Kapitel 2: Gegen den Rest der Welt

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Lass dich nicht zurück werfen...

"Wir brauchen Platz!" ruft ein Arzt panisch, während er mich unabsichtlich grob zur Seite schubst, um an den Toten zu gelangen.
"Er ist tot..." hauche ich kraftlos, wodurch mir noch einige Tränen mehr über die Wange laufen.
"Layla, komm." flüstert Manu beruhigend in mein Ohr, bevor er mich unter den Oberarmen packt und mir vorsichtig vom Stuhl aufhilft.
Knapp nicke ich, greife noch schnell nach dem Brief neben mir und sehe zu der leblosen Person auf dem Bett.
"Leb wohl..." schluchze ich nochmal schnell, bevor ich mich von Manu aus dem Krankenhaus ziehen lasse.

"Was machen wir denn jetzt? Scheiße man! Du bekommst doch einen Rückfall verdammt!" brüllt mein Bruder aufgebracht und boxt wütend mit beiden Händen aufs Lenkrad, nur um sich dann überfordert nach hinten in den Sitz fallen zu lassen.
"Nein..." sage ich sofort, um ihn zu beruhigen.
"Ich hab es ihm versprochen..." fahre ich fort und sehe zu Manu, der mich nur mit verwirrter Miene mustert.
"Wie jetzt?" fragt er verwirrt, während seine hellgrünen Augen auf mir haften.
"Er hat sich von mir verabschiedet..." antworte ich, was nicht ohne weitere Tränen geht.
"Du warst der Grund, dass er noch geatmet hat..." haucht er und streicht mir sanft über die Haare.
"Ja..." antworte ich traurig und wende meinen Blick aus dem Fenster.

"Ich werde mit deinen Problemen ins Grab gehen." lächelt mich mein Psychologe an und setzt sich seine Brille wieder auf.
"Man sollte nichts versprechen, was man nicht halten kann..." flüstere ich genervt, während mein Blick auf meinen Flauschschuhen haftet.

Nur weiß ich jetzt, dass er nicht gelogen hat... Er hat sein versprechen gehalten... und das tue ich jetzt auch.
'Ich werde mich gut um ihn kümmern, Kleine.'
Ich weiß doch...

"Er hat sein Versprechen gehalten, ich halte meins..." sage ich entschlossen, nur um daraufhin meinem Bruder mit einem schwachen Lächeln anzusehen.
"Wir schaffen das." lächle ich und lege meine linke Hand auf seine Rechte, da diese auf dem Schaltknüppel liegt.
"Wir gegen den Rest der Welt." antwortet er, startet den Motor und fährt Richtung Flughafen, da wir auch im Flieger hergekommen sind.
Auf sechs Stunden Fahrt hätte ich jetzt echt keinen Bock... Auch wenn Manu ein verdammt geilen BMW beim Verleih hier gemietet hat... Naja, sein eigener ist natürlich um einiges besser.

"Wir gegen den Rest der Welt." grinst Joonie und legt seine Hand auf Manus und meine.
"Wir gegen den Rest der Welt!" rufen Manu und ich begeistert und werfen unsere Hände nach oben.

Wie alt waren wir da? Ich war vielleicht... Neun?
'Du warst acht.'
Klugscheißer...

"Alles klar?" erklingt die tiefe Stimme meines Bruders, weshalb ich nur nicke.
"Alles bestens..." antworte ich ruhig, während mein Blick auf der vorbeiziehenden Landschaft liegt.

"Du musst dich bald von der Luxusbude verabschieden." meint Manu plötzlich, als wir endlich wieder in seine Eigentumswohnung eintreten.
Ein mulmiges Gefühl überkommt mich...
Der Tot sitzt, er sitzt fest... Verdammt tut das weh... nicht wie bei Joonie aber es tut weh...
"Warum?" lenke ich mich selbst von schlechten Gedanken ab und drehe mich zu Manu, der gerade die Tür hinter sich schließt.
"Wir ziehen in ein Luxushaus." scherzt er, während er mir durch die Haare wuschelt und mich verwirrt im Flur zurück lässt.
"Wohin denn?!" frage ich neugierig, als ich meinem Bruder schnell in die Küche folge, wo er sich gerade ein Schluck Wasser in ein Glas kippt.
"Lass dich überraschen." summt er grinsend, als er den Wasserhahn zu dreht.
"Ich hasse Überraschungen..." murre ich beleidigt und verschränke meine Arme vor meiner Brust.
"Ich weiß, desto mehr macht mir dieses Gespräch Spaß." lächelt er liebevoll, läuft geschmeidig an mir vorbei, nur um sich im Wohnzimmer auf der Couch nieder zulassen.

