Kapitel 34

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Alec stand vor mir und blickte auf mich herunter.

In diesem Moment fiel mir ein, dass ich ja eigentlich stinkwütend auf Alec gewesen war.

„Denk ja nicht, dass ich weniger wütend auf dich bin, Fuentes, nur weil du mich hergefahren hast.", sagte ich.

Ich hörte ihn leise lachen und sah auf.

Er hatte wieder sein dreckiges Halb-Grinsen auf dem Gesicht.

„Idiot.", murmelte ich.

Er setzte sich neben mich auf den Boden des Ganges und stupste gegen meinen Ellenbogen.

„Meine Mom sagt immer, wenn ein Mädchen lacht und dich Idiot nennt, dann mag sie dich wirklich.", sagte er dann und lächelte.

„Ich mag dich aber nicht.", antwortete ich.

Er grinste nur noch mehr. „Ach nein?"

„Nein."

Er schwieg und spielte mit dem Saum meines Kleides, das den halben Gang einnahm.

Ich sagte auch nichts, starrte nur die Wand gegenüber an.

Dieser Gang, die Intensiv-Station, der seltsame Krankenhaus-Geruch...All das rief Erinnerungen hoch, an die ich besser nicht dachte. Um zwei Uhr morgens hatten die Polizisten bei uns geklingelt und gesagt, dass Mom einen Unfall gehabt hatte und jetzt im Krankenhaus lag.

Und Dad und ich hatten vor ihrem Zimmer auf dem Gang gesessen. Stundenlang. Während ich wie eine Irre den Gang auf und ab gewandert war, um nicht verrückt zu werden, saß Dad nur auf dem Boden, starrte Löcher in die Luft und trank einen Kaffee nach dem anderen.

Und als sie uns endlich zu ihr ließen, war alles, was wir sahen, eine bleiche Gestalt, die, die Augen geschlossen und an tausend piepende Maschinen angeschlossen, in ihrem Bett lag und nichts mit der Frau gemeinsam hatte, die meine Mutter war. Ihre Haare waren nicht mehr so glänzend wie früher und ihr Gesicht sah völlig verändert aus. Sie war kreidebleich und so ernst. Sie war nicht sie ohne ihr Lachen.

Dad sah sie an und fing an zu weinen. Das war das einzige Mal, dass ich ihn weinen sah. Danach hatte er sich immer unter Kontrolle. Sogar bei ihrer Beerdigung.

Meine Mutter starb am darauffolgenden Tag an ihren schweren inneren Verletzungen.

Und auch, wenn ihr Anblick mir schon fast bewusst gemacht hatte, dass sie tot war, hoffte ein winziger Teil von mir immer noch, dass ein Wunder geschehen und sie wieder gesund werden würde.

Wir verbrachten die gesamte Nacht und den halben Tag auf der Station, wanderten umher wie Zombies und warteten auf irgendeine Veränderung.

Irgendwann kam einer der Ärzte auf uns zu, sein Gesicht war ernst und er sagte: „Es tut mir leid, Mr Fox. Wir konnten nichts mehr für sie tun."

Und das war der Moment, an dem ich zusammenbrach. Ich weinte und konnte mich nicht mehr beruhigen.

Dad war gefasst. Er brachte mich nach Hause und ich verkroch mich in meinem Zimmer.

Die folgende Woche verließ ich mein Zimmer nur, um ins Bad zu gehen.

Dad kam, Sophie und Val kamen, aber ich saß nur in meinem Bett, starrte schweigend die wand an und tat nichts.

Moms Beerdigung war schrecklich.

Natürlich, jeder gab sich Mühe und es waren wirklich viele gekommen. Für mich war es trotzdem die Hölle.

Der Pfarrer redete davon, was für ein wunderbarer Mensch sie gewesen war, und davon, dass sie „so plötzlich aus unserer Mitte gerissen wurde".

Die halbe Kirche heulte.

Selbst Val neben mir weinte.

Ein paar Leute hielten eine Rede.

Als es vorbei war, begleiteten wir den Sarg zum Grab.

Ich weiß noch, dass ich wollte, dass es vorbei war.

Ich war so fertig mit der Welt, ich konnte weder weinen oder schreien oder wütend sein, dass es gerade sie getroffen hatte, ich stand einfach nur neben meinem Vater und fühlte nichts.

Danach kamen gefühlte tausend Leute auf uns zu, sprachen ihr Beileid aus, umarmten uns und weinten. Ich erlebte das alles nicht mehr so wirklich.

Irgendwann kamen Val und Sophie auf mich zu und umarmten mich beide. Dann stellten sie sich neben mich und hielten meine Hände, links und rechts. Und das war das erste Mal, dass ich an diesem Tag einen kleinen Trost fand.

All diese Dinge flackerten in meinem Bewusstsein auf, all diese Erinnerungen, die ich tief in mir vergraben hatte, als ich da auf dem Boden der Station saß und darauf wartete, dass ich Tyler sehen durfte. Ich spürte, wie meine Brust eng wurde und die Tränen in mir hochstiegen.

Ich atmete tief ein und wieder aus, um zu verhindern, wieder loszuheulen zu müssen.

Mir war bewusst, dass Tylers Verletzungen lange nicht so schlimm waren wie die meiner Mom und er auch nicht im Koma lag, und trotzdem machte mich die Situation völlig fertig.

Nochmal atmete ich tief ein.

Plötzlich spürte ich, wie Alec meine Hand nahm.

Ich sah ihn nicht an, ich sagte nur leise: „Es ist genau wie vor zwei Jahren. Ich saß auch hier auf dem Boden als meine Mom starb."

Alec drückte meine Hand und flüsterte: „Es tut mir so leid, Leah."

Ich sah ihn an und lächelte nur schwach.

Er lächelte zurück.

Bad boys do it better?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt