78. Kapitel

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Mittlerweile habe ich tatsächlich diese Aufnahme an der Dance-Academy geschafft. Gerade sitze ich mit Marcel noch im Cafè, das wir oft nach einem anstrengenden Seminar besuchen. Der 3. Monat ist bereits um. Also genau die Hälfte.

"Marco hat gefragt ob du nachher noch mit zu uns kommen möchtest." murmel ich während ich irgend eine Antwort in mein Handy tippe. "Wie lange willst du eigentlich noch bei ihm wohnen?" fragt er mich skeptisch. Immer und immer wieder stellt er mir diese Frage. Ich hasse es!

"Ich werde mir bestimmt nicht für die restlichen 3 Monate eine Wohnung hier suchen. Das wäre dann doch etwas unsinnig." meine ich. "Und das habe ich dir auch schon oft genug gesagt." füge ich tadelnd hinzu. "Ich hab' dir auch schon oft genug gesagt das du nicht zurück nach München gehen wirst. Die Rechnung bitte!" Den letzten Satz wirft er der Bedienung zu. Ich sage nichts mehr. Diese standigen Diskussionen gehen mir mehr als nur auf die Nerven. Nachdem er bezahlt hat verlassen wir das Lokal. "Warum bist du dir da überhaupt so sicher?" frage ich als wir in mein Auto steigen. "Komm' schon. Als wüsstest du das nicht selbst." Ich sehe ihn fragend an. "Es ist doch nur eine Frage der Zeit bis ihr wieder zusammen seit." sagt er ausatmend. Als wäre das alles selbstverständlich. "Falls es dir nicht aufgefallen ist, sind wir seit einem Jahr und 4 Monaten getrennt. Ich weiß nicht worin ihr alle dabei eure Hoffnung steckt, aber von mir aus.. glaubt was ihr wollt." fauche ich. Dieses Thema bringt mich immer noch aus der Fassung.

Schon als ich die Auffahrt zu Marcos Haus einfahre zuckt es in meiner Brustgegend. "Oh. Oh." grinst Marcel. Dort steht nichts anderes als Marios Auto. Klar. Eigentlich sollte es mir nichts ausmachen. Er... Er bedeutet mir schließlich nichts. Und ich sehe ihn fast jede Woche, gerade weil Marco unser beider bester Freund ist. Und trotzdem versetzt es mir jedes Mal einen Stromschlag wenn ich mit seiner Anwesenheit konfrontiert werde.

"Halt deine Fresse." maule ich Marcel an, ziehe ruckartig die Handbremse nach oben und steige aus. "Da ist aber jemand schlecht gelaunt." höre ich ihn murmeln während er ebenfalls aussteigt. "Warum ist der überhaupt hier?! Marco hat doch gefragt ob du kommen möchtest, was zur Hölle hat er dann hier zu suchen?!?!" schimpfe ich während ich die Haustüre aufsperre. "Beruhig' dich doch mal. So kenn' ich dich ja gar nicht." meint Marcel und sieht mich geschockt an.

Ich knalle den Schlüssel auf die Ablage und schmeisse meine Tasche in die Ecke. "Dann tust du es jetzt." maule ich und mache mich strickt auf den Weg ins Wohnzimmer. Schon während ich die 4 Stufen in den niedergelegenen Raum runter stürme stehen beide von der Couch auf. "Was ist dir denn über den Weg gelaufen?" fragt Marco belustigt. "Das fragst du noch? Was soll das denn?! Ist es Absicht das du uns  immer miteinander konfrontierst? Du wusstest doch das ich komme. Und da fragst du noch ob Marcel auch dabei ist? Weil die beiden sich so gut verstehen oder was? Was geht in deinem Kopf vor?!" Ich blicke Marco direkt in die Augen. Er sieht mich etwas bedröppelt an. "Jetzt siehst du's. Mit ihr will man sich nicht streiten." meint Mario abwertend. Ich reagiere nicht auf ihn.

"D-Das war keine Absicht." murmelt Marco. "Falls es dich beruhigt-" fangt Mario an und geht während er spricht an mir vorbei. "- ich bin spontan hier. Wenn ich mir euch zwei geben muss, haue ich lieber wieder ab. Aber wag' es nicht nochmal Marco so anzuschreien. Das steht dir nicht zu. Du bist hier nur Gast, merk dir das." Er zwinkert mir überheblich zu und verschwindet dann.

Ich schüttel nur meinen Kopf und gehe in das Gästezimmer. Nach dem Duschen sitze ich gefühlte Ewigkeiten in meinem Bett. Irgendwann halte ich es nicht mehr aus. Mir fällt hier die Decke auf den Kopf. Ich beschließe feiern zu gehen. Das ist zur Zeit hier in Dortmund das Einzigste was ich ausserhalb dieses Trainings mache.
Also tippe ich die Nachrichten in mein Handy, um mich mit Marcel zu verabreden.

Ich: Um 11?

Marcel: Klar.

Als wäre es ein Ritual vereinbaren wir den Treffpunkt. Danach mache ich mich fertig und pünktlich höre ich die Hupe vor dem Haus. Bevor ich dieses verlassen kann, sehe ich Marco im Blickwinkel. Ich wende mich ihm zu und sehe ihn fragend an. Er schüttelt nur seinen Kopf, dreht sich um und geht. Fast als wäre er enttäuscht. Ich steige in den Wagen. Irgendwie habe ich das Gefühl, als würde in diesem Moment ein Blitz durch meine Herzgegend jagen. Aber nicht so ein Blitz, wie es immer 'war' wenn ich Mario gesehen habe. Ein schmerzender, stechender Blitz.

Mit dem Taxi fahren wir zum Club.

Von dort bekomme ich allerdings nicht viel mit

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Von dort bekomme ich allerdings nicht viel mit. Ich schütte mich zu. Diese Gedanken an den Streit mit Marco, die Art wie Mario mich behandelt, wie wir uns gegenseitig fertig machen, bringt mich auf den Boden. Jedes Mal wenn wir uns sehen drücken wir uns blöde Sprüche. Und das seit über 3 Monaten. Seit wir... naja seit wir miteinander im Bett waren.

Immer und immer wieder denke ich darüber nach. Oft Nächte lang. Darüber das er überhaupt in mein Leben getreten ist und was er damit gemacht hat. Ich wollte schon immer nur ein normales Leben führen. Schule, Studium, Job, Haus, Familie, Tod. Bis er gekommen ist habe ich das alles auch ganz gut hingekriegt. Alles lief wie am Schnürchen. Und dann kommt er und bringt alles durcheinander. Seit 3 Jahren läuft in meinem Leben gar nichts mehr glatt. Ich habe nur noch Freunde die auf der Straße in 100 Kilometer Entfernung erkannt werden, meine 1 jährige Beziehung habe ich gegen die Wand gefahren, habe noch nie einen wirklichen Job gehabt und von einer eigenen Familie bin ich ganz weit entfernt.

Und genau an dieser Stelle kommen diese Zweifel. Was, wenn ich damals auf Mario gehört hätte? Was, wenn wir jetzt Eltern eines kleinen Babys wären? Und dann kommen wieder die Gedanken an diesen Mario. Diesen Mario den ich nicht wieder erkenne. Diesen Mario, der er jetzt ist.

Es überfordert mich alles. Vielleicht erwarte ich auch einfach zu viel vom Leben. Vielleicht überdramatisiere ich. Aber die Lösung für all diese Probleme ist für mich seit einigen Wochen eben jeden Samstag der Alkohol. Mit dessen Hilfe ich diese ganze Scheiße für ein paar Stunden vergessen kann. Genau so wie jetzt. Irgendwann stehe ich alleine an der Bar. Von Marcel keine Spur mehr. So wie jedes Mal. Klar, es ist unverantwortlich. Aber wer schon  einmal wegen seinen scheiß Problemen richtig betrunken war, weiß das einem in diesen Momenten einfach alles gleichgültig ist.

Ich möchte nach draußen um mir ein Taxi zu rufen. Als ich losgehen will, merke ich allerdings wie schwer es mir bereits fällt einen Fuß vor den anderen zu setzen. Ich versuche mich an der Treppe des schon fast leeren Clubs und laufe oben einfach über die Straße. Ein Fehler. Wieder einmal ein großer Fehler.

Veni. Vidi. Vici. (Mario Götze)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt