Kapitel 19

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Ich trat ein und sah ihn am Schreibtisch sitzen. Er hatte mir den Rücken zugewandt.

Sein Zimmer hatte sich verändert in den letzten beiden Jahren. Es war jetzt in schlichten Grautönen gehalten und in einer Ecke stand eine E-Gitarre.

„Setz dich ruhig.", sagte Tyler, der sich inzwischen zu mir umgedreht und mich dabei beobachtet hatte, sein Zimmer zu begutachten. Er sah gut aus. Alles kindliche, das ich von vor zwei Jahren kannte, war aus seinem Gesicht gewichen.

„Eine andere Wandfarbe als früher.", bemerkte ich.

„Du warst einfach lange nicht mehr hier."

Ich nickte.

In dem Moment sah ich ein uraltes Bild von uns beiden in einem Regal stehen.

Ich musste lachen. Tyler sah mich verwirrt an. Ich deutete auf das Foto, das uns beide vor vielen Jahren Grimassen-ziehend in Badesachen am See zeigte. Er grinste.

„Ich hab's aufgehoben, weil ich's lustig fand.", erklärte er.

Es war wie früher. Er lachte, ich lachte.

„Also, was genau verstehst du denn nicht in Mathe?", wollte er dann wissen.

„Ähm..naja frag lieber, was ich verstanden hab."

Er sah mich erst entgeistert an, dann fing er an zu lachen.

„Lachst du mich etwa aus?", fragte ich und boxte ihn freundschaftlich gegen den Arm.

„Nein, würd ich nie tun."

Ich streckte ihm die Zunge raus und setzte mich auf den Boden. Er gab mir sein Mathe-Buch und ich blätterte darin, um des Kapitel zu finden, das wir gerade lernten.

Ich tippte mit dem Finger darauf.

„Da."

Er nahm das Buch und las. Dann sagte er: „So schwer ist das gar nicht, wenn mans mal kapiert hat."

Ja, er hatte gut reden, er war ein Genie.

Also fing er an zu erklären. Mit Händen und Füßen. Und langsam begann ich zu verstehen. Es war genau wie früher, nichts erinnerte daran, dass wir uns zwei Jahre lang kaum gesehen hatten. Aber er hatte mich damals im Krankenhaus besucht. Und das jähr davor war er auf Moms Beerdigung gewesen. Es war schön, meinen besten Freund zurückzuhaben.

Tyler erklärte zwei geschlagene Stunden und verlor auch nach dem hundersten „Hä?" von mir nicht die Geduld. Danach war ich völlig am Ende.

„Mann, ich hab das Gefühl mein Gehirn platzt gleich.", sagte ich und rieb mir die Schläfen.

Tyler grinste und bot mir etwas zu trinken an. Ich wollte gerade etwas sagen, als mein Handy klingelte.

Dad ruft an, las ich auf dem Display.

„Hey Dad, was gibt's?", fragte ich fröhlich ins Telefon.

„Ich wollte nur fragen, wann du wiederkommst.", sagte er.

„Ich werd jetzt gleich losfahren, ich muss eh noch Hausaufgaben machen und Val wollte noch kurz vorbeischauen."

„Okay, dann bis später.", sagte er nur und legte auf.

Ich trank noch eine Cola mit Tyler, bedankte mich und verabschiedete mich dann von ihm und Amy.

Als ich gerade gehen wollte, sagte Tyler grinsend: „Und lass nicht wieder zwei Jahre vergehen bevor du wiederkommst, okay?"

Ich grinste zurück und antwortete: „Das wird nicht passieren, ich wird sicherlich noch öfter deine Hilfe brauchen."

Ich winkte noch einmal, setzte mich ins Auto und fuhr nach Hause.

„Dad, ich bin wieder da!", rief ich ins Haus, warf meine Schuhe in eine Ecke und lief zu Dad hinaus in den Garten.

Er saß mit einer Sonnenbrille und einem Buch in der Hand in seinem Liegestuhl.

„Schön!", sagte er. „Wollen wir heute Abend zusammen kochen?"

Ich setzte mich ans Fußende der Liege.

„Ouh, ja gerne."

Ich liebte es mit ihm zu kochen. Egal was er zusammen mischte, am Ende schmeckte es immer absolut fantastisch.

„Was hättest du denn gerne, Leah?"

„Ach, ist mir eigentlich egal, ich mag alles.", sagte ich fröhlich, gab ihm ein Küsschen, erhob mich und ging wieder ins Haus. Ich hatte gute Laune.

Ich holte mir ein Wasser aus dem Kühlschrank und ging in mein Zimmer. Ich hoffte, dass ich die Mathe-Hausaufgaben schaffen würde, ohne am Ende völlig verzweifelt Tyler anrufen und um Hilfe bitten zu müssen. Wäre das peinlich. Wieso war ich eigentlich nicht mit einem so guten Hirn ausgestattet?! Wahrscheinlich war meins einfach viel zu vollgestopft mit Songtexten und unnützem Müll.

Frustriert schüttelte ich den Kopf und betrat mein Zimmer.

Als ich hineinging, sprang mir sofort etwas ins Auge.

Auf meinem Bett lag eine schwarze, flache Schachtel, etwa so groß wie mein Kopfkissen.

Was war das? Es konnte nur von Dad sein. Aber wofür? Ich hatte doch erst in drei Monaten Geburtstag?

Ich stellte mein Glas auf dem Schreibtisch ab und stand dann ratlos vor meinem Bett. Misstrauisch begutachtete ich den schwarzen Karton.

Dann hob ich vorsichtig den Deckel der Schachtel hoch.

Und schnappte nach Luft.

Bad boys do it better?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt