60. Kapitel

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Nach der schlaflosen Nacht sitze ich mit Marcel in unserer Küche. Während er frühstückt bringe ich lediglich eine Tasse Tee in meinen Magen.

"Ich hätte nicht gedacht, dass du ein so guter Kumpel sein kannst." meine ich anerkennend. "Da siehste mal." lacht er. "Ich hätte noch eine Frage.." fange ich an. "Schieß los." fordert er mich auf. "Ich hab' heute einen Termin bei 'nem Tattoowierer. Würdest du mitkommen?" Erst sieht er mich verwirrt an. Dann allerdings nickt er. "Du hast doch schon 4 Tattoos." meint er lachend.

Er hat ja Recht. Man sollte seinen Körper vielleicht nicht überall bemalen lassen. Aber erstens hat er selbst den kompletten Arm voll und zweitens mache ich das nicht sinnlos, sondern mit Bedeutung.

Bedeutung... ich streiche über meinen Unterarm. Veni. Vidi. Vici. Dieses Tattoo erinnert mich so sehr an Mario. Er hat anfangs immer davon geredet und es einfach auf unsere Beziehung ausgelegt. Sofort kommen mir wieder die Tränen. Ich wische sie schnell weg und mache mich dann fertig.

*3 Tage später*

Von Mario habe ich nichts mehr gehört. Er ist ja auch heute erst wieder von Turin gekommen. Ja, ich hab' mir das Spiel angesehen. Auch wenn man ihn nur kurz sehen konnte, zerriss es mir das Herz. Nicht nur weil ich ihn schrecklich vermisse. Auch weil er ziemlich kaputt aussah.

Seit Marco und Marcel weg sind, bin ich kein einziges Mal ans Tageslicht gekommen. Ich muss furchtbar aussehen, aber das ist mir egal.
Ich schlüpfe nach dem Duschen in meine kurze Jogginhose und ein weißes Top um nach unten zu gehen und mir Wasser zu holen, von dem ich mich die letzten 48 Stunden ernährt habe.

Gerade als ich die wieder nach oben erste Treppenstufe nehmen will, klingelt es an der Haustüre. Genervt reisse ich sie auf.

Diese vertrauten dunkelbraunen Rehaugen sehen mich an. Allerdings leuchten sie nicht, so wie sonst immer. Mein Herz schreit nach ihm, aber mein Verstand stößt ihn weg.

"K-Kann ich reinkommen?" fragt er und knetet nervös seine Finger. Ich trete zur Seite. "Ist niemand zu Hause." gebe ich bescheid und laufe ins Wohnzimmer wo ich mich auf die Couch setze. Mario nimmt direkt neben mir Platz.

Als hätte er ein Alien gesehen starrt er auf meinen linken Oberschenkel, auf dem jetzt ein mehr oder weniger großes Tattoo von wunderschönen Blumen prankt. 'Every Breath.' steht in verschnörkelter, kleiner Schrift daneben.

Wie in Zeitlupe legen sich seine Finger auf meine Haut und streichen darüber. Sofort kribbelt es und eine Gänsehaut breitet sich auf meinem kompletten Körper aus. Trotzdem zucke ich automatisch zusammen, worauf er wieder von mir ablässt.

"Das sieht echt schön aus." sagt er leise. "Ich weiß das du nicht auf Tattoos stehst. Kannst ruhig ehrlich zu mir sein, das warst du doch letztens auch." erwiedere ich, etwas schroffer als zuvor geplant.

"Deswegen bin ich eigentlich hier.." fängt er an. Ich antworte nichts. "Es tut mir leid das ich dich die letzten Wochen so mies behandelt habe." fängt er an. Man kann die Aufregung in seiner Stimme spüren. "Mario ich weiß das dir der Fußball alles bedeutet. Ich hab' dich aber doch damals auch nicht behandelt als wärst du nur meine Ablenkung. Obwohl mir mein Sport sehr wichtig ist und die Aussichten bei mir bei weitem nicht so gut waren, wie sie es bei dir sind." sage ich.

"Das Fußballspielen bedeutet mir viel, ja. Aber nicht alles. Du bist alles für mich." meint er und nimmt meine Hand in seine. Kurze Zeit starre ich nur auf unsere verwebten Finger. Diese Aussage bringt mich doch wieder ganz schön aus der Fassung. Ich glaube ihm das. Ich glaube es ihm von ganzem Herzen.

"Und was ist mit der Nummer im Fitnessstudio? Habe ich dir da auch alles bedeutet, oder war es dir nur mal wieder wichtig zu zeigen, dass ich dir gehöre?" Er blickt nun ebenfalls auf unsere Hände. Er zögert.

"Das ist mir Antwort genug." sage ich unter Tränen und entziehe ihm meine Hand. "Baby, ich liebe dich. Mehr als ich einen Menschen je geliebt habe." beteuert er. "Das weiß ich, verdammt. Ich liebe dich auch. Aber ich kann mit dieser Eifersucht nicht leben, Mario. Soll ich mir jedes Mal wenn ich mit einer männlichen Person rede, Gedanken machen ob du gleich auftauchst und deine Aggressionen auslässt? Und vorallem, will ich nicht das du ständig mit der Angst lebst, ich könnte dich betrügen oder sonst was." - "Ich hab' doch nicht Angst das du sowas machst. Aber das zum Beispiel Marcel davor nicht zurückschrecken würde, ist uns beiden klar." verteidigt er sich. "Ja, aber zu so etwas gehören immer zwei. Ich habe dir oft genug gezeigt, dass ich nie darauf eingehen würde. Anscheinend reicht dir das nicht. Das zeigt irgendwie, dass du doch nicht so viel vertrauen in mich hast, wie du dir gerne wünscht."

"Was soll das jetzt heißen?" fragt mich Mario niedergeschlagen. So zerstört habe ich ihn das letzte Mal gesehen als ich den Kontakt abgebrochen habe. Und mein Herz blutet. Es zieht überall in dieser Gegend und ich kann meine Tränen kaum zurück halten.

Mario's Sicht:

Wie kann sie das einfach so sagen? Es zerbricht mir mein Herz. Aber alleine der Gedanke an Marcel, fickt mein Gehirn. "Was soll das jetzt heißen?" frage ich. So zerbrochen hat sich meine Stimme ewig nicht angehört.

"Ich.. ich weiß es nicht."

Es geht ihr überhaupt nicht darum, dass ich sie die letzte Zeit vernachlässigt habe. Nur meine scheiß Eifersucht, macht schon wieder alles kaputt.

"Bitte geh." sagt sie nach einiger Zeit. "Nein. Selena, bitte!" flehe ich und lege meine Hände um ihr Gesicht. Sie zuckt unter meinen Berührungen zusammen. "Du.. Du tust mir.." noch bevor sie die Worte ausgesprochen hat, lasse ich sie wieder los. Ohne es zu bemerken, habe ich meinen Druck auf ihre Wangenknochen immer mehr verstärkt. Weil ich mich am liebsten an ihr festkrallen würde. Weil ich an ihr hänge. An ihrer Liebe.

Erschrocken über mich selber, erhebe ich mich und laufe aus dem Haus. Die Tage vergehen. Mein Herz... eingefroren. Ich bin nicht fähig auch nur einen Funken Emotionen zu zu lassen. Irgendwann finde ich mich in meiner Wohnung wieder. Mit mehreren, bereits ausgeleerten Bierflaschen auf dem Wohnzimmertisch.

"Hat mein Bruder jetzt ein Alkoholproblem oder was?" reisst mich Fabian aus meiner Traumwelt. Ich erwiedere nichts. "Mario?! Was soll das?" hakt er nun nach. Wesentlich mehr Nackdruck befindet sich in seiner Stimme. "Halt die Klappe." fahre ich ihn an. "Wenn du nicht endlich redest, geh ich persönlich zu Skye." drängt er.

Skye. Diesen Namen zu hören, ist wie wenn einem ein Messer in die Brust gerammt wird. Diese Schmerzen, unerträglich. Schlimmer als jede Verletzung der Welt.

"Du musst dich jetzt zusammen reissen, verdammt. Ich kenn dich so überhaupt nicht. Glaubst du vom Alkohol kommt sie zurück? Auch wenn Pep bestimmt nicht erfreut über dein aktuelles Auftreten ist, musst du jetzt zum Spiel nach Dortmund." giftet er mich an. "Glaubst du ich habe jetzt noch bock auf ein ach so tolles 'comeback'?" - "Ich hab' vollstes Verständnis für dich. Aber du musst auch noch an dich denken. An deine Karierre." - "Meine Karierre macht alles kaputt, verstehst du? Ich will nichts für mich tun." sage ich, mehr verzweifelt als wütend. "Der, der alles kaputt macht bist du, nicht deine Laufbahn als Fußballer. Es ist deine Persönlichkeit die diese verschissene Eifersucht beinhaltet. Und wenn du es nicht für dich tust, dann tu es für sie und zeig ihr das du kämpfen kannst." Mit diesen Worten lässt Fabian mich stehen.

Veni. Vidi. Vici. (Mario Götze)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt