Kapitel 32

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Mit zittrigen Händen schob ich meinen Nagel unter die Lasche des Umschlags. Bevor ich diesen öffnete atmete ich nochmal tief durch. Ich hatte den Brief noch nicht gelesen, vor Angst vor dem Geschriebenen hatte ich es immer in den Hintergrund geschoben. Und nun nach einem Jahr schien ich bereit, nach einem Jahr voller körperlichem und geistigem Schmerz, voller Abweisung, voller Ignoranz. Meine schwitzigen Hände wische ich erst an meiner Hose ab bevor ich das Papier aus dem Umschlag befreie, denn ich beiseite lege.

Liebe Jade,
Das du hier bist hat alles einen Grund. Von
Anfang an warst du mein Auftrag, von Clay.
Ich sollte mir dein Vertrauen erarbeiten um dich dann ihm auszuliefern. Wenn du dachtest das ich dich je ernsthaft geliebt hatte dann tut es mir leid aber  das zwischen uns war weniger als nichts.
Aber du warst ja schon immer ziemlich naiv was dieses Thema angeht somit war der Job leichter als erwartet. Was Clay mit dir will kann ich nicht ganz nachvollziehen, du bist nutzlos meines Erachtens.
Und besser wäre es wenn du mich auf Ewig aus deinem Kopf löschst.
-E

Fassungslos starre ich dieses Schreiben an, Wut, Trauer, Schmerz kocht in mir hoch. Eine gefährliche Mischung braut sich in mir, mein Herz durchfährt ein tiefer und schmerzhafter Stich, meine Schläfen beginnen zu pochen, und meine Hände fühlen sich taub an. Ich hätte vieles von diesem Brief erwartet von einem herzbrechenden Ich-Liebe-Dich-Brief bis zu einem Fluchtplan aber niemals hätte ich 12 Zeilen geprägt von Anschuldigungen, Hass, Verachtung und vor allem Verrat erwartet. Er hatte die ganze Zeit nur mit mir gespielt, mir etwas vorgespielt. Taub von dem Schmerz schleuderte ich das Papier weg, quer durch den Raum. Er kann das nicht ernst meinen! Zweifel kommen mir in den Sinn, es fühlte sich viel zu echt an.  Vielleicht ist genau das was er will, den Hass ihn gegenüber wieder zum leben erwecken. Diese Verabscheuung und der bodenlose Hass den ich ihm jahrelang nachhielt. Von allen Optionen schien mir diese am realistischsten, den das in diesem Brief war nicht Elijah, wenn ich jemanden kannte dann ihn und das in und auswendig. Er will dich beschützen. Meinte meine innere Stimme. In dem er mich foltern lässt? In dem er andere Weiber flankt? In dem er mich Ignoriert?

Zu viele Gedanken schwirrten mir durch den Kopf, also entschied ich abzuhauen. Hier wurde man eh nur belogen und ausgenutzt. Mehr als mir die Knochen wund zuarbeiten durfte ich unter Clays Aufsicht nicht. Schon lange hatte ich mir das vorgenommen und jetzt schien es mir der perfekte Moment zu sein also packte ich nur das wichtigste, und verschwand mit einem letzten Blick auf das kleine Zimmer und den in tausend Stücken zerfetzten Brief auf dem Boden. Tschüss altes Leben.

Die Halle war kaum belegt alle schienen an einem Job zu arbeiten also flitzte ich mit meiner Handtasche zu meinem C63. Das Metaltor ließ ich währenddessen herauffahren, mit brummendem Motor fuhr ich aus der Halle es war schon dunkel geworden und als ich so in den Rückspiegel blickte konnte ich nur noch Jacks Silhouette erkennen.
Ich hätte diesen Brief früher lesen sollen. Möglicherweise hätte ich mir die Folter und die Erniedrigung ersparen können. Doch darüber könnte ich mir auch später Gedanken machen, mein Ziel für heute war es die Stadt oder am Besten das Land so schnell wie möglich zu verlassen.

Wenig später war ich schon auf der Hauptstraße angekommen raus aus dem Industriegebiet in dem das Cartier liegt. Die Hochhäuser Los Angeles Leuchten und auch die Straßen sind noch gut gefüllt, der einzige Unterschied ist das aus den Familienkutschen die hier Mittags rum gurkten teure und verdammt schnelle Karren unterwegs sind wahrscheinlich auf dem Weg zu dem nächsten Untergrund Autorennen. Schmunzelnd erinnere ich mich an mein erstes Rennen, gegen meinen Bruder. Natürlich hätte er gewonnen doch er ließ mich das Rennen entscheiden, er hatte schon immer versucht mich möglichst glücklich zu machen und auch wenn ich nicht fair gewonnen hatte, wie auch? Meine Erfahrungen waren gleich null. Er hatte es tatsächlich geschafft mir damit ein Lächeln auf die Lippen zu zaubern.

Langsam aber sicher war ich am Stadtrand angelangt, die Skyline im Rückspiegel, die Sorgen im Rückspiegel. Der beängstigende Druck in meiner Brust löste sich langsam ich fühlte mich etwas erleichterter. Es ist vorbei. Ich musste lachen und gleichzeitig stiegen mir die Tränen in die Augen, ob das Freunden- oder Verzweiflungstränen waren wusste ich selbst nicht. Den so befreiend sich diese Minuten immer weiter von der Stadt weg anfühlten ich hatte so ein ganz blödes Bauchgefühl das dass nicht alles so einfach vorbei sein würde, es wäre zu einfach. Und mein Bauchgefühl sollte wohl recht behalten den plötzlich tauchten zwei tiefschwarze G Klassen neben meiner rechten und linken auf.

Schnell wischte ich mir die Tränen weg um dann das Gaspedal durchzutreten. Der Motor heulte gefährlich auf und ich sicherte mir ein gutes Stück Vorsprung. Doch auch die beiden SUVs ließen sich nicht so leicht abschütteln, denn sie beschleunigten fast synchron und hingen nun an meiner Stoßstange.
Fluchend beschleunigte ich um 10 km/h. Froh darüber das die Autobahn so gut wie leer ist und ich somit ungehindert meinen Arsch in Sicherheit bringen könnte. Eine Ausfahrt, das war meine Chance. Mit einem letzten Blick in den Rückspiel vergewisserte ich mich das die beiden Monster noch hinter mir waren. Ich machte keine Anstalt abbiegen zu wollen was die beiden Fahrer verunsicherte, nun konnte ich nämlich ihre Gesichter erkennen. Zwei Männer mittleren Alters, kurzgeschorene Haare, böser Blick, der typische Türsteher. Knapp an der Leitplanke entlang bog ich mit qualmenden Reifen ab, währen die beiden weiter gerade aus fuhren.
Das erste war wohl geschafft. Ich versuchte keine Zeit zu verlieren und raste über den Asphalt, nutze die scharfen Kurven zum driften und bog dann Richtung San Diego ab.

Nun fuhr ich schon einige Minuten in der kleinen Altstadt in einem Nebenort von San Diego herum, bis ich mein Ziel fast erreicht hatte. Es wurde langsam wieder hell während ich in die Straße einbog die mich näher an mein Ziel bringen würde. Eine ruhige und friedliche Gegend mit vielen Rentnern oder jungen Familien. Eine Gegend  in die ich absolut nicht reinpasse. Vor einem kleinen braunem Haus bleibe ich stehen, die schwarzen steinigen Treppen laufe ich hinauf zur Tür um dann zu klingeln.
Im Inneren höre ich etwas poltern und ein Stimmengewirr. Gedämpft nehme ich Flüche wahr.
,Wer stört um diese Uhrze..!' fing die Person vor mir an während sie die Tür einen Spalt öffnete. Vor mir stand eine Frau die ich fast nicht wiedererkannt hätte und sie mich anscheinend auch nicht.
, Jade bist dus?' ihre Stimme brach. Ein kleines Lächeln bildet sich auf meinem Mund.

,Hey Mom'

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