Kapitel 17

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Ich stand immer noch völlig fassungslos in dem leeren Geographie-Raum und starrte vor mich hin.

Irgendwann hatte ich mich soweit wieder gefangen, dass ich zu Sophie und Val zurückging.

Sophie hatte Val mittlerweile über meinen Erinnerungsverlust und was in Folge dessen passiert war in Stand gesetzt.

Die beiden sahen mich fragend an.

„Er hat mich zugedeckt und ich hab gesagt, er soll bei mir bleiben, weil es zu kalt ist.", stammelte ich nur.

„Das ist doch gut!", sagte Val und lächelte aufmunternd. „Er hat doch ein bisschen Anstand!"

Ich nickte nur benommen. Dann ließen die beiden das Thema fallen, nahmen mich in ihre Mitte und gemeinsam gingen wir zu unserem nächsten Kurs.

Den Rest des Tages erlebte ich nicht mehr so wirklich. Im Unterricht passte ich kein bisschen auf, weil ich viel zu sehr mit mir selbst beschäftigt war und zuhause legte ich mich in den Garten und las. Leider half das kein bisschen, meine Gedanken von Alec loszureißen. So ein Mist.

Erst als es anfing zu dämmern, ging ich ins Haus zurück.

Ich aß mit Dad zu Abend und verschwand dann in mein Zimmer. Ich legte mich ins Bett und schlief sofort ein. Mathe hatte ich nicht gelernt.

Die nächsten Tage waren eine absolute Katastrophe. Ich torkelte wie ein Zombie durch die Schule, immer darauf bedacht, Alec nicht zu begegnen. Das ließ sich aber leider nicht immer vermeiden. Und jedes Mal, wenn ich ihm auf dem Flur entgegen kam, sah er mich mit diesem Blick an, der mein Herz zusammenzucken ließ. Seine grünen Augen wirkten fast grau, und lachen sah ich ihn die ganze Woche nicht.

Ich wusste, dass es meine Schuld war. Er hatte absolut recht. Ich hätte nicht abhauen, falsche Schlüsse ziehen und ihn dann ignorieren, sondern mit ihm reden und die Dinge klarstellen sollen. Andererseits passte es mir überhaupt nicht, dass ich mich deswegen schuldig fühlte! Ich hatte ja nicht falsch gemacht. Trotzdem nagte weiter mein Gewissen an mir.

In dem von Rumpelstilzchen bereits angekündigten Mathe-Test hatte ich, wie zu erwarten, überhaupt keine Ahnung. Ich schrieb zwei der sechs Aufgaben von Val ab, bei dem Rest kritzelte irgendwelche Rechnungen zusammen und hoffte, wenigstens ein paar Punkte darauf zu bekommen.

Am Freitag bekamen wir den Test zurück. Ich hatte gerade noch ein D-.

Val neben mir, glücklich über ihr A, versuchte mich aufzumuntern: „Ach, komm, der eine Test! Ist doch egal."

Aber es war nicht egal. Der Test brachte mich zum Nachzudenken. Ich sollte mich langsam mal zusammenreißen. Die Sache mit Alec war gelaufen und ich konnte nichts mehr daran ändern. Ich hatte absolut keinen Bock, mich die nächsten zehn Monate schuldig zu fühlen und in der Schule total zu verkacken. Also beschloss ich, dass es mir egal war, was auf der Party passiert war und ignorierte mein schlechtes Gewissen.

Ich grinste Val an und sagte: „Du hast recht. Das nächste Mal lern ich eben besser."

Sie nickte.

Den Rest des Tages war ich ungewöhnlich gut drauf, kaufte mir nach Schulschluss noch ein Snickers und fuhr nach Hause.

Als ich in unsere Einfahrt bog, sah ich Dads Auto schon dort stehen.

Verwirrt ging ich ins Haus und brüllte ein: „DAAAAAD?"

„Ich bin in der Küche!", hörte ich ihn rufen.

Ich ging durch den Flur in die Küche und sah ihn dort mit Töpfen und Pfannen herumhantieren. Er kochte. Und es duftete unglaublich lecker.

„Was ist denn hier los?", fragte ich und musterte das bunte Durcheinander auf der Arbeitsplatte.

„Ich koche!", sagte er fröhlich und warf mir eine Nudel zu, die er gerade aus dem Topf gefischt hatte. Ich fing sie auf und probierte.

„Die sind fertig, ich schütt sie ab.", sagte ich dann.

Als wir am Tisch saßen, wollte ich wissen, wieso er denn so früh zuhause war.

„Weißt du, ich hatte irgendwie ein schlechtes Gewissen, weil ich die letzten Monate doch immer so viel gearbeitet hab und du immer allein warst. Und da dachte ich, ich mach heute mal früher Schluss und koche uns etwas.", erklärte er mir.

Ich lächelte. Er war wirklich der beste Dad, den man sich vorstellen konnte.

„Und wie war's in der Schule?", fragte er.

„Naja, nicht so gut, wir haben einen Mathe-Test rausbekommen und ich hab nur ein D.", sagte ich kleinlaut. Das Minus ließ ich wohlweißlich weg.

„Oh jee, da musst du das nächste Mal eben besser lernen, mein Schatz. Wie wär's, wenn ich Michael mal anrufe und ihn frage ob Tyler mit dir lernt?", sagte er.

Michael war ein alter College-Freund meines Vaters und sein Sohn Tyler ging in meine Jahrgangsstufe. Wir waren zusammen aufgewachsen und ich betrachtete ihn als eine Art Sandkastenfreund. In den letzten beiden Jahren hatten wir uns aber irgendwie aus den Augen verloren und nur noch bei irgendwelchen Grillfeiern gesehen. Trotzdem fand ich die Idee gut.

„Ja, das wäre vielleicht eine gute Idee.", sagte ich, froh, dass Dad nicht sauer war wegen dem verkackten Test.

Wir spülten gemeinsam ab und Dad setzte sich in den Garten.

Ich verschwand nach oben und begann mit meinem Französisch-Aufsatz. So vertrödelte ich den Rest des Tages, telefonierte noch mit Val, die wissen wollte, wie es mir ging. Ich erklärte ihr meinen Beschluss, dass mir die Sache mit Alec egal war.

Abends sah ich mit Dad fern und schleppte mich dann, nachdem ich halb auf der Couch eingeschlafen war, in mein Zimmer und fiel sofort in einen tiefen, traumlosen Schlaf.

Bad boys do it better?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt