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Tag ein Tag aus sitze ich hier, an diesem Fenster. Den Blick auf die weitläufige Anlage gerichtet und über mein Leben nachdenkend. Was bleibt mir auch anderes übrig? Ach ja - nichts! Gesetzt dem Fall, dass ich mich nicht verzählt habe, sind es bereits sieben Tage. Alleine! Ich will mich nicht beschweren, es ist schön hier. Quasi eine kleine Hotelsuite im mediterranen Stil. Das edle Holz, der Marmor im Bad und die Verzierungen an der Decke und den Wänden. Alles wirkt teuer und mit viel Liebe zum Detail eingerichtet. Zwei Fenster fluten den Schlafbereich mit viel Licht. Das Badezimmer hat ebenfalls ein Fenster. Hier hat jemand ganze Arbeit geleistet.

Ebenso bei der Anlage, auf die ich jeden Tag runterschauen kann. Soweit das Auge reicht, schmiegen sich grüne Rasenflächen zwischen bunten Beeten und einigen Sitzgelegenheiten in das Bild ein. Es wirkt harmonisch und dennoch irgendwie kalt. Obwohl es mir hier an nichts fehlt, bin ich einsam. Hin und wieder lässt sich das Personal blicken. Sie putzen, bringen Essen oder versorgen mich mit frischer Wäsche. Gesprochen wird jedoch kein Wort. Es wird nicht daran liegen, dass sie mich nicht verstehen. Man wird es ihnen verboten haben. Oder eher jemand.

So langsam habe ich das Gefühl, als wüsste er noch nicht, was er mit mir anstellen soll. Obwohl wir uns seit jüngster Kindheit kennen, habe ich das Gefühl, dass die letzten fünf Jahre ihn völlig verändert haben. Sieben verdammt lange Tage sehe ich jeden Tag in diesen Garten hinunter und frage mich, ob er genauso ungeliebt ist wie ich. Bis auf den Gärtner, habe ich nur einige Männer gesehen, die ich bereits persönlich kennenlernen durfte. An dem Tag, als man mich hierhergebracht hat.

Ich greife nach einem Apfel, der in der Schale auf dem Tisch neben mir liegt. Ihn in meiner Hand liegend betrachtend stelle ich fest, wie perfekt er ist. Ebenso perfekt wie dieses Zimmer. Jedoch bin ich und alles um mich herum nicht perfekt. Wie auch? Ich bin geboren in den schlimmsten Kreisen, die man sich denken könnte. Meine Leben lang musste ich mich in Acht nehmen. Immer das Schlimme vermuten. Das Leben hat mich nie enttäuscht. Es hatte immer eine Überraschung auf Lager, die alles schlimmer machte. Vielleicht gibt es ja Menschen, die sich dieses Leben wünschen. Ich hasse es. Ich verabscheue es. Manchmal wünsche ich mir tot zu sein.

Von der Vorderseite des Gebäudes dringen Motorengeräusche an meine Ohren und vermutlich ist es die schwere Limousine des Hausherrn. Mehr als das schwarze Auto habe ich von ihm nicht gesehen. Aber was bringt es ihm, mich hier einzusperren? Will er mich mürbemachen? Hofft er auf ein Einlenken meinerseits? Glaubt er wirklich, ich mache das alles noch einmal mit? Man kann mich nicht mehr mit meiner Familie erpressen. Meine Familie ist tot.

Es gibt nur einen Unterschied zwischen Luan und ihm. Er gestattet mir einen Hauch von Luxus. Er gestattet mir dieses Zimmer. Ich lege den Apfel wieder weg, da mir der Appetit vergangen ist. Mein Blick wandert wieder auf den Teil des Anwesens, den ich einsehen kann. Der Himmel ist strahlend blau und ohne jede Wolke. Die Sonne zeichnet Licht und Schatten auf die Blumen und Bäume. Wie sehr wünsche ich mir nur ein einziges Mal über den Rasen gehen zu dürfen oder an den Blumen zu riechen. Es mag nur ein Wunsch sein, jedoch glaube ich fest daran, eines Tages dort unten zu sein. Ob tot oder lebendig wird sich noch zeigen.

Hinter mir nehme ich wahr, wie der Schlüssel im Schloss bewegt wird und sich die Türe öffnet. Ich mache mir nicht die Mühe, mich umzudrehen. Es interessiert mich nicht, wer da gerade reinkommt. Bestimmt wieder jemand vom Personal. Anfangs habe ich noch versucht mit dem Personal zu sprechen. Ich habe es sogar angeschrien oder angefangen Gespräche selber zu führen. Die müssen doch denken, dass ich völlig irre bin. Jemand betritt den Raum und scheint sich mir zu nähern. Wenn es dich wundert? Ich sitze auf dem Fensterbrett, direkt daneben steht der Tisch. Irgendwer wird irgendwas ablegen und wieder verschwinden.

„Frau Cortez, würden Sie bitte mitkommen?", erklingt eine tiefe Stimme, welche mir bekannt vorkommt.

Sofort drehe ich den Kopf und erblicke einen alten Bekannten. Dieser schreckliche Typ, der mich vor einer Woche aus meinem Schlafzimmer gezogen hatte. Er überragt mich um mindestens zwei Köpfe und sein Blick wirkt leer und kalt. Er hat mir bestimmt etliche Haare ausgerissen und wollte mich sogar ohrfeigen.

Parisi - Back To HimWo Geschichten leben. Entdecke jetzt