120. Kapitel

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So schnell ist die erste Woche auch schon wieder rum. Mykonos war, trotz des naja.. doch eher größeren Vorfalls der uns immer noch unsere Gedanken raubt, wunderschön. Die Insel ist einfach ein Traum. Aber das worauf ich mich am aller meisten freue, kommt jetzt. Kapstadt. Die Stadt, wo ich schon mit meinem Bruder war. Wo ich mit ihm in einem Camp für Waisenkinder gearbeitet habe. Zu der Zeit, zu der ich nicht mit Mario zusammen war. An diesem Zeitpunkt habe ich wirklich geglaubt, das es das war. Auch als er mich dort besucht hat, und mit allem konfrontiert hat, was ich sonst verdrängt hatte, war für mich klar, das es in unserer Beziehung keine Zukunft gibt. Aber er hat nicht aufgegeben. Er wusste es anscheinend besser als ich, zum Glück. Und jetzt sind wir beide hier und ich kann ihm endlich zeigen, wofür mein Herz, außer für ihn, noch schlägt. Nämlich für diese Arbeit hier. Es hat mir erfüllt. Natürlich war es aufgrund der Trennung auch eine unglaublich schwere Zeit. Aber das was man hier macht, macht man nicht nur für sich selbst. Man tut es für die kleinen Menschen, die einem dann mit ihren unglaublich dankbaren Augen ansehen.

Wir fahren gerade mit einem Shuttle von unserem Hotel in Richtung des Camps. Ich kann förmlich sehen, wie schwer Mario das fällt. Er sieht sichtlich geschockt über die Lebensverhältnisse hier aus dem Fenster und schluckt schwer. „Wie hast du das nur ausgehalten? Wie hast du es ausgehalten zu wissen das ich förmlich auf Geld sitze und die hier so leben müssen?" fragt er mich dann irgendwann völlig trocken. Ich zucke nur mit den Schultern. „Denen würde Geld nichts bringen, die brauchen Fachpersonal und Versorgungsmittel. Geld würde denen doch nur genommen werden." - „Aber ich könnte mit meinem Monatsgehalt locker mehrere Familien ernähren." wirft er wieder ein. Er wirkt ja fast verzweifelt. So kenne ich ihn gar nicht. „Ich weiß. Aber solange sich hier am System nichts ändert, helfen Spenden zwar, ändern aber trotzdem nichts an den Lebensumständen." fahre ich also weiter fort. Er belässt es dann dabei. „Ich würde die abnehmen." meine ich dann zu ihm noch, bevor wir aussteigen. Der Grund ist seine Sonnenbrille die locker über tausend Euro wert ist.

Mario's Sicht:

Ich fühle mich gerade wirklich schlecht. Als wäre ich ein richtig schlechter Mensch. Ich meine ich spende. Na klar tue ich das. Das tut fast jeder von unserer Mannschaft und ich denke auch jeder der ganzen anderen Mannschaften. Aber es könnte mehr sein. Man könnte mit dem vielen Geld wirklich etwas bewirken, selbst damit helfen. Und es nicht nur an irgendwelche Organisationen schicken und zu glauben, dass die das schon machen. Oder sich immer auf die anderen zu berufen.
Als wir in dem Kinderheim ankommen, begrüßt Selena direkt irgendwelche Leute. Ich bin so unglaublich stolz auf sie. Auf die Tatsache das sie menschlich und psychisch die Kraft hatte, hier zu arbeiten. „Hey, du musst Mario sein." eine nett aussehende Frau hält mir ihre Hand hin. „Richtig." lächle ich also leicht. „Sabrina. Die Leitung des Heims hier." erwidert sie. „Hier hat sich ja schon ganz schön was verändert." stellt Selena dann fest. „Ja wir haben..." Den Rest höre ich schon gar nicht mehr, sondern sehe mich weiter um. Ich laufe den Beiden einfach hinterher. Überall sind Kinder. Teilweise stark unterernährte Kinder. Ich meine, wir waren damals auch in Brasilien in so einer Schule. Aber die Umstände hier sind noch weitaus schlechter als sie dort waren.

Als wir gerade das Außengelände besichtigen, fliegt plötzlich ein Ball auf mich zu. Wie ich eben bin, nehme ich ihn aus Reflex einfach an. Bis ich realisiere das ein paar Jungs mit dem zerflatterten Lederball gerade versuchen Fußball zu spielen. Ich lächle sie an und schieße den Ball zurück in ihre Richtung. „Was man im Blut hat, ne." lacht Selena mich an. Ich zucke nur grinsend mit den Schultern. Die haben hier nicht mal einen richtigen Ball. „Das war unsere letzte Anschaffung." nehme ich dann irgendwann auch wieder an den Gesprächen teil, die die beiden Frauen hier führen. Wir stehen vor einem kleinen Spielplatz mit Spielgeräten aus Holz. „Das ist sie." Selena bleibt mitten drin einfach stehen und starrt stur in eine Richtung. Ich folge ihrem Blick und bleibe an einem kleinen Mädchen hängen. „Wer, wer ist das?" hake ich dann nach. Selena hebt ihren Arm in die Höhe und zeigt auf ihr Tattoo. „Das Mädchen das das hier damals gemalt hat. Soley. Das ist Soley." Von ihrer anfänglichen Begeisterung schwindet ihre Stimmung langsam in Richtung Traurigkeit. „Sie ist immer noch hier." stellt sie dann fest. Jetzt verstehe ich das auch. „Ja, leider. Die Familie die sie damals in Pflege nehmen wollte hat sich getrennt. Also die Eltern haben sich getrennt, dadurch fiel das alles ins Wasser." erklärt uns Sabrina. Ich kann sehen wie vertieft Selena dieses Mädchen beobachtet und ihr leichte Tränen in die Augen steigen. Ich schätze Soley ist zwischen 7 und 8 Jahren alt. Selena geht zu dem Kind, worauf ihr dieses förmlich in die Arme springt. „Sie hat ihr damals fast das Leben gerettet. Ihre Blutspende hat der kleinen Monate verschafft. Monate die sie sonst nicht gehabt hätte, und in dieser Zeit hat sie dann ein Spenderherz bekommen. Natürlich ist es sehr schwer für ein herzkrankes Kind eine Familie zu finden." erklärt mir Sabrina. „Das hat sie nie erwähnt.. also das mit der Blutspende schon, aber nicht das das so bedeutend für dieses Kind war. Mein blickt hängt immer noch an den Beiden fest. Sie sehen sehr vertraut aus. Obwohl sie sich jetzt Jahre nicht gesehen haben. Irgendwann deutet Selena zu mir und das Mädchen lächelt mich an. Ich winke also verhalten zurück. Ich habe ja keine Ahnung wie ich mich verhalten soll. „Sie ist eigentlich ein sehr schüchternes Mädchen. Bei Selena war sie schon immer sehr aufgeweckt. Anscheinend auch bei dir." lächelt Sabrina mich an.

Veni. Vidi. Vici. (Mario Götze)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt