47. Kapitel

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"Ich bin echt kaputt." murmle ich nachdem Mario und ich wach werden. "Von den letzten Tagen oder von den letzten Nächten?" fragt Mario grinsend. Ich drücke ihm lachend ein Kissen auf sein Gesicht.

Keine halbe Stunde später sitzen wir beim Frühstücken. "Nach diesem Urlaub muss ich auf jeden Fall wieder anfangen zu trainieren." sage ich lachend. Das Essen in Amerika ist nunmal sehr, sehr Kalorienreich.

"Wie geht das eigentlich weiter bei dir?" hakt Mario vorsichtig nach. Die Vergangenheit hat in den letzten Wochen niemand von uns so richtig angesprochen. Und ich habe auch keine Ahnung wie die Zukunft aussehen soll.

"Ich weiß es nicht. Ich muss mir irgendwann mal einen Job suchen." murmel ich und blicke aus dem Fenster. "Ich weiß einfach nicht was ich machen möchte. Es gibt so viele Möglichkeiten. Arbeit mit kleinen Kindern, Jugendlichen? Psychologie? Jugendamt? Sei froh das du die richtige Entscheidung getroffen hast." sage ich.

"Für mich gab' es keine Entscheidung." sagt er eindringlich und steht danach auf. Ich folge ihm. Bis wir aus dem Hotel sind, hängen meine Gedanken an dem Satz, den Mario gerade gesagt hat.

"Erde an Selena?" reisst mich seine Stimme aus den Gedanken. Vor uns steht ein alter Dodge Challenger. "Überraschung." grinst Mario. Mein verwirrter Blick wechselt augenblicklich in einen strahlenden. Er schmeisst mir einen Schlüssel zu den ich aus Reflex auffange.

"Nicht dein Ernst?" frage ich unnötiger Weise. Mario steigt auf den Beifahrersitz. Ich freue mich wie ein kleines Kind und nehme hinterm Steuer platz. Der Motor heult auf.

"Du bist so verrückt. Wie bekommst du das alles immer so einfach hinter meinem Rücken hin?" frage ich mehr zu mir selbst. "Ich bin eben ein Organisationstalent." grinst er. Danach fahre ich los. What the hell! Ich liebe mein Leben. Und ich liebe meinen Freund.

Der Tag ist der schönste von allen. Die anderen waren auch atemberaubend. Aber so ein ganzer Tag nur für Mario und mich hat echt was.

"Ich will nicht zurück!" jammere ich als wir mit den gepackten Koffern im Hotelzimmer stehen. "Soll ich dich hier lassen?" lacht Mario. "Warum sind wir nicht einfach mal verrückt, bleiben hier, du kaufst ein Haus und wir werden Amerikaner." sage ich voller Enthusiasmus. "Das würde dir so passen." sagt er und kneift mir in meine Wange. "Jaa! Würde es." schmolle ich.

"Aber ich freue mich meine Familie endlich wieder zu sehen." lächle ich und verabschiede mich mit einem letzten Blick aus dem Fenster von L.A.

Wir treffen in der Lobby auf Fabi und Kristina. Sie trägt den gleichen Gesichtsausdruck wie ich. "Du würdest wohl auch lieber hier bleiben." sage ich halb lachend. Sie nickt. "Siehst du Mario. Jetzt wären wir schon zu dritt." versuche ich es nochmal. Natürlich weiß ich das das nur kleine unwirkliche Hirn Gespenster von mir sind.

Er lacht nur und geht zum Taxi das uns zum Flughafen bringt. Wieder dieses ewige Umsteigen und Fliegen.

"Willst du nach Hause?" fragt mich Mario, nachdem wir am Münchner Flughafen vor seinem Auto stehen. "Ich würde echt gerne zu meiner Familie. Ich habe sie seit Wochen nicht mehr gesehen." murmel ich. Er nickt. Halb verständnisvoll, halb traurig.

Mario fährt mich also bis vor das Haus meiner Eltern. Ich steige aus und er nimmt meinen Koffer aus seinem Auto. "Der Urlaub war wunderschön!" murmel ich an seine Halsbeuge, nachdem er mich in seine Arme zog. "Ich vermisse es jetzt schon jeden Tag neben dir einzuschlafen und wieder aufzuwachen." sagt er bedrückt. Ich sehe ihm in die Augen.

"Wir können uns doch Morgen schon wieder sehen." versuche ich ihn zu trösten. Im Prinzip geht es mir ganz genau wie ihm. "Kommst du zum Frühstücken?" fragt er wie ein kleines Kind. Ich lächle leicht und nicke. Er gibt mir einen langen Kuss. "Ich liebe dich." flüstert er. "Ich dich auch." antworte ich, nehme meinen Koffer und laufe die Auffahrt hoch.

Ich nehme den Schlüssel, den ich die ganze Zeit bei mir hatte und sperre die Haustüre auf. Ich bin noch nicht einmal eingetreten, werde ich von meiner Schwester überrannt. Ich gehe in die Hocke und schließe sie so fest ich kann in meine Arme. Eine Träne läuft über meine Wange.

"Alles okay?" frage ich sie und versuche mir einen Heulkrampf zu unterdrücken. Ihre Freude ist nicht zu übersehen. Sie schafft es noch nicht einmal zu antworten.

Ich nehme ihre Hand und gehe gemeinsam mit ihr ins Wohnzimmer. Meine Mum, mein Dad und David sitzen auf der Couch. Sie rühren sich kaum. Alles ist still. Ich räuspere mich, worauf alle drei ihre Köpfe heben. Die Augen meiner Mum fangen sofort an zu leuchten. Keine Sekunde später umarmt sie mich fest. "Ich bin so froh das du wieder da bist." sagt sie erleichtert. "Ich auch, Mum. Ich hab' dich schrecklich vermisst." Ich bin wirklich kurz davor los zu heulen.

Danach kommt David. Mit ihm hatte ich ja zumindestens Whatsapp Kontakt. "Du hast mir einiges zu erzählen, schwesterchen." murmelt er leise in mein Ohr. Er, Mum und Samira verschwinden darauf aus dem Wohnzimmer. Lediglich mein Dad sitzt noch auf der Couch.

Mein Herz schlägt mir bis zum Hals. "Dad.." fange ich an, aber er unterbricht mich. "Setz dich." Ich tue was er sagt. "Was hast du dir dabei gedacht?" sagt er trocken.

Ich starre ihn an. Er hat mich bis jetzt noch keinen Blickes gewürdigt. Langsam hebt er seinen Kopf und sieht mir in meine Augen. Er ist verletzt. "I-Ich.. ich habe einfach Abstand gebraucht." sage ich mit kratziger Stimme. "Abstand? Von uns?! Weißt du wie viele Sorgen deine Mutter und ich uns gemacht haben?! Wie viele Nächte ich wach gelegen bin, weil ich nicht gewusst habe wo du bist?!" Seine Stimme wird langsam aggressiv. Mein Dad war noch nie der Typ rumzuschreien. Uns zu bestrafen oder uns anzuschreien. Er hat immer ruhig mit uns geredet. Ich muss ihm wirklich ziemlich weh getan haben, das er so ausflippt.

"Es tut mir leid." murmel ich leise. "Es tut dir leid?! Kein Anruf. Keine Nachricht. Nichts. Und das Wochenlang. Was fällt dir ein uns in einen solchen Schrecken zu versetzen? Weißt du das deine kleine Schwester dich jeden Tag vermisst hat? Das sie Abends nicht schlafen konnte, weil wir ihr nicht sagen konnten wo du bist? Warum hast du das gemacht, Selena?" Erst bei der letzten Frage wird seine Stimme sanfter.

"Ich habe vor ein paar Wochen etwas erlebt, worrüber ich mit keinem Menschen sprechen möchte. Ich weiß das ihr enttäuscht von mir seid. Aber bitte versteht das einfach und akzeptiert es. Mir geht es jetzt gut. Und das dank den letzten Wochen mit Mario. Ich kann nur sagen, das es mir leid tut. Aber ich musste eben irgendwie aus diesem Loch kommen, in das ich geworfen wurde und abzuhauen, schien mir eben die beste Möglichkeit." erkläre ich. Es fällt mir immer noch schwer, über dieses Thema zu sprechen.

Meinem Dad läuf eine Träne über die Wange. "Mach' so etwas nie wieder!" sagt er und zieht mich danach zu sich. Er schließt mich so fest in seine Arme, wie noch nie. Jetzt fange ich endgültig an zu weinen. "Ich liebe dich. Du bist doch meine kleine Prinzessin. Und das wirst du auch immer bleiben. Merk' dir eins, ich werde nie akzeptieren das du erwachsen wirst." murmelt er über meinen Kopf hinweg und streicht mir über meine Haare. Beim letzten Satz muss sowohl er als auch ich schmunzeln.

"Und jetzt gehst du zu deinen Geschwistern. Du hast ihnen ganz schön gefehlt." lächelt er. "Danke." grinse ich und gehe zum Türrahmen. "Dad?" Er dreht sich zu mir um. "Ich hab' dich lieb." lächel ich. Er zwinkert mir zu, worauf ich die Treppen hoch laufe.

Ich redete zuerst noch mit meiner Mum, danach mache ich das, was mich eigentlich immer zu tiefst genervt hat, ich gehe mit Samira Zähne putzen, bring sie in ihr Zimmer. Decke sie zu, lese ihr was vor. Danach warte ich bis sie eingeschlafen ist. Und was soll ich sagen... ich hätte an diesem Abend nichts lieber gemacht!

Veni. Vidi. Vici. (Mario Götze)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt