Kapitel 15: Nicht so schüchtern Kinder!

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Scheiß drauf, ich nehme jetzt einfach ihre Schuhe mit!

"Guten Tag, wie kann ich ihnen helfen?" fragt die Dame am Empfang sofort freundlich, mustert uns jedoch mit einem kritischen Blick, da Stella mit Tränen in den Augen an mir gestützt läuft, weil sie sich nicht mehr tragen lassen wollte.
"Ihr wurde in den rechten Oberschenkel gestochen. Das ist die Nacht passiert, es blutet jedoch trotz Druckverbandes noch sehr stark." erkläre ich die Situation kurz, weshalb uns die ältere Frau geschockt ansieht und dann mit den Worten: "Ihr seid die Nächsten." zu den Sitzplätzen bittet.
"Ich fühle mich wie ein Teenager, die ein paar Tage zu lang ihre Periode hat." lacht sie nach einigen Minuten sitzen auf, da ihre Schmerzen anscheinend etwas nachgelassen haben.
"Was? Warum?" frage ich verwirrt und sehe zu ihr, da ich die ganze Zeit auf mein Handy gestarrt habe.
"Es ist die Nacht passiert, es blutet jedoch trotzdem sehr stark." zitiert sie mich, doch ich schüttle lachend den Kopf.
"So habe ich das nicht gesagt!" grinse ich und boxe ihr leicht gegen den Oberarm, was sie zischen lässt.
"Sorry!" entschuldige ich mich sofort und habe selbst keine Ahnung was ich machen wollte, da winkt sie das Geschehene ab und sieht plötzlich gerade aus, wo sie dann auch hin lächelt.
Prüfend verfolge ich ihren Blick und sehe zu einer grinsenden alten Dame, die vom Alter her meine Uroma sein könnte.
"Ihr seid ein süßes Paar! Wie habt ihr zusammengefunden?" fragt sie mit einer zu süßen Stimme nach, doch was sie sagte, verwirrte mich etwas.
"Nicht so schüchtern Kinder! Ich stand damals auf Kriminelles und wenn ich ein was nicht durfte, dann mit Frauen etwas machen wie man es angeblich mit Männern machen sollte. Mir gefiel es zwar nicht so und ich heiratete einen hervorragenden Mann, aber ich sehe in euch keinen Fehler." lächelt sie zart, was mich auch lächeln lässt.
Alte, tolerante Frauen. Die sind toll. Und niedlich. Wenn sie grinsen, da muss ich einfach mit machen...

Ich wollte gerade verneinen, dass wir ein Paar sein, doch Stella kam mir zuvor.
"Ein totaler Zufall. Eigentlich bin ich nur von der Arbeit heimgekehrt und sie von der Schule und unser Blick war starr auf unsere Telefone gerichtet. Dann sind wir aber glücklicher Weise zusammengestoßen und was soll ich sagen... Liebe auf den ersten Blick." antwortet sie ruhig und streichelt über meinen Oberschenkel, doch ich sehe mich nur etwas geschockt um, ob jemand hier war, der Evelyn kannte, damit es keine Missverständnisse gab, sah dann wieder zu der Frau uns gegenüber und nicke zustimmend.
Warum lügt sie?
"Stella Millers bitte." schallt es plötzlich durch den Warteraum, weshalb ich mich sofort erhebe und ihr aufhelfe.
"Warum hast du gelogen?" frage ich nach, als wir einen gewissen Abstand zu den wartenden Leuten aufgebaut haben.
"Die lebt nicht mehr lange, man sollte von so außergewöhnlichen Menschen nicht die Welt zerstören. Du weißt selbst, dass ältere Menschen sowas eigentlich tolerieren. Man muss jeden unterstützen, der uns unterstützt." verteidigt sie sich abgehakt, da sie bei jedem Schritt mit dem rechten Bein tief Luft holen muss, um die Schmerzen zu unterdrücken.

"Guten Tag die Damen! Wie kann ich helfen?" fragt ein junger Arzt mit einem Lächeln auf den Lippen und mustert uns ähnlich wie die Empfangsdame.
"Sie ist in eine Prügelei geraten... Da wurde sie mit einem Messer an Arm und Bein erwischt." antworte ich sofort, was ihn kurz nicken lässt.
"Dann bitte Hose und Oberteil ausziehen ich gucke mir das mal an." lächelt er wieder, dreht sich auf seinem Drehstuhl von uns weg und schnappt sich einige Utensilien, während ich Stella auf die Liege verfrachte und ihr vorsichtig helfe erstmal die Hose auszuziehen.
"Um Gottes Willen... Das sieht mir mehr nach einem versuchten Mord aus." erklingt plötzlich die Stimme des Arztes so nah hinter mir, dass ich mich innerlich extrem erschrecke, nach außen hin aber nur kaum merklich zusammenzucke.

Erschrecken heißt Schwäche, die darfst du nie zeigen. NIE!
Klingen immer wieder die Worte meines Vaters durch meinen Kopf, bis der Arzt mich vorsichtig beiseite schiebt und ich interessiert sein Tun beobachte.

"Tiefe Wunde... Ein bisschen tiefer und du wärst verblutet meine Gute... Sehr viel Glück gehabt. Ich hole noch etwas dafür, könnten Sie ihr so lange helfen sich ihrem Oberteil zu entledigen? Oder so, dass man ihren Arm sieht." fragt er mich, als er schon aufsteht und den Raum verlässt und allein zurück lässt.
"Helfen Sie mir mal bitte." grinst sie und streckt mir ihren Arm entgegen, wo ich gleich die Jacke von runter ziehe, um dann etwas vorsichtiger den Pulloverärmel von ihrem Arm zu ziehen und den Pullover dann so zu richten, dass man den Arm gut sieht.
"Scheinst im Ausziehen geübt zu sein." lacht sie leise, was mich auch grinsen lässt.
"Normalerweise mache ich das nicht so sanft... Da hab ich es ein bisschen eiliger..." antworte ich etwas leiser, da die Tür gerade wieder auf geht und der Arzt schnellen Schrittes zu uns tritt.

"Das ist nicht so tragisch, da mache ich wieder einen Verband drauf und das verheilt ohne Narbe. Wegen ihrem Bein... da müssten sie nochmal zu mir kommen oder einem anderen Arzt... Das muss außerdem sehr geschont werden und ich verschreibe ihnen starke Schmerzmittel und spritze ihnen auch noch etwas gegen die Schmerzen, was sie etwas aus der Bahn werfen wird... jedoch wird es ihnen besser gehen." erklärt er sein Vorhaben und legt eine Spritze auf den Beistelltisch, um sich neue Handschuhe anzuziehen und diese noch zu desinfizieren.
"Layla, bringt mich dann bitte in die [Denkt-euch-eine-aus]-Straße 7 bei Deckert. Bei ihr bin ich zu Besuch, sie weiß auch schon bescheid." sagt sie noch an mich gerichtet, was ich mit einem Nicken bestätige und der Arzt sich an ihrem Arm zu schaffen macht, weshalb ich mich wegdrehe.
Spritzen sind auch eine Sache für sich...

"Dann wünsche ich ihnen gute Besserung. Und bitte von sowas fernhalten, das nächste mal geht es vielleicht ins Auge." verabschiedet sich der Arzt von uns, woraufhin wir nur ein: "Auf Wiedersehen." antworten und aus dem Arztzimmer verschwinden.
"Tschüss meine zwei Hübschen. Viel Erfolg in eurer Beziehung." lächelt die alte Dame von vorhin, die ich nur an lächle und mit Stella im Arm zum Auto meines Bruders schreite.

Psycho and Cutie-After closed doorsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt