Kapitel 59: vernebeltes Hirn

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Das kann ja was werden.

„Ich bin dann erstmal weg." sage ich laut, damit mein Bruder mich auch im Wohnzimmer versteht.
„Mach nicht zu lang." kommt es zurück, worauf ich auch schon aus dem Haus verschwunden bin und zu dem Club laufe, wo ich mich mit Tyler treffe.

„Sie steht zwischen wahrscheinlich 20 Typen, alle über 25. Mach was..." fleht er sofort, als er mich erblickt.
Entschlossen laufe ich ins Innere, wo mich auch direkt der gewohnte Schweißgeruch einhüllt.
„Dort." bestätigt er, als ich den tanzenden Haufen betrachte.
Das kann ja witzig werden...
„Kylie." sage ich, als ich es dann auch durch die Massen geschafft habe und ziehe sie von dem Mann weg, worauf ich nur einen entsetzten Blick abbekomme.

„Ach verpisschh disch!" knurrt sie und will sich aus meinem Griff lösen, doch ich halte sie fester am Handgelenk und starre ihr in die Augen.
„Komplett high und lässt dich dazu auch noch volllaufen?" frage ich etwas aggressiver nach und will sie aus dem Gedrängel ziehen, als mich plötzlich jemand an der Schulter packt und mich grob von ihr weg schubst.
„Verschdeste net oder wat? Mach nen Abgang, die ischt mene die Nacht." macht mich der Kerl an, von dem ich sie gerade weg gezogen hab.
„Ich würde aufpassen, was man in einem Zustand von mindestens 0,8 Promille von sich gibt." antworte ich abweisend, nehme Kylie wieder an der Hand, die sich wie ein wilder Stier versucht zu lösen.
„Verschdeste misch net oda wie?" kommt er wieder hinter mir, bevor ich umgedreht werde und eine Faust auf mich zufliegen sehe.
Reflexartig halte ich seine Faust fest, trete ihm in den Schritt und als er deswegen nach vorn einsackt, schlage ich ihm mit voller Wucht gegen sein Kinn, dass er nach hinten um fällt.
„Spur jetzt oder ich trage dich." fahre ich Kylie an, die sich bockig vor mich stellt.
„Men Ohne-Naigt-Stand!" kreischt sie entsetzt, weshalb ich nur noch die Augen verdrehe, sie im Brautstil auf den Arm nehme und schnell aus dem Gebäude verschwinde, bevor die Security Wind von der Sache bekommt.

„Du begeisterst mich jedes Mal aufs neue..." sagt der Junge vor mir kopfschüttelnd, was Kylie von meinem Arm hüpfen lässt.
„Du... Schdeckst du mit der Schlaampe etwa unta eina Däcke?" brüllt sie ihn an und läuft auf Tyler zu, weshalb ich sie von hinten packe und anhebe, um sie Nachhause zu tragen.
Ihre Mutter wird wie immer nicht da sein... Und es ist der kürzeste Weg.

„Bleib ja stehen." warne ich das Mädchen, als ich sie absetze, um ihre Haustür aufzuschließen.
Doch noch bevor ich sie richtig abgesetzt habe, setzt sie schon ihre Beine in Bewegung, stolpert über ihren eigenen Fuß und hätte ich sie nicht halten können, wäre sie Kopfüber die kleine Treppe herunter geflogen.
Kurzerhand öffne ich die Tür und schubse sie hinein, da sie schon wieder abhauen wollte.
„Du schläfst jetzt." sage ich ernst und will sie zu ihrem Bett führen, doch sie reißt ihre Hand aus meiner.
„Wiso müsscht ihr imma men Lebn versaun? Du, den Bruda. Isch hasse eusch!" kreischt sie und wirft ihren Schuh nach mir, dem ich sofort ausweiche und sie kühl mustere.
„Dann geh ich halt." antworte ich und will an ihr vorbei, doch sie hält mich an den Schultern fest und versucht mich zurück zu stoßen, was ihr Intus an Rauschmitteln nicht mehr ganz zu lässt.
„Du... Du hascht mir men Ficker die Nacht genomm, dasch ischt jetz dene Aufgabe!" brüllt sie und zieht sich ihr Shirt über den Kopf, um mich dann förmlich an zu hüpfen.
„Komm schon, bitte hard." knurrt sie und will mir ihre Lippen aufdrücken, weswegen ich sie von mir drücke und sie wütend anfunkle.

„Das würdest du Evelyn antun?" frage ich ruhig nach, was sie zu mir auf sehen lässt.
„Wasch?" murmelt sie und vergreift sich an meiner Hose.
„Du würdest mich gerade beim fremd gehen unterstützen." fahre ich fort.
Langsam scheint es in ihrem voll gepumpten Hirn zu rattern, denn langsam weicht sie nach hinten und starrt mich an.
„Layla.." flüstert sie überrascht, als ob ich gerade zum Fenster rein gesprungen wäre.
„Schön, dass dir das auch auffällt." antworte ich knapp, während ich ihren Blick auffange und analysiere.
Die Augen glutrot, die Lippen spröde. Jegliches Leben ist aus ihren sonst ausdrucksstarken, kristallblauen Augen gewichen und es ist erschreckend, wie diese schon unbekannte Person mich ansieht.
„Komm schon." versuche ich es nochmal ruhiger und halte ihr meine Hand hin, die sie in ihre nimmt und ich sie in ihr Zimmer ziehen kann.
Ach du Scheiße.
Sofort muss ich die Luft anhalten und mich zusammen reißen nicht wieder aus dem Zimmer zu rennen.
„Leg dich hin." fahre ich fort und lege sie in ihr halbwegs ordentliches Bett.
Oder auch nicht, wie kann man auf so vielen Kondomen schlafen? Wie hat sie es geschafft, dass keiner wieder raus gerannt ist?

„Nein, das tue ich dir nicht an." murre ich, hebe sie hoch und trage sie wieder nach unten, wo ich sie auf die Couch lege.
Danke an Kylies Depri-Phase, die nur ihr Zimmer verkümmern lässt.
„Warum machschte dasch?" lallt sie plötzlich, als ich mich von ihr weg drehe.
„Was?" frage ich verwirrt nach, woraufhin ihr eine minimale Träne über die Wange rollt.
„Du musscht doch zu deim Bruda stehn." versucht sie zu erklären, weshalb ich mich kurz neben sie setze und ihr einige Strähnen von der Stirn streiche.
„Weil ich dich liebe. Ich lass dich nicht verkümmern." flüstere ich ruhig und beobachte, wie sie meine Hand in ihre nimmt.
„Isch lieb disch auch.." lächelt sie, was mich auch grinsen lässt.
So eine hohe Dosis brauchst du also, um deine Gefühle zu offenbaren.
„Schlaf gut." sage ich noch, bevor ich wieder aufstehe und unschlüssig an die Wand starre.

Nach kurzem überlegen zücke ich mein Handy, schreibe Manu, dass ich bei Evie schlafe und begebe mich ins Badezimmer, wo ich wahrscheinlich jeden Schrank durchstöbere.
Handschuhe, unzählige Lappen, Müllbeutel, Reinigungsmittel, neue Bettwäsche, Matratzenreiniger... Fehlt was? Wahrscheinlich eine Atemmaske... Vielleicht reicht auch anfangs ein Raumspray...
Schnell schnappe ich mir alles, um mit angehaltenem Atem durch ihr Zimmer zu rennen und an ihr Fenster zu gelangen.
Genauso schnell will ich auch wieder raus, doch mit einem lauten Schlag liege ich auch schon auf dem Boden.
Oh bitte nicht.
Mit dem Wissen worauf ich ausgerutscht bin, sehe ich mich um und springe schlagartig auf, als sich meine Vermutung bestätigt.
„Ich bin doch nicht ohne Grund Lesbe." jammere ich angewidert und zerre mir mein Shirt über den Kopf, um aus dem Zimmer zu hüpfen und besagtes Kleidungsstück ans andere Ende des Flurs zu katapultieren.
„Ist das ekelhaft... Wie viele Kerle waren das denn in zwei Wochen?!" fluche ich weiter und starre in das Zimmer, das kaum wieder zu erkennen ist.
Immerhin lebt deine Schlange noch.

-Fünf Stunden später-

„Wie lang warst du nicht draußen?" frage ich die Schlange, die mich nur an züngelt.
„Ja, ich verstehe dich. Ich wäre auch verstört." lache ich, bevor ich meinen eigenen Verstand hinterfrage.
Die Säuberung dieses Zimmers hat mich wohl um den Verstand gebracht...
Mit einem einfachen Griff öffne ich den Käfig, damit die Schlange sich über ihren an der Decke angebrachten Ästen entlang schlängeln kann.
Hoffentlich bringst du mich jetzt nicht um, ich hab dir glaub ich das Leben gerettet.
Plötzlich schrecke ich zurück, als ich den Schlangenkopf genau vor meinen Augen erkenne.
Tatsächlich eingeschüchtert mustere ich das Tier, gegen das ich keinerlei Chance hätte.
Doch nach einem kleinen züngeln in meine Richtung, hebt sie ihren Kopf wieder nach oben und genießt anscheinend ihre Entlassung aus dem kleinen Kasten.
Ich kenn das. Einfach befreiend.

Ein Blick auf die Uhr verrät dann auch, dass schlafen gehen nicht mehr viel bringen wird, also schleiche ich ins Wohnzimmer, wo ich das Blondinchen leise vor sich hin schnarchen höre.
Leise setze ich mich an ihre Füße, ziehe mir ein Stück Decke über den Schoß und schalte den Smart-TV an, um eine neue Serie anzufangen.
Hoffentlich stirbt sie mir morgen vor schmerzen nicht weg.

Psycho and Cutie-After closed doorsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt