ich immer wieder an dieses Aufeinandertreffen denken. Niemals hätte ich für möglich gehalten, dass sich ein Mensch so weit von mir entfernen kann wie meine eigene Mutter. Sie hat nicht verstanden, dass das für mich ein Kampf ums Überleben gewesen ist. Jeden Tag aufs Neue musste ich darum bangen, wie Luan gelaunt war. An guten Tagen hatte ich meine Ruhe und an schlechten eben nicht. Das ist nicht schön gewesen.

Zumindest habe ich eine neue Familie bekommen, die mich aufgenommen haben wie ein eigenes Kind. Giulia und Leonardo kümmern sich wirklich rührend um mich. Nur Caleb ist seit dem Auftritt meiner Mutter irgendwie seltsam geworden. Er vergräbt sich in der Arbeit und ist oft einfach nicht da. Vielleicht war das auch für ihn zu viel. Ich bin nur froh, dass wir noch eine Weile hier sein können.

Ich mache mir einen Kaffee und setzte mich an den Küchentisch. Leonardo muss gerade ein Gespräch im Büro führen und hatte mich gebeten solange raus zu gehen. Natürlich mache ich das. Ich habe auch die Rückstände der Buchhaltung aufgearbeitet und bin eh auf dem aktuellen Stand angekommen. Meine Gedanken schweifen wieder ab, bis ich jemanden in die Küche kommen merke.

Miguel betritt den Raum und flucht etwas in sein Handy hinein. Sobald er mich bemerkt, hört er auf zu sprechen und schaut mich an. Ein mildes Lächeln umspielt seine Lippen und er verabschiedet den Anrufer sehr knapp. Mit einer frischen Tasse Kaffee in der Hand, kommt er zu mir an den Tisch und setzt sich mir gegenüber hin. Sein Blick ist auf die Tasse zwischen seinen Händen gerichtet und er seufzt.

„Schon verrückt, wie schnell sich das Leben ändern kann.", spricht er ruhig los.

„Die Frage ist nur, ob es die Veränderung ist, die man will oder die man erwartet hat.", antworte ich vielsagen.

„Welche Veränderung hast du erwartet?"

„Die richtige Frage wäre, welche hat Cal erwartet."

Miguel nickt nur stumm und schaut wieder auf seinen Kaffee herunter. Scheinbar kennt er eine Antwort, aber ist sich nicht sicher ob es Sinn macht, dass er sie mir sagt. Vielleicht will Cal auch gar nicht, dass ich weiß, was er sich gewünscht hätte. Lächelnd sehe ich zu Miguel auf und möchte ihn beruhigen. Niemand sollte die eigene Loyalität in Frage stellen für mich.

„Miguel, ich erwarte keine Antwort von dir. Cal ist euer Boss, ihm müsst ihr loyal gegenüber sein und nicht mir."

„Das verstehst du falsch. Du gehörst nun zu uns, also sind wir euch beiden loyal. Es ist nur sehr schwer das zu sein, wenn man beide Menschen leiden sieht."

„Er zweifelt an uns.", stelle ich ruhig fest und Miguel schaut mich eindringlich an.

„Du kannst Menschen sehr gut lesen."

„Eine gute Sache musste ich ja wohl doch lernen."

„Er zweifelt nicht an euch. Er zweifelt daran dir helfen zu können."

„Man kann meine Vergangenheit nicht ungeschehen machen. Ich muss lernen damit zu leben.", gebe ich ruhig von mir und weiß genau, dass das schwer wird.

Als Miguel seinen Kaffee leer hat, verabschiedet er sich und lässt mich alleine zurück in der Küche. Meine Gedanken driften sofort zu diesem Gespräch ab. Bei was sollte mir Caleb helfen können? Dabei, mit dieser Vergangenheit abzuschließen? Zu akzeptieren, dass die eigene Mutter nichts mehr von mir wissen will und mich zur hauptverantwortlichen Person macht?

Ich stehe auf und bringe meine Tasse weg, so bringt das doch alles nichts. Als ich zum Büro laufe, höre ich Leonardo noch immer telefonieren. Giulia ist einkaufen gegangen mit zwei Wachleuten und Cal ist in der Firma. Vielleicht sollte ich einfach mal wieder ein normaler Mensch sein. Raus aus diesem Palast der Einsamkeit. Früher hat mir immer die Zeit auf dem Hügel geholfen. Ich konnte frei sein, wenn ich dort oben war.

Parisi - Back To HimWo Geschichten leben. Entdecke jetzt