Emilia
Wir sind bereits unterwegs und die Jungs sitzen vorne. Der Plan ist irgendwie klar definiert und ich weiß, dass wenn es Abweichungen gibt, wird Caleb stocksauer sein. Joe und Carl wirken angespannt und das schafft man nicht so einfach. Während ich auf dem Rücksitz sitze, spucke ich das kleine Plastikteil wieder aus. Vorsichtig schaue ich es mir an und stelle fest, dass es sich um einen Zettel handelt. Ich packe ihn aus und öffne ihn.
*Sei schneller als Tolya!*
Auf meiner Haut brennt Carls Blick. Vermutlich weiß er bereits, dass hier etwas im Busch ist. Soll ich nun die beiden einweihen? Carl und Joe haben jedoch bereits ihre Anweisungen. Ich denke nicht, dass ich sie vom Gegenteil überzeugen kann. Sie werden wohl alles daran setzten, dass es genau nach Plan läuft. Jedoch habe ich bereits mehrfach bewiesen, dass ich schneller weg bin, als manchen lieb ist.
„Du hast doch da eine Nachricht bekommen.", stellt Carl fest.
„Und selbst wenn."
„Emilia!", mahnt mich Joe knurrend.
„Nix, Emilia.", gebe ich von mir und grinse breit.
„Das werden wir ja noch sehen.", betont Carl deutlich.
„Das werden wir wohl.", sage ich und schiebe mir den Zettel in die Tasche.
Ich weiß, dass es für die Jungs mies wird, wenn ich sie überliste. Doch wenn es Cal so wichtig ist, dass ich schneller bin, dann muss ich das eben auch sein. Er wird seine Gründe dafür haben. Wir nähern uns dem Anwesen langsam und die Jungs sind sichtlich angespannt. Auch ich versuche mich auf das Eigentliche zu fokussieren. Wir dürfen uns keine Fehler erlauben, denn Luciano ist ein intelligenter Mann. Wenn er eine Lücke findet, so wird er sie nutzen.
Sofort springe ich aus dem Wagen und Carl folgt mir. Wir sehen uns um und auch Joe kommt zu uns. Abwartend sehe ich auf mein Handgelenk und schaue, wie weit die Anderen bereits im Gebäude sind. Als ich auch die letzten reingehen sehe, deute ich an, dass die Jungs mir folgen sollen. Doch Joe stellt sich mir in den Weg und schaut finster auf mich herab. Dieses Wortgefecht werde ich gewinnen.
„Wir warten."
„Nein. Wir gehen rein. Tolya wird Luciano umbringen und das muss ich verhindern."
„Emilia, wir haben Anweisungen bekommen."
„Ich eben auch. Ich muss nur Tolya aufhalten.", gebe ich von mir und gehe um ihn herum.
Ohne jedes weitere Wort folgen mir die Beiden. Sie tauschen fragende Blicke aus und scheinen sich zu überlegen, ob es eine gute Idee ist. Eilig nähere ich mich dem Grundstück und sehe mir genau an, wo die anderen sind. Es fühlt sich nicht richtig an, diese Nummer nun zu spielen, aber ich habe keine andere Wahl. Caleb wird sich auf mich verlassen.
-
Sofort sind wir in den ersten Stock hochgegangen. Ich vermute da Luciano sich ein Büro dort gesichert hat. Doch Joe und Carl lassen mich nicht eine Sekunde aus den Augen. Als wir Geräusche von der Treppe und dem Gang wahrnehmen, gebe ich das Zeichen, dass sie sich aufteilen sollen. Ohne auch nur eine Sekunde zu zögern, tun sie das. Doch ich nutze die Chance mich einfach in eines der Zimmer zu schleichen und sehe mich hastig um. Sofort werden zwei Waffen auf mich gerichtet und ich sehe am Fenster gegenüber, einen älteren Mann stehen. Es ist Luciano.
Als er sich zu mir umdreht, lache ich auf. Jetzt wissen alle, dass ich gefunden habe, wonach alle hier suchen. Ohne auf die Waffen zu achten, die auf mich gerichtet sind, schalte ich den Funk stumm. Luciano dreht sich langsam zu mir um und lächelt mich an. Er ist generell ein charmanter Mann und kein typischer Tyrann. Natürlich hat er seine Frau immer wieder Mal härter angefasst, aber niemals wie sein Sohn.
„Luciano, dass wir uns mal unter solchen Umständen wiedersehen würden.", lächle ich ihm entgegen.
„Emilia, du siehst gut aus. Caleb scheint dir gut zu tun."
„Ja das tut er.", gebe ich ruhig von mir und umarme ihn kurz aber misstrauisch.
Er deutet mir an, mich setzten zu sollen. Jedoch habe ich das nicht im Sinn, da ich auf alles vorbereitet sein muss. So laufe ich langsam auf und ab, ohne ihn auch nur einen Augenblick aus den Augen zu lassen. Luciano setzt sich hingegen wieder hin und mir fällt auf, wie schlecht er aussieht. Es wirkt so als wäre er wirklich krank. Nicht das ich mir Sorgen machen würde. Ich halte inne und stehe ihm fast exakt gegenüber. Es fühlt sich richtig gut an, die zu sein, die nun nicht mehr in Deckung gehen muss.
„Wie kommst du dazu, meinen Wagen überfallen zu lassen?"
„Mein Sohn und meine Frau sind tot. Ich habe mich alleine gefühlt."
„Und da dachtest du dir, es wäre eine gute Idee, sich meine Schwiegermutter und meine Freundin zu schnappen."
„Naja, ich hätte ja auch dich nehmen können.", provoziert er mich.
„Hast du aber nicht. Vielleicht besser so, vielleicht auch ein Fehler."
„Ich wollte meine letzten Tage in guter Gesellschaft verbringen. Schließlich werde ich sehr bald sterben."
„Das ist eine schlechte Ausrede für Entführung."
Ich ringe mich dazu durch, mich nun doch zu setzten. Luciano stellt ein Röhrchen mit einer Pille auf den Tisch und starrt sie an, als wäre es Gold. Er beginnt wieder zu reden und erklärt mir ruhig, dass er Krebs hat und es keine Heilung mehr gibt. Er hat vielleicht noch Tage oder Wochen zu leben. Dumm gelaufen. Heute wird wohl diesem Leben ein Ende gesetzt. Er wird sterben und das nicht durch meine Hand. Auf meine Frage hin, was das für eine Pille ist, antwortet er nur knapp.
„Das ist mein Ticket in die Hölle. Zyankali."
„Das soll ich dir glauben?"
„Wenn ich heute sterbe, dann durch diese Pille. Meine Leute werden sich ergeben und euch anschließen."
„Lüge."
„Kindchen, ich weiß, wir hatten einen schlechten Start. Jedoch möchte ich selber bestimmen, wie ich sterbe und ich ergebe mich. Du hast mein Wort."„Was kann ich auf das Wort eines Mafioso geben, der zugesehen hat, wie man eine Frau vergewaltigt und schlägt. Ich gebe einen Dreck auf deine Worte.", stehe ich wütend auf und gehe erneut auf und ab.
Soll ich ihm diesen Mist nun wirklich glauben, oder ist es wieder eine dieser Spielchen. Er scheint zu bemerken, wie ich in meinem Kopf durchgehe wie, ob er wirklich recht haben könnte. Vorsichtig zieht er eine Schublade auf und holt eine Aktenmappe hervor. Luciano schiebt sie mir über den Schreibtisch und stellt das kleine Röhrchen mit der Pille direkt daneben. Ich greife nach der Akte und überfliege einige Seiten im schnelldurchlauf. Abgesehen von den unaussprechlichen Diagnosen, geht klar hervor, dass der Krebs gestreut hat. Die errechnete Restlebenserwartung liegt bei wenigen Wochen.
„Emilia, sind wir ehrlich. Es ist egal ob ich heute sterbe oder in ein paar Wochen. Viel Zeit bleibt mir nicht. Für mich ist die Zeit gekommen."
„Wer versichert mir, dass du wirklich mit mir da runter kommst und dich deinem Schicksal hingibst?"
„Ich würde dir ja einen Pakt bieten, aber mein Blut willst du nicht."
„Gib mir die Pille und ordne deinen Leuten an, die Waffen niederzulegen."
Luciano nickt und greift zu seinem Handy. Ich kann nicht sehen wen er anruft, aber er gibt eindeutige Anweisungen. Also gut, dass wird es wohl so sein. Er deutet mir an, mich bei ihm einhaken zu können und für einen Moment denke ich wirklich darüber nach. Ich entscheide mich jedoch dagegen. Gemeinsam verlassen wir den Raum und gehen Richtung Treppe.
-
Luciano steht neben mir und wir warten auf das Go von Cal, damit wir das Haus verlassen können. Ich will endlich diesen Haken an diesen Teil meines Lebens machen und mit Cal in eine andere Zukunft starten. Luciano ist das letzte Puzzlestück meiner Vergangenheit. Der letzte Lebende Cortez, der mir im Weg steht.
Es ist wirklich seltsam, dass heute dieses Kapitel endgültig geschlossen wird. Diese Familie hat mir alles genommen. Meine Würde, meinen Willen und meine Freiheit. Sie haben mich in diese dunkle Welt abrutschen lassen. Ohne sie, wäre ich heute nicht eine Frau die gewissenlos zur Waffe greift.
Das Zeichen kommt und ich deute Luciano an, durch die Türe zu treten. Ich werde erst nach ihm, dieses Haus verlassen und es bis auf den letzten Stein niederreissen. Ich will endlich in Ruhe leben. Als ich zu geschickt bekomme, wie draußen alles auf uns wartet, nehme ich auch Caleb wahr.
Er steht neben seinen Eltern und wirkt stolz und erhaben. Als würde es ihm gefallen, dass ich ihn hinaus begleite. Es ist fast wie bei Rosario. Ich beende es hier und heute. Mir ist es egal ob Luciano unbedingt den Freitod will. Ich will dieses Kapitel endlich abschließen. Ich möchte endlich in Ruhe leben dürfen und mich ganz auf meine Familie konzentrieren können.
Wir treten nach draußen und ich schaue mich um. All diese Gesichter. Seine Leute knien am Boden vor unseren. Alle haben wieder was sie wollten. Die Frauen sind da, wo sie sein wollen. Caleb steht bei seinen Eltern und ich schaue ihm entgegen.
„Luciano Cortez wird heute sterben. Doch vorher will er einige letzte Worte an euch wenden.", rufe ich laut aus und schiebe ihn in die Mitte des Vorhofes.
Luciano beginnt damit, zu erklären, wie er auf die Idee kam. Nachdem Sohn und Frau Tod waren, wollte er Rache nehmen. Doch seine Krankheit lies ihn umdenken. Er wollte seine letzten Tage in bester Gesellschaft verbringen. Danach wären die Frauen wieder zurückgebracht worden. Doch nun musste er feststellen, dass er mich unterschätzt hatte.
Seine zwanzig minütige Rede wird von Remus unterbrochen. Er schreit ihn an und ist außer sich vor Wut. Die anderen versuchen ihn zu beruhigen, doch es hilft nichts. Er zieht ein Messer und will auf Luciano losgehen. Sein Anlauf wird durch einen Schuss in die Luft gestoppt. Sein wütender Blick trifft auf mich und ich sehe ihn kalt an.
„Noch einen Schritt weiter und du bekommst ein Grab neben ihm.", zische ich durch zusammengebissene Zähne.
„Als würde mich eine Frau aufhalten."
Sofort ziele ich mit einer Waffe zwischen seine Augen und schaue ihn eindringlich an. Er wagt es nicht sich zu bewegen, doch er Ausdruck in seinem Gesicht ändert sich. Luciano kommt mir näher und ich ziehe die zweite Waffe, um auch ihn auf Abstand zu halten.
„Keiner Bewegt sich weiter!", gebe ich von mir und sehe beide wechselnd an.
Adrenalin durchströmt mich und ich werde nicht zögern einen von beiden zu erschießen. Keinen Augenblick lang würde ich zögern. Ich sehe wie Caleb auf mich zukommt und nach einer der Waffen greifen will. Doch ich entziehe mich ihm und schaue ihn an, als hätte er mich verraten.

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Parisi - Back To Him
RomanceAls Emilia Katalina siebzehn war, wurde ihr Leben auf eine brutale Weise verändert. Ihr Vater versprach sie an den Mafiosi Sohn Luan Jasiel Cortez. Vier Jahre lang musste sie an seiner Seite leben. Ein Leben zwischen physischer und psychischer Gewal...