"Sag doch wenigstens wann..." zicke ich rum und schmeiße mich auf ihn, wodurch er nur kehlig lacht.
"Am Freitag müssen wir hier raus sein. Das Haus ist auch schon fertig." lächelt er und haucht mir einen Kuss auf die Stirn.
Schmollend lege ich mich schlussendlich neben ihn und starre auf den Fernseher, wo irgendeine Doku läuft.
Scheiß Streber... Wo könnten wir denn bitte hinziehen? Wir bleiben sicher in Köln... Hier sind wir aufgewachsen... Aber er hat doch auch mal davon geträumt, nach München ziehen zu wollen... Oh Gott, bitte nicht! Das sind acht Stunden Autofahrt nach Hamburg! Das Kanner mir und Evelyn doch nicht zumuten... Moment mal... Evelyn?!

"Manu! Ich brauch ein Handy!" brülle ich plötzlich total aufgeregt und springe von der Couch, während mein Bruder mich überrascht, dennoch seelenruhig mustert.
"In dem Regal in deinem Zimmer liegt ein IPhone X. Alles bis auf die Gesichtserkennung ist schon eingestellt, auch alle wichtigen Nummern sind drin. Also meine, Kylies, Stellas. Selbstverständlich auch die von deiner Freundin." grinst er frech, bevor er sich wieder seiner Doku widmet.
Ich jedoch laufe schnellen Schrittes in mein Zimmer und erblicke auch sofort das teuerste Handy auf dem Markt.
Wie konnte mir das nicht auffallen?

Kurzerhand lasse ich das Hand in meine Hände gleiten, um es erstmal kurz zu mustern.
Das letzte mal hatte ich mein eigenes Handy vor einem Jahr... Was ein Glück, dass ich schon immer ein Technikfreak war...
Innerhalb weniger Minuten habe ich auch schon wieder den Dreh der neuere Technik heraus, was nicht gerade viel mehr Leistung als vor einem Jahr ist, und drücke sofort auf die Nummer meiner Freundin, während ich mich auf mein Bett fallen lasse.
Es ist erst 18 Uhr... eigentlich sollte sie doch..

"Evelyn Brown." sagt sie mit dieser engelsgleichen Stimme, die ich vom ersten Tag an liebte.
"Layla Adams." grinse ich über beide Ohren, während ich auf eine Antwort warte, die erst einige Sekunden später kommt.
"Baby! Du bist draußen! Warum warst du nicht hier? Warum hast du dich nicht gemeldet?! Ich dachte schon, dass was passiert ist... Ich wäre am Freitag dort hin gefahren und hätte den Laden auf den Kopf gestellt!" kreischt sie besorgt durch den Hörer, wobei ich mir ihre Gesichtszüge perfekt vorstellen kann.
"Mir ist nichts passiert... Trotzdem gibt es Verluste..." schnaufe ich traurig aus, währen dich kleine Muster auf meiner Kuscheldecke ziehe.

"Was ist passiert?" fragt sie aufmerksam und so ruhig, dass ich mir Sorgen mache.
"Doc. Marinsheftel Er ist tot... James hat ihn abgestochen..." flüstere ich, weswegen mir einige Tränen über die Wange laufen.
Ich glaub es einfach noch nicht...
"Oh Gott... Layla, soll ich nach Köln kommen?" fragt sie sofort, doch ich höre sofort, wie sie wahrscheinlich selber den Tränen nahesteht.
"Nein Prinzessin, du hast morgen Schule. Konzentrier dich gefälligst." antworte ich ruhig, obwohl ich sie gerne auf meinem Bett liegen haben würde...
Und ich würde nicht nur kuscheln...

Nachdem wir zwei Stunden über irgendeinen Mist redeten, um uns gegenseitig abzulenken, verabschieden wir uns schlussendlich mit einem: "Ich liebe dich."
Das kann ich jetzt jeden Abend haben...

Psycho and Cutie-After closed doorsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt