"Okay... Ja, ich verstehe... Wir fahren sofort los..." ertönt es immer wieder abgehackt aus dem Flur, während ich stumm im Wohnzimmer sitze und ohne jegliche Emotionen in mir an die Wand starre.
Vor drei Tagen wurde ich entlassen.
Seit drei Tagen geht es mir schrecklich.
Seit drei Tagen habe ich keine Ahnung, ob der Mann, der ein Jahr lang die einzige Person war, die Glauben in mich steckte, Tot oder am Leben war.
Seit drei Tagen denke ich an nichts anderes, als den Mord an James.
"Zieh dich an, er ist wach. Als er aufwachte, hat er sofort nach dir verlangt. Wir müssen sofort los." erklärt Manu die Situation ruhig, während seine Schritte nach und nach lauter an meine Trommelfelle schallen.
"Er lebt?" frage ich ungläubig, während mein leerer Blick auf meinem großen Bruder liegt, der seinen Autoschlüssel vom Tisch fischt.
"Ja, tut er. Jetzt komm." antwortet er, dreht sich weg und verschwindet aus dem Raum.Vorsichtig erhebe ich mich von der gigantischen Couch, auf die ich mich auch sofort wieder fallen lassen muss.
Trotz meiner normalen Ernährung? Naja, vielleicht hätte ich die 3 Tage nicht einfach nur sitzen und liegen sollen...
Nachdem es meinem Kreislauf wieder etwas besser geht, schaffe ich es doch aufzustehen und mich schlurfend in mein Zimmer zu bewegen, wo ich mich direkt an dem riesigen Kleiderschrank zu schaffen mache.
Nachdem ich mir einen weinroten Adidas-Hoodie und eine lockere, schwarze Jeans angezogen habe, verschwinde ich dann auch sofort im Bad.
Ich sehe eigentlich normal aus... Kaum Augenringe, meine Haut hat sogar wieder etwas Farbe angenommen... Nur ist innerlich alles wieder tot... Wenn ich Evelyn jetzt sehen würde, wüsste ich nicht, ob ich was spüren würde...
"Layla?!" hallt plötzlich Manus kräftige Stimme durch die Wohnung, weshalb ich heftig zusammenfahre und die Haarbürste versehentlich aus meiner Hand fallen lasse.
"Ich komm doch schon..!" brülle ich nur halb so kraftvoll zurück, packe die Bürste wieder weg, um zu Manu zu schlürfen, der wie eine schnippische Ehefrau vor der Tür steht und mich aufmerksam mustert.
Langsam werden seine strengen Gesichtszüge etwas sanfter, während er mir meine Vans vor die Füße kickt, in welche ich kurzerhand rein schlüpfe und dicht hinter ihm die Wohnung verlasse."Wir wollen zu Paul Marinsheftel, er wünscht uns zu sehen." lächelt Manu der Blondine hinterm Tresen zu, welche das Lächeln nur zart erwidert.
"Name?" fragt sie freundlich und zupft an ihrem Shirt herum, dass versehentlich der Ausschnitt förmlich bis zum Bauchnabel rutscht.
"Adams." antwortet er knapp, jetzt liegt jedoch etwas angeekeltes in seiner Stimme.
Tja Mädchen... Sei nicht ganz so aufmüpfig, da stehen Kerle nicht drauf... Ich weiß, wovon ich rede... Ich ticke wie diese Spezies...
"Er ist auf Zimmer 3.07. Schönen Tag noch." grinst sie, schreibt etwas auf einen Zettel, bis sie Manu zwei Zettel zuschiebt.
"Danke, Ihnen auch. Das brauch ich nicht, in Köln gibt's Nutten um jede Ecke." antwortet er freundlich, schiebt den Zettel mit der Nummer drauf wieder zurück, packt mich am Handgelenk und zieht mich zu dem besagten Zimmer.
"Sei doch nicht so gemein..." brumme ich mitleidig und ziehe mein Handgelenk aus seinem Griff.
"Layla...Weißt du, wie viele Kerle jeden Tag bei der drüber fahren, weil die sich so preis gibt? Es war zu ihrem eigenen Schutz." antwortet er ruhig, legt seinen Arm um meine Schulter und zieht mich durch die große Menschenmassen."Ich kann das nicht..." hauche ich, als ich wie angewurzelt vor der Tür stehe.
"Laber nicht, geh da jetzt rein!" schnauzt mich Manu an, bevor er kurz klopft und mich förmlich in den Raum schubst.
Leise schließe ich die Tür wieder hinter mir, dass nur noch die gleichmäßigen Pieptöne im Raum zuhören sind, die dann aber auch von meinem schweren Atem und langsamen Schritten besiedelt werden.
Er lebt...
Stumm sehe ich zu der Person auf dem Bett, die mich mit zu Schlitzen geformten Augen analysiert und beginnt schwach zu lächeln."Doc. Mari..." fange ich an, doch er hustet schwach und schüttelt den Kopf.
"Nenne mich Paul, Layla..." flüstert er mit kratziger Stimme.
"Okay..." hauche ich, laufe zu dem Stuhl neben seinem Bett und sehe den zerbrechlichen Mann an.
"Wenn du gehst, ich habe dir einen Abschiedsbrief geschrieben... Den wollte ich dir eigentlich bei deiner Entlassung geben..." kommt es kraftlos über seine Lippen, daraufhin greift er sich kurz an die Rippen und atmet laut aus.
"Ich nehme ihn mit..." antworte ich und lege meine Hand auf seine, die er sofort leicht mit seinen Fingern fest hält.
"Da..." hustet er und zeigt auf den Briefumschlag, der sich auf dem Nachttisch befinden, nur um seinen Arm wieder aufs Bett fallen zu lassen."Layla..." flüstert er und dreht seinen Kopf zu mir.
Jegliches Leben ist aus seinen Augen gewichen... Sie funkeln, aber nicht so wie damals...
"Ja?" frage ich nach, während mir eine kleine Träne über die Wange kullert.
"Tu mir den Gefallen, bekomm dein Leben in den Griff... Bitte..." haucht er ruhig und drückt meine Hand etwas fester, worauf hin ich nur nicke.
"Natürlich..." antworte ich und umschließe seine Hand zusätzlich mit meiner anderen Hand.
"Meine Tochter... sie beging vor zwei Jahren Suizid..." flüstert er, weshalb ich kurz nach Luft schnappe.
Er hatte eine Tochter? Wieso... Wieso tat sie das bitte?
"Ein Jahr später kamst du in die Klinik... ihr wart zum verwechseln gleich... schon vom ersten Tag an, warst du wie eine Tochter für mich... Die man vor allem bösen der Welt beschützen musste..." fährt er fort, während seine Stimme immer heiser wird.
"Bitte... verabschiede dich nicht..." schluchze ich und übe mehr Druck auf seine Hand aus.
"Bitte, bitte mach weiter... vergiss mich nicht, aber lass dich nicht zurück werfen... Tue James nichts an, du bekommst nur unnötigen Stress..." redet er einfach weiter, was mich zum Aufschluchzen bringt.
"Ich liebe dich auch, wie einen Vater... Du bist der Beste, danke für alles..." schluchze ich, nur um ihm einen kurzen Kuss auf die Wange zu geben.
"Versprich mir, dass du nicht in dein altes Muster fällst." hustet er und sieht mich schwach, trotzdem so intensiv an, dass ich nur kurz nicke.
"Ich verspreche es dir..." flüstere ich mit zitternder Stimme, während ich seine immer kleiner werdenden Augen beim schließen beobachte.
"Ich hab dich lieb, Große..." lächelt er sanft, streicht mir mit letzter Kraft nochmal eine Träne von der Wange, bevor ein durchgehendes Piepen die Maschine verlässt.
Leb wohl...Mit schweren Atemzügen und noch immer seiner Hand in meiner, drücke ich sofort auf den roten Knopf neben seinem Bett.
Stumm laufen mir Tränen über die Wange, während ich meine Hände, die noch immer seine umschließen, gegen meine Stirn halte.
Lass dich nicht zurück werfen...
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Psycho and Cutie-After closed doors
Teen FictionTeil 1: Psycho and Cutie/gxg (abgeschlossen) Teil 2: Psycho and Cutie-After closed doors Den ersten Teil zu lesen, ist empfehlenswert, weil ihr sonst bei Personen, Insidern etc. nicht durchblicken könnt. Nach einem Jahr Aufenthalt in der Psychiatrie...