Du hast es auch gespürt, oder?

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Wir saßen eine Stunde in meinem Wohnzimmer, ohne auch nur ein Wort zu reden.
Keiner wusste, wie er anfangen sollte.

„Ich hätte für dich da sein sollen", platzte es aus mir heraus, als ich die Stille nicht mehr aushielt.
„Streit hin oder her, ich hätte einfach-„
Louis unterbrach mich mit einer Handbewegung. Er wusste sofort was ich meinte und schüttelte den Kopf.
„Lass uns bitte nicht darüber reden" bat er und noch immer konnte ich den tiefen Schmerz in seinem Gesicht sehen.
Mir war der Tod von seiner Mutter sehr nahe gegangen. Uns hatte immer etwas verbunden. Es gab Zeiten, da hatte sie mich als ihren Sohn angesehen. Dennoch kam ich der Bitte von Louis nach und schwieg.

Eine weitere Stunde verging.

Drei Mal hatten wir nun schon erwähnt, dass wir es klären sollten.
Vier Bier waren in der Zwischenzeit für jeden dabei heraus gekommen und noch immer hatten wir nicht ein Wort miteinander gesprochen.
Das wurde mir hier langsam zu bunt. Ich konnte nicht die ganze Nacht hier sitzen, immerhin hatte ich morgen früh einen Termin.

Ich räusperte mich, setzte mich etwas aufrechter hin und sah zu Louis, der sich an der Bierflasche festklammerte, als wäre sie sein Rettungsanker.

„Beginnen wir bei dem Streit von damals."
Louis zuckte zusammen, straffte seine Schultern und sah mich an.
Diese Augen - Gott hatten die mir gefehlt. Wie gerne ich ihn jetzt einfach in meine Arme schließen würde.

Ich suchte in meinem Kopf nach den richtigen Worten. Versuchte das von damals erneut zu verstehen, aber es kam nichts aus meinem Mund. Auch Louis schien nicht richtig zu wissen, was er sagen sollte.
Nach einem weiteren Bier, begann er zu lachen und als ich ihn überrascht anschaute, rückte er zu mir.
„Wir sind immer noch hoffnungslose Idioten, oder? Wie wäre es damit. Wir vergessen den Streit von damals, einigen uns darauf, dass er nichts mehr mit der Zukunft zu tun hat und regeln das professionell?".
Die Idee gefiel mir.
Ich hatte auch wenig Lust alles wieder aufzuwühlen.
Die Sache wäre noch immer ungeklärt, vielleicht für immer, aber ich konnte damit Leben. Vorerst.
Also nickte ich und ein breites Grinsen schlich sich auf die Lippen von Louis.

„Okay...ähm..." verlegen kratzte sich Louis am Kopf. „Kann...kann ich dich umarmen?".
Mein Herz stolperte einmal und zögerlich nickte ich.
Ich breitete meine Arme aus und Louis drückte sich an mich, umschloss meinen Oberkörper mit seinen Armen und drückte sein Gesicht in meine Halsbeuge.

Tausende Schmetterlinge machten eine Party in meinem Bauch, warmes Blut rauschte durch meine Adern und als ich dann sein Aftershave roch, welches er noch immer trug, war ich mich sicher. Nichts hatte sich geändert.
„Fuck!". Ein bisschen zu forsch stieß ich Louis von mir. Verwundert sah er mich an, als ich vom Sofa sprang.
Mit ihm reden war das eine, Körperliche Nähe das komplett andere.
Es hatte mir so sehr gefehlt.

„Harry, was - habe ich etwas falsch gemacht?". Auch Louis war aufgestanden und kam unsicher auf mich zu.
„Das...das ist einfach zu heftig" nuschelte ich und sah auf meine nackten Füße.
Ich holte einmal tief Luft und sah ihm direkt in die Augen.
„Wir können miteinander reden, vielleicht auch lachen, aber Louis...Körperlich schaffe ich das nicht. Ich...es hat sich nichts geändert".
Louis nickte.
„Du hast es auch gespürt, oder?"
Auch?
Louis schien meinen Blick zu bemerken, kam einen weiteren Schritt auf mich zu und nahm meine Hand. Es fühlte sich an wie kleine Stromschläge, die sich direkt den Weg zu meinem Herzen suchten.
Ich wusste warum ich dieses Come back nicht wollte. Mein Herz war noch nicht bereit wieder gebrochen zu werden.

„Vielleicht sollten wir doch über damals sprechen" hörte ich Louis sagen, als er mich zum Sofa zog.

Ein Herzschlag entferntWo Geschichten leben. Entdecke jetzt