105. Kapitel

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"Baby?" fragt Mario vorsichtig. Ich kann ihm nicht antworten. Stattdessen bemerke ich wie alle meine Muskeln beginnen zu zittern. Marios Stimme dringt kaum mehr zu mir durch. Bis er mein Gesicht in seine Hände schließt und mich zwingt ihn an zu sehen. "Selena! Was. Ist. Los." sagt er lautstark. Als würde ich aus meiner Trance wieder zurück kehren, starre ich ihn an. "David... Sami... die Beiden... Sie hatten einen Autounfall." bringe ich leise hervor. Mario sieht mich mit dem gleichen Blick an, den ich gerade haben muss.

"W-Was? Aber... sie sind doch im Krankenhaus, oder?" möchte er dann wissen. Ich fühle mich wie versteinert. Erst Sekunden danach bringe ich ein Nicken zu Stande. Mario atmet erleichtert aus. "Ich muss sofort nach München fahren." sage ich dann entschlossen und möchte schon los. "Wouu. Stopp." hält Mario mich auf. "Du fährst in diesem Zustand sicherlich nirgendwo hin. Oder willst du dich gleich neben die Beiden legen." meint er. Klat und deutlich. Anders würde ich es wohlmöglich gerade nicht kapieren. Ich sehe ihm erneut in die Augen. Bis schlussendlich der erste Schock nachlässt und mir die Tränen aus den Augen laufen. Mario schließt mich fest in seine Arme. "Shh. Ich werd dir ein Taxi rufen." murmelt er leise und streicht beruhigend über meinen Rücken. Ich weiss wie gerne er mich fahren,  mit kommen würde. Aber das geht in seinem Job nun mal nicht. "Abe-" Er unterbricht mich sofort. "Scheiß egal was das kostet." sagt er in einem Ton, der keinen Widerspruch zu lässt.

Ich nicke nur schwach und setze mich ohne ein weiteres Wort auf die Couch um darauf zu warten. Ich kann nichts anderes als den Boden an zu starren. Ich habe keine Ahnung was mich dort erwartet. Meine Mum hat aus dem Krankenhaus angerufen. Ihr Handy hat sie anscheinend in der Aufregung zu Hause vergessen. Alles was ich weiss, ist das die Beiden im Krankenhaus sind. In welchem Zustand, weiss ich nicht. Und das macht mir Angst. Schreckliche Angst.

"Hier." reisst Mario mich aus den Gedanken. Er hält mit eine kleine Sporttasche, in die er anscheinend Sachen von mir gepackt hat, hin. Ich sehe ihn dankend an. Ein Lächeln bringe ich nicht zu Stande. Danach zieht er mich auf die Beine und bringt mich zum Taxi. Noch einmal schließt er mich in seine Arme. Ich kann förmlich spüren wie schwer es ihm fällt, mich alleine zu lassen und wie weh auch ihm die ganze Sache gerade tut. "Ruf' mich an wenn du was weisst." bittet er, worauf ich wieder nur nicke. "Ich liebe dich." flüstert er dann leise und drückt mir einen Kuss auf die Stirn. Weil ich kein Wort raus bringe, küsse ich ihn noch einmal richtig. Nichts könnte mir mehr Kraft geben.

Danach lösen wir uns und ich steige ein. Alleine. So gerne hätte ich ihn im Moment bei mir. Aber es geht eben nicht. Die nächsten Stunden sitze ich schweigend im Auto und starre aus dem Fenster. Es kommt mir vor, als wären es Tage in denen ich in diesem Wagen sitze.

Bis ich endlich ankomme. Da Mario die Rechnung mit dem Taxiunternehmen geklärt hat, stürme ich sofort aus dem Auto und suche das Zimmer das mir meine Mom genannt hat. Ohne auch nur eine Milisekunde ab zu warten, reisse ich die Tür auf. Darin finde ich ein Bett. Ein Bett in dem David liegt und einen Stuhl auf dem meine Mom mit Tränen in den Augen sitzt. "Wo ist Samira?" frage ich sofort. Meine Mom kommt auf mich zu, aber Davids entschuldigender Blick und sein sofortiger Ausbruch in Tränen lassen mein Herz fast zerspringen. "Wo ist Sami?!" wiederhole ich also lautstark. "Schätzchen, setz dich hin." meint meine Mom. "Nein! Was ist mit ihr?!" Nun schreie ich schon fast. Genau wie alles in mir drin gerade. "Sie ist im OP." sagt meine Mom dann.

Dieser Satz lässt mich aufatmen. OP. Immerhin hat sie das Wort OP genannt. Nun lasse ich mich wirklich auf den zweiten Stuhl fallen. "Sie.." meine Mom kann kaum aussprechen, weil ihre Stimme abbricht. "Sie hat schwere innere Verletzungen. Die Ä-Ärzte... sie kämpfen noch um ihr Leben." Nicht das ich alleine deswegen, meine Mutter vor mir zusammenbrechen zu sehen, schon völlig fertig bin. Nein. Diese Worte hallen in meinem Kopf. 
Samira. Meine kleine Sami. Meine Schwester. Ich kann das alles nicht glauben. Ich will es nicht glauben.

Veni. Vidi. Vici. (Mario Götze)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt