Serbien

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Angst/Trigger (Tut mir leid, aber es macht echt Spaß, das zu schreiben)
Wörter: 823


Die Fesseln schnitten in seine Handgelenke. Er hatte seit Tagen nicht mehr geschlafen und an seine letzte Mahlzeit konnte er sich auch nicht mehr erinnern. Sein Kopf dröhnte, seine Rippen waren definitiv gebrochen und seine Beine hielten bald sein Körpergewicht aus. 

Eigentlich war es einfacher aufzuzählen, was ihm nicht wehtat.

Die Tür öffnete sich und Sherlock zuckte zusammen. Er hasste dieses Geräusch, denn normalerweise bedeutete es die nächste Runde Folter. 

Langsam und unter großen Anstrengungen und Schmerzen hob er den Kopf und sah zwei Männer in sein kleines persönliches Verlies kommen. Einer der beiden setzte sich einfach in die Ecke auf einen Stuhl. Der andere jedoch kam direkt auf ihn zu.

Ohne viel Vorgeplänkel schlug er zu. Direkt auf Sherlocks ohnehin schon gebrochene Rippen. Er schrie auf, als der Schmerz von Neuem wieder durch seinen Körper raste.

Er wusste, was seine Entführer von ihm wollten, doch er würde nichts preisgeben. Das würde seine ganze Mission gefährden und er würde wieder von vorne anfangen können. Das würde nochmal mehrere Jahre bedeuten, in denen er John nicht wieder sehen konnte.

"Du bist aus einem bestimmten Grund hier", zischte der Mann, der ihn täglich folterte auf Serbisch. "Verrat's mir und du kannst schlafen." Er hob eine rostige Eisenstange vom Boden auf. Sherlock kannte diese Stange nur zu gut. "Du erinnerst dich doch noch, was Schlaf ist, oder?"

Die Stange traf hart auf seinen Knöchel, doch die Fesseln, die seine Arme über seinem Kopf an der Decke befestigten, hinderten ihn am Zusammenbrechen. 

"Warum bist du hier?", schrie der Mann und Sherlock hatte Mühe durch seine Schmerzen das Serbische zu verstehen. Doch es machte keinen Unterschied. Er wurde sowieso immer das Gleiche gefragt.

Sag es ihm nicht, sagte eine vertraute Stimme neben ihm. Sherlock stöhnte vor Schmerz, als er erneut aufsah. Er wollte ihn sehen. Und wirklich. Dort in der Ecke stand John. Er hatte die gleiche Kleidung an wie alle hier und er sah älter aus, aber es war definitiv John.

Eine Faust kollidierte mit Sherlocks Gesicht und riss seinen Blick von John. Diesmal schrie er nicht. Er ließ einfach nur die Tränen fallen.

Er wusste, dass John nicht echt war. Er hatte diese Halluzination schon so oft in den vergangenen Wochen gehabt, doch nie war sie echt. John wusste nicht, wo er war. Er wusste ja nicht einmal, dass er überhaupt noch lebte.

Sag es ihm nicht, wiederholte die Halluzination. Komm nach Hause. Ich vermisse dich. 

Am Anfang war er nur gekommen, wenn Sherlock alleine war, wenn sie ihm Zeit gaben, sich ein wenig zu erholen, bevor seine Folter wieder von vorne losging. Doch mittlerweile war er ständig da, beruhigte Sherlock, half ihm, sein Schweigen über den Grund seines Eindringens zu bewahren oder machte sarkastische Bemerkungen über die Situation. 

Doch nichts schmerzte so sehr, wie zu wissen, dass er nicht echt war. Sherlock vermisste John so sehr. Bevor er gefangen genommen worden war, hatte er sich immer wieder aufs Neue Johns Blog durchgelesen oder sich alte Bilder von ihnen angeschaut, doch nun hatte er keine Möglichkeit mehr dazu. Jetzt blieb ihm nur noch diese billige Kopie, die seinem Bewusstsein entsprang.

Komm zurück nach Hause. Ich brauche dich. Ich weiß, dass du dich hier raus holen kannst. Worauf wartest du? Bitte, komm zu mir zurück!

Er hatte vor langer Zeit aufgegeben. Der Gedanke an John hatte es ihm schwer gemacht, doch nach und nach hatte er sich damit abgefunden, dass er hier drin sterben und John nie wieder sehen würde. 

Ich liebe dich.

Es war nicht real. Alles nur Einbildung. Doch was, wenn es eines Tages real sein könnte? Sollte er es versuchen? Es war nicht real, doch es war das erste mal, dass Halluzination-John das gesagt hatte. Es war seine Stimme, die er gehört hatte und es war an ihn gerichtet.

Er musste es versuchen. Er musste die Chance nutzen, auch wenn sie noch so klein war. Er musste es versuchen oder er würde es nie erwidern können. 

Als der Mann erneut die Eisenstange hob und zum Schlag ausholt, murmelte Sherlock in schwachem Serbisch seine Deduktionen. Der Mann hielt inne, zog ihn dann ruckartig an den Haaren hoch und befahl ihm, alles noch einmal zu wiederholen. 

"Was ist los?", fragte der zweite Mann auf dem Stuhl, den Sherlock schon wieder vergessen hatte. Kurze Zeit unterhielten sich die beiden, doch Sherlock achtete nicht auf sie. Sein Blick war fest auf John gerichtet. Seine Augen funkelten und er grinste.

Geht doch. Und jetzt werde ihn los. 

Schnell flüsterte Sherlock den letzten Hinweis und sein Entführer stürmte aus dem Raum.

"Jetzt sind es also nur noch du und ich", sagte der andere Mann auf Serbisch. Seine Stimme kam Sherlock bekannt vor. Er kam auf ihn zu und beugte sich zu ihm runter. "Es ist ein Terrorangriff auf London geplant", flüsterte er auf Englisch in Sherlocks Ohr. "Der Urlaub ist leider vorbei, Bruderherz. England braucht dich." 

Sherlock war noch nie so froh die Stimme seines Bruders zu hören. Er würde nach Hause kommen. Er würde John wiedersehen. Bald würde alles gut werden.

Wir werden uns wiedersehen. Ich liebe dich. 

Johnlock OneShotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt