Angst, für die ich keinen Titel habe

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Shalea14, danke für den Vorschlag. Ich habe es ein wenig abgeändert, aber die Hauptstory bleibt die gleiche.

Wörter: 1238

Er dachte, er würde es länger aushalten. Die Wahrheit war, er hielt es nicht mal zwei Wochen aus. John Watson hielt es keine zwei Wochen ohne Sherlock Holmes aus, ohne sich selbst Vorwürfe zu machen und die Wut an sich selbst auszulassen. 

Es fing mit Drogen an. Er dachte, so konnte er Sherlock wenigstens ein wenig nah sein. Er holte die Drogen bei Sherlocks altem Dealer und spritzte sie sich in dem Haus, von dem er wusste, dass Sherlock es benutzt hatte, wenn er mal wieder ungestört high werden wollte.

Doch es half nicht viel. Nach wenigen Tagen waren die Drogen aufgebraucht und sein Körper schrie nach mehr. Nun verstand er wohl, warum Sherlock nie wirklich clean war. 

Nein! Nicht an Sherlock denken! Die Erinnerungen taten nur weh. Doch konnte John wirklich an etwas anderes denken als Sherlock Holmes? Hatte er jemals etwas anderes im Kopf gehabt seit er ihn kannte? Nein. Und das hatte sich auch nach dessen Tod nicht geändert. Also musste er mit dem Schmerz leben...oder ihn betäuben.

Als er mal wieder in diesem Zustand zwischen high und nicht high war, trugen ihn seine Füße in Richtung Friedhof und kurze Zeit später stand er vor dem Grab, was er nie hatte sehen wollen. Doch in den letzten Wochen hatte er es beinahe jeden Tag sehen müssen. Der schwarze Stein mit Sherlocks Namen drauf schien ihn jedes Mal aufs Neue auszulachen.

"Sherlock, ich kann nicht mehr", schluchzte John und legte eine Hand auf den Grabstein. "Bitte komm' zurück. Ich will nicht mehr." Dicke Tränen liefen über Johns Wangen, wie immer, wenn er hier war und mit Sherlock redete, mit seinem Grab. "Komm' zurück oder ich komme zu dir."

Mehrere Minuten stand er weinend und schluchzend da und wartete auf die Antwort, die nie kommen würde, die niemals kam, bevor er entschlossen auf dem Absatz kehrt machte und in Richtung Barts davon stürmte.

Mycroft saß in seinem Büro und aß seinen Kuchen, als er eine Bewegung auf seinem Bildschirm wahrnahm. Der Bildschirm, der das Bild der Überwachungskamera zeigte, die direkt auf Sherlocks Grab gerichtet war. Als er sah, wer da stand, legte er seinen Kuchen auf Seite und schaltete den Ton an. 

"Komm' zurück oder ich komme zu dir."

Sofort griff Mycroft zum Telefon und wählte. 

"Mycroft, ich habe dir doch gesagt, dass du mich nur im Notfall anrufen sollst", zischte Sherlock am anderen Ende.

"John Watson wird sich das Leben nehmen, wenn du nicht zurück kommst. Ich denke, es wird Zeit, Bruderherz."

"Ich bin auf dem Weg. Schreib mir seine genaue Position."

Zielstrebig stieg John die Stufen des Barts hinauf zum Dach. Es war schon spät, sodass er niemanden antraf. Er stieß die letzte Tür auf und wurde von der kalten Nachtluft empfangen. Hier oben schien alles so friedlich, doch John konnte nur daran denken, dass Sherlock ebenfalls hier oben gestanden hatte, bevor er tot auf dem Gehweg gelegen hatte. Er hatte gleich da vorn auf der Kante gestanden und auf ihn hinunter geblickt. 

John ging auf die Kante zu. Langsam hob er ein Bein und stellte es auf die Erhöhung. Er zog das andere Bein nach bis er ungesichert auf dem äußersten Rand des Daches stand. Genau da, wo Sherlock gestanden hatte.

Ein Handy klingelte und John schaute sich verwirrt um. Hier oben war doch niemand. Wo kam das Klingeln her? Er brauchte ein paar Sekunden, bis er realisierte, dass es sein Hand y war. Er hatte nicht mal gemerkt, dass er es dabei hatte.

Mit zitternden Fingern zog er es aus seiner Jackentaschen und nahm ab. "Hallo?"

"John, ich werde nicht rechtzeitig da sein, aber bitte, bitte tu es nicht." Es war Sherlocks Stimme. Aber das konnte nicht sein. Johns Gehirn spielte ihm Streiche, um ihn am Leben zu erhalten.

"Wer ist da?", fragte er wütend. Er würde nicht darauf reinfallen. Sherlock war tot, egal wie sehr John sich wünschte, er wäre es nicht. 

"John, ich bin nicht tot. Bitte, du musst mir glauben. Ich bin auf dem Weg zu dir, aber ich bin noch eine halbe Stunde entfernt. Bitte spring nicht." John hörte die Verzweiflung in der Stimme, die Sherlocks so ähnlich klang. Beinahe hätte er nachgegeben und wirklich geglaubt, dass Sherlock Holmes mit ihm sprach, doch er konnte einfach nicht daran glauben. Wenn er es tat, hieß es, dass er sich selbst Hoffnung machte. Und Hoffnung brachte eine um. Das hatte er zwar sowieso vor, doch er musste es ja nicht schwerer machen, als es ohnehin schon war.

"Warum sollte ich Ihnen glauben, dass Sie Sherlock sind? Sherlock Holmes ist tot!" 

"John-" John legte auf und schmiss sein Handy hinter sich. Sein Entschluss stand fest und niemand würde ihn daran hindern können. Er hob ein Bein und ließ es über den Abgrund vor ihm baumeln. Wenn er es jetzt runtersetzten würde... eine Hand packte ihn am Handgelenk und zog ihn zurück.

"Sie werden nicht springen, Doctor Watson", sagte Mycroft und zog John weiter vom Rand des Daches weg. 

"Ach nein? Und wieso kümmert Sie es, ob ich springe oder nicht? Ich war für Sie doch nur interessant, um Informationen über Sherlock zu beschaffen. Also brauchen Sie mich ja wohl nicht mehr."

"Sie wissen, dass das nicht wahr ist. Und wenn es so wäre, wären Sie immer noch von Interesse für mich, da mein kleiner Bruder sehr wohl noch unter uns weilt. Der Anruf war nicht gefälscht. Sie haben wirklich mit Sherlock gesprochen."

"Nicht", flehte John. "Hören Sie auf, mir Hoffnung zu machen, die hinterher eh wieder zerplatzt."

Mycroft seufzte. "Ich kann verstehen, warum Sherlock Sie so mag. Sie sind wirklich stur. Aber ich bin noch dickköpfiger. Sie kommen jetzt mit mir nach unten und warten, bis mein Bruder hier auftaucht und das ganze endlich ein Ende hat. Haben wir uns verstanden?"

"Gut", sagte John zwischen zusammen gebissenen Zähnen. "Aber wenn er in einer halben Stunde nicht hier ist, wie er es gesagt hat, hält mich nichts davon ab, von diesem Dach zu springen."

Zwanzig Minuten vergingen, ohne dass einer etwas sagte.

"Wie sehr mögen Sie meinen Bruder, Doctor Watson?", fragte Mycroft plötzlich. 

John schaute ihn ungläubig an. "Ich war gerade kurz davor von einem Dach zu springen, weil ich nicht über seinen Tod hinwegkomme. Ist es nicht ziemlich offensichtlich, dass ich ihn liebe?" 

"Tun Sie mir einen Gefallen? Sagen Sie ihm das endlich, wenn er hier ist."

In dem Moment bog ein Taxi um die Ecke und kam vor ihnen zum Stehen. Die hintere Tür öffnete sich und Sherlock stieg aus. John konnte es nicht glauben. Sherlock lebte! Er wusste nicht, wie das möglich war, doch es war ihm ehrlich gesagt auch egal.

 Ohne, dass er es bemerkte war er auf Sherlock zugelaufen und hatte seine Arme um ihn geschlungen. "Du lebst", schluchzte er in seinen Mantel, als Sherlock die Umarmung fest erwiderte. 

"Es tut mir leid, John", wisperte Sherlock und vergrub sein Gesicht in Johns Haaren. 

"Ich- ich dachte, du wärst- wärst-" 

"Schhhhh", machte Sherlock und strich über Johns Rücken. "Ich könnte diese Welt nicht verlassen. Nicht ohne dir gesagt zu haben, dass ich dich liebe."

"Gott, Sherlock! Du bist so ein Idiot!", rief John, löste sich von Sherlock und brachte ihre Lippen mit voller Wucht zusammen. "Ich liebe dich auch", gluckste er. "Aber braucht es wirklich sowas, damit du mir das sagst?"

"Du warst der, der immer behauptet hat, er sei nicht schwul", lachte Sherlock.

"Ja, und du warst angeblich mit deiner Arbeit verheiratet." Das ließ Sherlock ein wenig schuldbewusst dreinschauen. John lachte. "Besser spät als nie, oder?"

Sherlock strahlte und nickte, bevor John ihn erneut küsste, alles Drama vergessen und einfach glücklich, dass Sherlock nicht tot war. 

Johnlock OneShotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt