113. Kapitel

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Ich schlürfe genervt zur Haustüre. Marco. Ohne ein Wort kommt er rein und stürmt in Richtung Wohnzimmer. Seit Tagen hänge ich nur hier rum. Ich kann nicht essen, nicht schlafen, nicht denken, einfach gar nichts. Ständig stelle ich mir vor, wie es jetzt wäre wenn... Wenn sie mit mir kommen würde. Wenn ich hier bleiben würde. Wenn die ganze Scheiße einfach nicht passiert wäre. Wenn ich sie einfach wieder hier bei mir hätte.

"W...Was.. I-Ist das jetzt tatsächlich dein Ernst?" fragt Marco geschockt. Im Wohnbereich stehen die fertig gepackten Koffer. Eigentlich soll es Morgen los gehen. "Sehe ich aus als würde ich Witze machen?" frage ich monoton. "Das hätte ich wirklich nicht erwartet." Man hört Marco den Schock in der Stimme förmlich an.

"Weißt du, ich fand es schon mehr als nur scheisse als du damals nach Bayern abgehaun bist. Aber das hier ist ja wohl die Höhe. Vorallem was Selena angeht." Super, jetzt ist auch noch er sauer auf mich. "Sagt mal hat jemand auch nur einen Funken Verständnis für mich?!" rufe ich aus. "Ja, Mario. Den habe ich. Was das mit der Öffentlichkeit betrifft verstehe ich dich voll und ganz. Aber dir haben mehrere Ärzte sowie auch deine Freundin gesagt, dass das Abhauen für diese Krankheit überhaupt nicht förderlich ist. Und soll ich dir sagen, wofür ich kein Verständnis habe?!" Ich sehe ihn nur traurig und abwartend zugleich an. "Dafür das du deine Freundin mit der geplanten Hochzeit und eurer beschissenen Situation mit dem Kinderwunsch, einfach sitzen lässt."

Marco verlässt das Haus mit einem lauten Knall der Tür. Ich weiß, dass das was ich tue beschissen ist. Das war ja auch nie mein Plan. Ich wollte mit ihr gehen. Nicht sie alleine lassen. Aber sie möchte mich einfach nicht verstehen. Und nach der Begegnun im Mannschaftshotel, will sie anscheinend ohnehin nichts mehr von mir wissen. Also warum sollte ich jetzt noch hier bleiben?

Ich schleppe mich nach oben in mein Bett. Da verbringe ich ohnehin die meiste Zeit der letzten Tage. In einem leeren Zimmer, in dem mal so unglaublich viel Liebe war.

Selena's Sicht:

Immernoch hänge ich bei Marco und Scar rum. Seit Tagen. Ich bin einfach zu Nichts mehr zu gebrauchen. Marco kommt gerade nach Hause und schlägt die Tür hinter sich lautstark zu.

"Was ist denn mit dir los?" frage ich leise und stehe auf, weil er wie ein Tiger in seinem Wohnzimmer auf und ab geht. Augenblicklich bleibt er stehen und sieht mich an. Ich weiß das er bei Mario war. Er hat jeden Tag mehrere Stunden versucht ihm die Vernunft ein zu reden. Aber dieser Blick jetzt, sagt nicht einfach nur einen weiteren gescheiterten Versuch aus.

"Er zieht das wirklich durch." murmel ich leise. Als würde ich es zu mir selbst sagen. "Ich habe alles versucht! Wirklich alles. Aber der hört nicht auf mich. Die Einzige die dazu fähig ist, bist du. Aber du denkst ja nicht mal daran um ihn zu kämpfen!" fährt er mich an. Eine kleine Träne bahnt sich den Weg aus meinen Augen.

"Kämpfen? Wofür? Dafür, dass es ihm egal ist wie es mir bei der ganzen Sache geht? Dafür das er ohne mit der Wimper zu zucken unser ganzes Leben aufgibt?" Marco sieht mich wissend an. "Nein, Marco. Er wird sich immer wieder in eine Richtung verrennen. Ich habe ihm alles gesagt, all' diese Dinge die ihn zurück halten müssten und die er eigentlich von ganz alleine wissen sollte, habe ich ihm mehr als nur einmal klar gemacht. Wenn er es so will, bitte."

Ich gehe ins Gästezimmer wo ich mich mal wieder stundenlang ausheule. Das kann doch wirklich nicht sein Ernst sein!

"Hey, tut mir leid was ich vorhin gesagt hab." Marco steckt den Kopf durch die Tür des Gästezimmers. Ich wischr mir kurz die Tränen aus den Augen. "Schon gut." lächle ich leicht, worauf er dann ganz rein kommt und sich mir zu gewandt auf das Bett setzt. "K-Könntest du.. also.. ich meine.." fängt er an. Ich sehe ihn nur abwartend an. "Kannst du nicht nochmal mit ihm reden?" schiesst er dann heraus und ich glaube wassrige Augen erkennen zu können. Ich atme nur tief durch. Aussichtslos. Es ist aussichtslos. "Weißt du, nicht nur du verlierst ihn. Ich verliere ihn auch. Meinen besten Freund." sagt er leise. "Ich werd's versuchen." murmel ich schließlich. Marco sieht mich dankend an und verlässt dann das Zimmer wieder.

Ich ringe lange mit mir. Die ganze Nacht, um ehrlich zu sein. Ich habe mich entschlossen es zu versuchen. Für Marco. Nicht für uns. Was ist, wenn er hier bleibt? Friede-Freude-Eierkuchen? Nein. Es ändert Nichts daran das ihm jegliches Verständnis fehlt und er mal wieder ohne mich über unser Leben beschlossen hat.

Am nächsten Morgen fahre ich also zum Haus. Ich sperre mit zittriger Hand die Türe auf. Zu meiner Verwunderung finde ich anstatt der tausend paar Schuhe die eigentlich im Eingangsbereich stehen, Nichts. "Mario?" rufe ich. Beim Aussprechen dieses Namens sticht es in meiner Brustgegend. Es kommt nichts zurück. Langsam bekomme ich es mit der Angst. Ich dachte eigentlich meine Wut würde siegen, aber jetzt, macht sich einfach nur noch Angst in mir breit.

Mit Beinen wie aus Wackelpudding laufe ich nach Oben in unser Schlafzimmer. Diese Tatsache alleine würde in meinem Zustand gerade reichen in Tränen aus zu brechen. Ich öffne die Tür zum Kleiderschrank. Nichts. Mario's Seite ist fast komplett leer. In mir drin ziehen sich alle Muskeln zusammen. Aber der größte Muskel, der Muskel der mein Herz bildet fühlt sich an als würde er gleich explodieren. Er ist weg.

Ich sinke an der Türschwelle nach unten. Es funktioniert nichts mehr. Ich möchte einfach nur noch hier sitzen und weinen.

Mario's Sicht:

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Mario's Sicht:

Der Blick auf das Haus schmerzt einfach nur. Ich drehe mich noch einmal um, bevor ich in das Taxi steige. Tief durch atmend setze ich mich dann ins Auto. Ich sehe die ganze Fahrt aus dem Fenster. Alles an das ich denken kann ist Selena. Mit jedem Meter den wir zurück legen, werden meine Zweifel größer. Der Schmerz wird größer.

Am Flughafen angekommen, ist es kaum mehr zu ertragen. Den kompletten Check-In durchlaufe ich eigentlich nur noch blind. Mein Gehirn entpuppt sich als Totalausfall. Es funktioniert nichts mehr. Gedankenverloren sitze ich also auf einer der Stühle und warte. Starre nur noch vor mich hin. Irgendwann lasse ich meine Augen über die Menschen schweifen. An einem Paar bleibe ich hängen. Es sieht aus, als würden sie sich verabschieden. Die Frau ist definitiv schwanger. Sofort sticht es wieder in meiner Herzgegend. Was wäre, wenn wir ein Kind hätten? Was wäre dann?

Ich versuche die Gedanken zu verdrängen. Eigentlich tue ich das schon. Ansonsten würde ich vermutlich zusammen brechen. Ich sehe wieder auf, wo der Mann gerade mit einem letzten Wink und Tränen in den Augen um die Ecke geht. Keine Minute später bricht die Frau zusammen. Ohne zu überlegen sprinte ich los und stütz sie.

"Alles in Ordnung? Halten Sie sich fest." sage ich zu ihr, worauf sie sich in mein Sweatshirt krallt. "Sie braucht einen Arzt." rufe ich, worauf ein weiterer Fluggast zum Infostand rennt. Ich gehe mit der Frau zum nächsten Stuhl wo sie sich setzt und ihren Bauch fest hält. Vor ihr gehe ich in die Hocke. "Geht's? Sollen die ihren Mann zurück holen?" frage ich sie besorgt. Sie schüttelt nur ihren Kopf. "Geht schon wieder." murmelt sie. "Mein Freund.." Sie stockt kurz, weil sie anscheinend Schmerzen gat. "...er kann nicht zurück. Er muss zurück in sein Heimatland." bringt sie unter heftigem Atem hervor. Im nächsten Moment schieben mich die Sanitäter zur Seite.

Diese Frau und ihr Kind bleiben hier zurück weil ihr Freund abgeschoben wird? In welchem Land leben wir hier eigentlich?! Ich schüttel immer wieder unbewusst meinen Kopf. So viele Menschen auf dieser Welt dürfen nicht zusammen sein und ich... ich gebe das freiwillig auf?

Veni. Vidi. Vici. (Mario Götze)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt