Kapitel 55

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Da gab es diesen Kerl. Er war in unserer Stufe und ging mit mir in den gleichen Biologie-Kurs. Er...war dir irgendwie ähnlich. Die Art, zu reden und sich zu bewegen. Und er war fast so groß wie du."

Ich stockte kurz und schluckte. Alec sagte gar nichts, er hörte einfach nur zu und strich mir sanft über den Arm.

"Die Jungs kannten sich alle untereinander vom Football und so kam er in unsere Clique. Irgendwie kamen wir zusammen, ich weiß selbst nicht mehr so genau wie. Er war eigentlich der totale Aufreißer, aber ich hatte das Gefühl, bei mir wäre er anders. Ich war glücklich, wenn ich bei ihm war. Er lenkte mich von der Tatsache ab, dass meine Mom gestorben war und mein Dad sich wie ein Verrückter in seine Arbeit stürzte. Jedenfalls wollte er nach ein paar Wochen mit mir schlafen, aber ich sagte ihm, dass ich noch nicht so weit wäre. Er wirkte irgendwie sauer, und ich dachte schon es wäre Schluss, weil er sich danach eine Woche nicht bei mir gemeldet hat. Aber dann hat er sich entschuldigt, mich zum Essen eingeladen und danach waren wir bei ihm zuhause. Seine Eltern waren das Wochenende über weg und wir hatten das Haus für uns. Wir haben ein bisschen rumgemacht und dann..."

Ich stockte wieder. Ich sah, dass Alecs Faust geballt war und seine Fingerknöchel weiß hervortraten.

"...hat er wieder gefragt, ob ich mit ihm schlafe. Ich...keine Ahnung, was ich dachte, aber ich wollte nicht, dass er schon wieder sauer ist und so hab ich ja gesagt. Es war kurz, und obwohl ich dachte, dass ich ihn liebe, fand ich es schrecklich. Danach lagen wir nebeneinander und haben kein Wort gesagt. Irgendwann müssen wir wohl eingeschlafen sein. Als ich aufwachte, konnte ich nichts sehen. Ich musste husten und bekam keine Luft. Meine Augen brannten und es war höllisch heiss. Ich bekam Panik und wollte ihn wecken, aber das Bett neben mir war leer."

Ich holte noch einmal tief Luft.

"Ich bin aufgestanden, hab mir eine Jacke übergeworfen und bin aus dem Zimmer gerannt. Ich konnte nichts sehen, bis ich an der Treppe war, aber dann hab ich die Flammen gesehen. Ich hab nach ihm geschrien und hab alle Türen geöffnet, um zu sehen, ob er in irgendeinem Raum im Obergeschoss war. Das ganze Erdgeschoss brannte schon. Ich bin dann die Treppe mehr runtergefallen als gelaufen und durch das Esszimmer gerannt. Das Feuer...die flammen waren überall. Als ich im Wohnzimmer war, hab ich wieder nach ihm gerufen. Ich bekam fast keine Luft, und hab mir bei dem Sturz die Treppe runter ein paar Rippen und das Schlüsselbein gebrochen, also bin ich auf dem Boden weiter in die Küche, um zu sehen,ob er dort ist. Als ich zurück ins Wohnzimmer gekrochen bin, weiß ich nur noch, dass etwas brennendes auf mich drauf fiel."

Ich merkte, wie mir wieder eine Träne aus dem Augenwinkel lief.

"Einer der Feuerwehrmänner hat mich halb tot aus dem Haus gezogen. Sie haben mich ins Krankenhaus gebracht, wegen dem ganzen Rauch, den ich eingeatmet habe und wegen dem Zeug, das auf mich gefallen ist. Später haben sie mir gesagt, dass es eine Polyester-Gardine und die Gardinenstange war, die bei dem Feuer halb geschmolzen ist und sich durch die Jacke in meine Haut gebrannt hat. Die Ursache für das Feuer war anscheinend irgendein kabelbrand. Ich war kaum bei Bewusstsein, aber ich hab nur nach ihm gefragt. Wo er ist. Sie sagten mir, dass er nicht im Haus war. Ich lag dann im Krankenhaus. Die Polizei erzählte mir, sie hätten ihn irgendwo aufgegriffen, als er abhauen wollte. Er sagte der Polizei dann, dass er aufgewacht sei, als das Haus brannte und dann einfach rausgelaufen ist. Er ist aufgestanden und einfach gegangen, während ich geschlafen habe, verstehst du? Die Nachbarn haben die Feuerwehr gerufen, nicht er. Und ich bin fast draufgegangen, als ich nach ihm gesucht habe in dem brennenden Haus.", endete ich und atmete tief aus. Ich hatte seit einem Jahr nicht mehr darüber geredet, und jetzt brach alles aus mir heraus.

Ich sah Alec an. Sein Gesicht zeigte keine Regung, aber seine Augen waren dunkel vor Zorn.

"Wo ist er jetzt?", fragte Alec gepresst.

"Er war im Jugendknast und danach ist er nach Florida gezogen, soweit ich weiß.", sagte ich.

Alec nickte. Dann legte er seinen Arm um mich und sagte: "Danke, dass du mit mir darüber geredet hast."

Ich merkte, wie mir wieder die tränen in die Augen stiegen und wischte sie hastig weg. Verdammt, ich wollte nicht weinen. Ich wusste, dass ich stark war. Meine Mom war tot und ich wäre letzten Sommer auch beinahe draufgegangen. Wütend wischte ich nochmal über mein Gesicht.

"Wolltest du deswegen am Anfang nichts mit mir zu tun haben? Weil ich ihm ähnlich war?", fragte er und zog mich fester zu sich.

Ich dachte kurz nach. Ja, vermutlich war es genau so gewesen. Meine Genervtheit von allem was Alec sagte, und dieses ständige ihn entweder umhauen- oder wegrennen-wollen.

"Ich glaube, vieles an dir hat mich einfach an ihn erinnert. Deine Sprüche, dein lachen, das Spanisch-Gequatsche, wie du dich bewegst, alles einfach."

"Verstehe.", murmelte er.

Danach schwiegen wir beide.

Irgendwann fing er an zu summen. Es war eine kleine, sanfte Melodie, die mich sofort müde werden ließ. Er hielt mich in seinem Arm und ich lag einfach da und atmete seinen Geruch ein. Und wollte einfach für immer so liegen bleiben. In seinen Armen.

Als ich das letzte mal auf die Uhr schaute, war es halb eins. Dann fielen mir die Augen zu.

Bad boys do it better?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt