Kapitel 65

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"Dein Vater... was?!", stotterte ich. Über Alecs Vater wusste ich nur, dass er sich vor 10 Jahren von einem auf den anderen Tag aus dem Staub gemacht hat und sich seitdem nicht einmal bei ihm oder seinem großen Bruder Sam gemeldet hatte. Dass ihn das Auftauchen seines Dads so aus der Bahn warf, war ihm nicht zu verdenken. Er nahm mir die Falsche aus der Hand und trank einige Schlucke bevor er antwortete: „Er...er stand vor ein paar Tagen plötzlich vor der Tür und hat irgendwas gelabert von wegen, dass er mich und Sam wieder kennenlernen will, und dass es ihm leid tut. Ich hab erst mal nichts gesagt, aber dann hab ich ihn angebrüllt, er soll sich aus meinem Leben verpissen und die Tür zugeknallt."
Er nahm mir die Flasche wieder aus der Hand und trank einen Schluck. "Und ich hab nicht mit Virginia geschlafen. Sie kam mitten in der Nacht, war total am heulen, meinte nur, dass sie mich vermisst und mit mir zusammen sein will. Sie war total am Ende und ich hab sie dann nach Hause gefahren."

Ich war sprachlos. Ich konnte nicht einmal erahnen, wie es ihm wohl gehen mochte. Gleichzeitig fiel mir auch ein tonnenschwerer stein vom herzen. Er hatte nichts mit Virginia gehabt.

Ich hatte keine Ahnung, was ich sagen sollte, also rückte ich nur näher an ihn heran und legte meine Hand auf seine. Er schnaubte nur noch einmal.

„Ich hab's verkackt. Du verachtest mich, und als ob das nicht schon genug wäre, tanzt nach 10 Jahren mein Erzeuger hier an und macht einen auf Familien-Wiedervereinigung.", sagte er und ballte die Hand, die ich hielt, zur Faust.

„Alec, ich verachte dich nicht, es ist nur...", begann ich, doch in diesem Moment drehte er durch, sprang auf und rief: „Es ist mir egal, hörst du?! Ich weiß, dass ich's kaputt gemacht hab und ich will nicht hören wieso! Mein Leben ist ein einziges Chaos seit du weg bist!"

Er fuchtelte mit den Händen in der Luft herum, seine Kaumuskeln waren zum Zerreißen gespannt und aus seinen Augen stach das Eis. Direkt in mein Herz.

Ich sprang ebenfalls auf und baute mich vor ihm auf, auch wenn das ziemlich jämmerlich war, immerhin überragte er mich um einen ganzen Kopf. Bevor ich ansetzten konnte zu widersprechen, schrie er weiter: „Und mein Vater, dieser Dreckskerl! Wenn meine Mom erfährt, dass er hier war, sie...sie wird..."

„Du hast es ihr nicht gesagt?!", platzte ich dazwischen. Er ging nicht auf meine Frage ein.

„Was denkt sich dieser scheiß Arsch denn eigentlich?! Wir kamen gut ohne ihn klar! Wieso?! Wieso verdammt?"

Ich stand vor ihm und zum ersten Mal hatte ich Angst. Er war so wütend, wie ich ihn noch nie erlebt hatte, dass ich Angst hatte, er würde irgendeine Dummheit begehen.

„Wieso?", wiederholte er. Er fuhr sich verzweifelt durch die Haare, er war kurz davor die Fassung zu verlieren.

Ich wollte etwas sagen, doch in diesem Moment holte er aus und warf die Flasche, die er immer noch in der Hand gehalten hatte, an mir vorbei gegen die Wand hinter mir. Sie zerschellte mit einem klirrenden Geräusch. Die Flasche lag in Splittern auf dem Fußboden und der Whiskey bildete eine dunkle Pfütze um die Scherben herum.

Mit dem Klang der zerberstenden Flasche erwachte ich aus meiner Schreckstarre. Ich packte Alecs Handgelenk und hielt es fest.

„Hey!", brüllte ich. „Komm runter, okay? Ich weiß, dass ist eine schwierige Situation für dich, aber du musst trotzdem nicht alles kaputtmachen!"

Er sagte gar nichts und ich ließ vorsichtig seine Hand, die ich immer noch umklammert hielt los. Doch dann sah er mir in die Augen und zischte kalt: „Du weißt gar nichts. Du hast keine Ahnung wie das ist!"

Ich fühlte mich, als hätte er mir ins Gesicht geschlagen. Nur mit diesen Worten. Doch ich riss mich zusammen und antwortete leise, aber bestimmt: „Nein, du hast recht, das habe ich nicht. Meine Mom ist tot. Ich weiß nicht, wie ich an deiner Stelle reagieren würde. Ich will dir nur helfen."

Die Kälte in seinen Augen war verschwunden und er senkte beschämt den Blick.

Bad boys do it better?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt