127. Kapitel

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Es kommen drei Schwestern sowie die Ärzte in den Raum um Selena für die Operation, zu der ich zugestimmt habe, ab zu holen. Dieser Dr. Burden legt seine Hand auf meine Schulter, nachdem ich Selena einen Kuss auf die Wange gegeben habe und ein letztes Mal ihre Hand gedrückt habe. "Wir werden alles tun." versichert er mir. Mit meinem letzten Nicken verlassen Sie dann den Raum. Zurück bleibt ein niedergeschlagener Marco und ich. Meinen Zustand kann man schon gar nicht mehr beschreiben.

8 Stunden, haben sie gesagt. Und das nur, wenn nichts schief geht. Das werden wohl die schlimmsten 8 Stunden meines Lebens. "W-Willst du nach Hause oder mit zu uns oder.." fragt Marco, doch ich unterbreche ihn indem ich energisch meinen Kopf schüttle. "Ich werd' nirgendwo hin gehen." meine ich. Er nickt verständnisvoll. "K-Könntest du bei Selena's Familie anrufen? Ich kann es... Ich kann es einfach nicht." meine ich. Marco nickt. Die Nummer von David hat er ja. Er wählt die Nummer und keine Sekunde nach dem David ran gegangen ist hört man ihn sogar wenn man zwei Meter von Marco entfernt steht ins Telefon schreien.

"Ja. Sie wird jetzt operiert." - "..." - "Niemand kann was dafür." - "..." - "Nein. Nun lass mich doch mal ausre-." - "..." - "Ist gut." Marco legt auf. Ich sehe ihn nur ängstlich an. Er sagt nichts. Kein gutes Zeichen. Sonderlich ruhig hat sich David ja nicht angehört. "Sie kommen her." informiert er mich dann kurz. Ich nicke nur.

Minute für Minute starre ich auf die Uhr an der weißen Wand. Die Zeit vergeht nicht. Keine Sekunde verstreicht in der ich nicht über sie nachdenke. Warum kann nicht einfach mal etwas glatt laufen? Vor ein paar Wochen hätte ich sie durch meinen beschissenen Fehler fast verlassen. Was mich dabei geritten hat, verstehe ich heute noch nicht. Ich hätte sie einfach auf unbestimmte Zeit alleine gelassen. Durch die Situation jetzt, fühle ich mich dafür noch schlechter.

"Was ist passiert? Warum hast du uns nicht gleich angerufen? Was zur Hölle soll der Scheiß?!" David platzt lautstark in den Raum. Hinterher kommen Selena's Eltern. Ich stehe auf, aber sagen kann ich auch nichts. Lediglich die Tränen fließen wieder über mein Gesicht. Wenigstens weiss ich jetzt, das schon mindestens 6 Stunden vergangen sein müssen.

"David hör auf!" warnt ihn seine Mum. Danach kommt sie zu mir und nimmt mich in den Arm. Sie weint ebenfalls. Ihre verschwollenen Augen sagen, das sie das tut seit sie los gefahren sind.

"Warum hast du nichts bemerkt?" fragt mich ihr Dad ohne mich an zu sehen, während Marco versucht den aufgewühlten David zu beruhigen. "I-Ich.. ehm.." stammle ich. Ich bringe kein Wort heraus. Ich frage mich doch selbst, warum mir nichts aufgefallen ist. Der Arzt meinte sie muss schon länger starke Schmerzen gehabt haben. Entweder Selena konnte das wirklich so gut überspielen oder ich bin ein verdammt schlechter Ehemann. Schon nach zwei Monaten.

"Ich hätte gedacht, du würdest besser auf meine Prinzessin aufpassen." sagt Robert enttäuscht. Nein. "Ich passe auf sie auf. Ich tue alles für Selena. Egal was. Ich liebe sie mehr als mein eigenes Leben. Wenn ich könnte, würde ich sofort mich an ihre Stelle setzen. Aber sie hat kein Wort über irgendwelche Schmerzen verloren, geschweigedenn hat sie sich anders verhalten oder bewegt. Nichts dergleichen. Ich konnte nichts merken. Aber trotzdem fühle ich mich deswegen schlecht. Ich mache mir selbst schon genügend Vorwürfe, das dürft ihr mir glauben. Sie ist meine Frau, verdammt."

Die drei sehen mich bedröppelt an. Sogar Marco steht der Mund offen. "Sie ist aber auch unsere Tochter, Mario. Und wir haben das Recht dazu, uns Sorgen zu machen." - "Natürlich habt ihr das. Aber ihr habt kein Recht mich für etwas zu verurteilen für das ich nichts kann."

Ich gehe zur Tür und reisse sie wütend auf um das Zimmer zu verlassen. Mit meinen Händen in den Hosentaschen laufe ich nach draußen und setze mich auf eine Parkbank. Es stimmt. Ich mache mir Vorwürfe. Eigentlich sollten wir jetzt zu Hause sein. Selena sollte vor mir von der Arbeit nach Hause kommen und dann auf mich warten. Vielleicht würde ich ihr Blumen mitbringen oder sowas. Wie ich heute gesagt habe, würde sie aus dem Wohnzimmer kommen, vermutlich mit ihrem Handy in der Hand auf dem Musik läuft. Sie ist einfach süchtig nach Musik. Sie würde sich auf Zehenspitzen stellen und wir würden uns küssen. Sicherlich würde ich sie mal wieder gefühlte Ewigkeiten anstarren, weil ihre Augen mich jedes Mal aufs Neue verzaubern. Wir würden zusammen essen und uns dann einen Film ansehen oder Marco, Scar und Marie besuchen. Möglicherweise, würden wir miteinander schlafen. Aus dem einfachen Grund, das wir uns so sehr lieben. Und vielleicht wäre heute der Tag an dem Selena endlich schwanger werden würde.

Aber nein. Das alles passiert nicht. Ich sitze hier und sehe diesen Film vor meinen Augen ablaufen, während meine Frau darum kämpfen muss nicht für immer gelähmt zu sein. Es ist nur unser Alltag, den man nicht schätzt. Aber gerade wäre ich überglücklich so einen einfachen Abend mit ihr verbringen zu können.

Plötzlich spüre ich eine Hand auf meiner Schulter. "Sie sind bald fertig. Du solltest rein kommen." sagt Marco leise. Ich nicke und stehe auf. Auch wenn mir jeder Muskel schmerzt und ich mich am liebsten nie wieder bewegen würde. "Sie geben mir die Schuld." murmel ich vor mich hin. "Das ist nicht so und das weisst du. Die sind aufgewühlt, das ist doch verständlich. Es ist ihre Tochter, Mario. Und es ist Davids Schwester." Er hat ja Recht.

Wir laufen ein weiteres Mal durch die Gänge und betreten wieder Selenas Zimmer. Mein Herz schlägt mir bis zum Hals. Nicht nur weil ich schreckliche Angst um meine Frau habe. Sondern auch, weil ich Angst vor ihrer Familie habe. Ihre Familie, die jetzt auch meine Familie ist. "Es.. tut mir leid." fängt Robert direkt an, worauf ich ihn verwundert ansehe. "Ich hätte das nicht sagen dürfen. Selena liebt dich. Du bist der beste Schwiegersohn den ich mir vorstellen könnte. Und du machst meine Tochter jeden Tag zur glücklichsten Frau der Welt. Ich darf dir so etwas nicht unterstellen. Gerade jetzt, sollten wir eigentlich zusammen halten." Er wirft einen Blick auf David, der nur mit verschränkten Armen auf dem Stuhl sitzt. "Ist schon okay." meine ich. Robert lächelt mich schwach an und begibt sich wieder zu Alice, die immer noch mit den Tränen kämpft.

"Wo ist Sami?" hake ich nach. "Wir haben sie bei einer Freundin gelassen." informiert mich ihre Mum. Ich nicke nur und lehne mich gegen die Wand. Dieses Warten macht einen Wahnsinnig. Es vergehen weitere zwei Stunden. Keiner spricht ein Wort. Marco tippt hin und wieder etwas in sein Handy oder telefoniert kurz mit Scarlett um sie zu informieren. Ich starre weiterhin auf die Uhr. Es ist schon eine Stunde zu lang. Die meinten es dauert nur länger wenn es Komplikationen gibt. Jetzt ist Selena schon knapp 9 Stunden im OP. Das ist eine verdammt lange Zeit. Draußen ist es bereits stock dunkel. Kein Wunder, es ist auch schon fast Mitternacht.

"Ich halte das nicht aus." entfährt es mir und ich trete auf den Gang um nach irgend einem Arzt zu suchen. "Halten Sie es denn nicht für wichtig uns mal zu informieren?!" frage ich eine Schwester sauer. "Ich hole einen Arzt." meint sie nur. Nicht zu fassen. Mittlerweile taucht Marco hinter mir auf. Ein Arzt, der aber keiner der Beiden von heute Mittag ist, kommt um die Ecke. "Wie kann ich Ihnen hel-" Ich lasse ihn gar nicht aussprechen. "Selena. Sie ist jetzt seit über 9 Stunden im OP. Die meinten es würde nur 8 dauern. Was ist da los?" frage ich ihn. Er klappt das Tablet das er in der Hand hat auf und tippt irgendetwas darauf rum.

"Den ganzen Namen bräuchte ich." sagt er völlig ruhig. "Selena-Emilia Grace." - "Götze." kommt es plötzlich von Marco. Ich sehe ihn schlagartig an. "Götze, Mario. Sie heißt Götze." Ach du scheiße. Stimmt. Fuck, man. Mein Gehirn ist nur noch Matsch. "Also was nun?" fragt der Arzt. "Selena-Emilia Götze." bestätige ich also. Bei der Aussprache dieses Namens fährt es mir eiskalt über den Rücken.

"Es tut mir leid. Die Akte wurde noch nicht aktualisiert. Vermutlich sind die Kollegen noch beschäftigt." Ich fasse es nicht. "Das kann doch nicht wahr sein." fauche ich und stemme meine Arme gegen die nächst beste Wand. Marco bemerkt anscheinend das ich am liebsten etwas kaputt schlagen würde. "Sie schafft das. Du musst an sie glauben. Sie ist jetzt eine Götze. Eine Kämpferin." Er versucht auf mich ein zu reden. Ich würde mir selbst so sehr wünschen das es Wirkung zeigt.

Eine Kämpferin. Das war sie schon immer. Sie ist schon so oft wieder aufgestanden. Auch als sie noch nicht meinen Namen trug. Sie muss es einfach nochmal tun.

Wir gehen wieder ins Zimmer wo uns alle hoffnungsvoll ansehen. Diese muss ich leider mit einem Kopfschütteln zerstören. Alice bricht sofort wieder in Tränen aus. David sieht wieder starr aus dem Fenster. Und mir bleibt nichts übrig, als weiter zu warten.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jun 05, 2020 ⏰

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Veni. Vidi. Vici. (Mario Götze)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt