67. Kapitel

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So schnell wie man Nationalmannschaft sagen kann, war die Zeit auch schon wieder vorbei. Es gab leider keine Champions League für die Jungs. Dafür haben sie die Meisterschaft ergattert und den Pokal geholt. Heute ist der Tag an dem wir vom Trainingscamp für die EM wieder abreisen. Und außerdem ist heute noch ein ganz besonderer Tag. Mario's Geburtstag. Und noch eine Sache...

"Es kommt mir vor als wären es 3 Sekunden." murmelt Mario und sieht mir tief in die Augen. "Es ist aber schon ein ganzes Jahr." lächle ich und gebe ihm einen kurzen Kuss. "Das könnte man aber auch noch ein wenig in die Länge ziehen." beschwert es sich sofort. "Ich liebe dich, Mario." grinse ich und führe den Kuss fort. Kurz bevor mich Mario, nachdem er mich an meinen Hüften nach drinnen schob, gegen die Wand prallen lässt, geht unsere Zimmertür auf.

"Immer dieses Gerutel. Wir fahren!" Marco steht in der Tür. "Und das ist ein Grund einfach so rein zu platzen?!" fährt Mario ihn an. "Vielleicht sollte man dir mal 'nen Fußball zum Vögeln geben damit du deinen Kopf wieder bei den wichtigen Dingen hast." - "Warum bist du eigentlich noch hier? Turtel doch mit deiner Freundin rum." Marco wirft ihm einen tötenden Blick zu und verlässt dann mit seinem Koffer das Zimmer. "Müsst ihr euch immer anmeckern?" frage ich theatralisch leidend. Mario nickt. Danach lacht er und zieht mich dann mit, wir fahren nach Hause. Um dann gleich nach ein paar Tagen wieder nach Frankreich zu reisen. Ich frage mich, wie alle anderen Spielerfrauen das aushalten? Ewig getrennt zu sein, immer nur darauf zu warten das man seinen Freund mal für ein paar Stunden für sich hat.

Die Gruppenphase der EM haben die Jungs gut gemeistert. Und auch das Achtelfinale haben wir 3:0 durch Tore von Jeromè, Julian und Mario (Gomez) gewonnen.

"Lass uns eine Familie gründen." Mario reisst mich völlig aus meinen Gedanken. Während er eigentlich total verloren an der Schleife vom Gummizug meiner Jogginghose rumspielt, äußert er solche Gedanken. Ich starre ihn an und setze mich auf. "Du weißt schon, was du gerade gesagt hast." Er tut es mir gleich, und sitzt mir auf Augenhöhe auf dem großen Hotelbett. "Du meinst das ernst." stelle ich fest. Mario's Blick tut mir weh. Sehr weh. Er wirkt enttäuscht. "Ich.. Ich... wir reden später. Ich muss noch zum Mediateam." lenke ich ab und schnappe mir meine Nikes während ich zur Tür stolpere.

Natürlich muss ich nicht mehr arbeiten. Wie kommt er darauf mich mit diesem Thema so zu überrumpeln? Ehe ich mich versehe, finde ich mich draußen auf einer Parkbank im Innenhof des Hotels wieder. Ich scrolle durch meine Kontakte. Bei Marco bleibe ich hängen. Er ist nunmal zu meiner wichtigsten Bezugsperson geworden.

Marco: Es ist mitten in der Nacht?

Ich: Marco.. ich. Tut mir Leid für die Störung.

Marco: Was hat er angestellt?

Stille....

Marco: Skye? Bist du noch dran?

Ich: Was? Ehm.. ja. Hat sich erledigt. Danke.

Marco: Danke? Fü wa-

Bevor er zu Ende sprechen kann, lege ich auf. Ich blicke in die dunkle Nacht. Lediglich die Sterne leuchten Hell. Es ist falsch. Falsch wie ich mich verhalte. Ich beschließe mit ihm zu reden.

An seinem Zimmer, wir haben selbstverständlich getrennte, klopfe ich. Nichts. Ich versuche die Tür zu öffnen, was wunderlicher Weise auch klappt. Auf dem kleinen Balkon erblicke ich Mario. Er hat Kopfhörer auf und starrt ebenfalls in die Weite.

Vorsichtig trete ich vor ihn und lehne mich gegen das Geländer. Er atmet laut aus, bevor er die Musik von seinen Ohren nimmt und mich ansieht. "Tut mir Leid das ich eben einfach abgehaun bin." murmel ich. "Du musstest nicht arbeiten." sagt er leise. Ich schüttle beschämt meinen Kopf. "Warum? Warum Selena? Vertraust du mir immer noch nicht?" fragt er. Nicht vorwurfsvoll. Nein. Unter purer Enttäuschung.

"Ich vertraue dir voll und ganz. Keinem Menschen sonst würde ich mehr über mich preis geben als dir." beteuere ich. "Warum kannst du dann nicht einfach mit mir reden?" Ich habe keine Antwort darauf. Er macht Anstalten aufzustehen.

"Weil es mich überfordert! Ich bin gerade einmal 23. Mein Leben ist ein Chaos und die letzte Zeit war nicht gerade einfach." meine ich. "Das ist nicht wahr. Die letzten Monate waren toll. Und ja, du hattest eine schwere Zeit. Aber willst du davon deine komplette Zukunft abhängig machen? Willst du ewig in der Vergangenheit leben? Ich werde dir nicht wieder sagen, wie sehr ich dich liebe. Du weißt es nämlich. Weil ich dir diese 3 Worte jeden Tag gefühlte hundert Mal vor die Füße Werfe. Aber ich hätte gerne eine Zukunft. Eine Zukunft mit dir."

"Ich habe nie an einer Zukunft mit uns beiden gezweifelt. Aber du kannst nicht von mir verlangen das ich so etwas von einer Sekunde auf die Andere entscheide, Mario. Ich liebe dich. Und das letzte was ich will, ist eine Familie mit dir zu verweigern. Aber gib' mir doch Zeit. Zeit darüber nach zu denken." Er sieht mir in die Augen. Danach legt er seine Hände auf meine Taille und zieht mich auf seinen Schoß. "Ich habe doch nicht gesagt das wir jetzt ins Bett springen müssen und ein Kind bekommen. Das wäre dann sogar für mich zu unvernünftig." lenkt er ein.

Ich lege meine Stirn gegen seine. "Du und unvernünftig. Du bist der Vernünftigste Mensch den ich kenne." schmunzel ich. Er schüttelt lachend seinen Kopf. Danach bekomme ich einen langen Kuss.

Die Nacht über mache ich kaum ein Auge zu. Natürlich denke ich wirklich darüber nach. Und ja, ich kann mir nichts Schöneres vorstellen als eine Familie, mit Mario. Aber trotz Allem, hat das alles doch noch so lange Zeit...

Am nächsten Abend beschlossen ein paar aus der Mannschaft, zwei junge Mitarbeiter und ich, in einen Club zu gehen. Für Spieler natürlich ohne Alkohol und mit 2 Uhr als Grenze von Jogi. Außerdem würde Marco anreisen, da er sich dann in 2 Tagen das Viertelfinale ansieht.

"Warum verhält Mario sich so eigenartig?" hakt Marco bei mir nach, als wir nebeneinander an der Theke stehen um uns einen 5. Oder auch 6. Cocktail zuzuführen. Ich winke ab. Aus dem einfachen Grund das ich keine Lust auf Diskussionen habe. Und schon gar keine Lust habe ich dazu, mich über Mario zu unterhalten. Er verhält sich unter aller Sau. Geht mir aus dem Weg, sieht mich aber trotzdem mit einem Du-bist-dir-doch-nicht-sicher-mit-mir Blick an.

Der Abend nimmt seinen Lauf. Der Alkohol auch. Irgendwann sind alle außer Marco, Mario, Andrè und mir abgehaun. Gerade als ich mit Marco einen Shot trinken möchte, werde ich aus dem Club gezogen.

"Hör auf dich da drin mit ihm weg zu schießen!" fährt Mario mich in der kalten Nachtluft an und hält mein Handgelenk fest umschlossen. "Was geht dich das an? Du bist nicht mein Vormund." - "Aber dein Freund." entgegnet er sofort. "Und das erl.." Ich breche kurz ab weil ich tief durchatmen muss um nicht in Schwindel umzufallen. "..das erlaubt dir mich zu behandeln als wäre ich deine Leibeigene?" Er scheint tatsächlich zu überlegen. "Anstatt dir Gedanken darüber zu machen, das ich es ernst meinte mit dir eine Familie zu gründen, hockst du hier mit Marco und säufst dir die Birne weg." meckert er wieder. "Ich kann verdammt nochmal machen was ich will! Ich bin 23 Jahre jung. Bereit um mein Leben zu leben. Um etwas von der Welt zu sehen. Und nicht um mich rund wie eine Kugel in ein perfektes Haus zu sitzen und darauf zu warten das ich täglich Windeln wechseln darf. Red' mich darauf in 5 Jahren nochmal an. Damit wirst du klar kommen müssen. Ansonsten tut mir das ganze Leid für dich."  Natürlich vernebelt der Alkohol mein Gehirn. Aber bekanntlich, sagen betrunkene doch die Wahrheit, oder?

Veni. Vidi. Vici. (Mario Götze)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt