Das Leben ist kein Wunschkonzert

ZWEIUNDSIEBZIG

Als ich am nächsten Morgen aufstand, hatte ich noch immer dröhnende Kopfschmerzen. Ein Blick in den Spiegel verriet mir, dass ich nicht besser aussah, als ich mich fühlte: Um mein rechtes Auge hatte sich ein prachtvolles Feilchen gebildet und meine Lippe war an einer Stelle aufgeplatzt.

Um kein weiteres Aufsehen zu erregen, ging ich heute nicht zum Frühstück, auch wenn ich großen Hunger hatte. Stattdessen nahm ich meinen Rucksack und verließ ein bisschen früher die Wohnanstalt.

Auf dem Weg zur Schule hielt ich bei einem Bäcker an und kaufte mir unter verwirrten Blicken zwei Brötchen, die ich dann auf dem restlichen Weg aß.

In der Schule angekommen, fiel mir auf, dass ich die ersten beiden Stunden bei Herrn Koch Unterricht hatte. Das konnte lustig werden, ihm meine Verletzungen zu erklären, vor allem nachdem ich gestern aus dem Sportunterricht abgehauen war.

Doch zu meiner Überraschung warf mir Herr Koch nur am Anfang der Stunde einen besorgten Blick zu, ansonsten ließ er mich in Ruhe. Wie immer nahm ich nicht wirklich am Unterricht teil, außerdem hatte ich nach wie vor starke Kopfschmerzen, was meine Arbeitsbereitschaft im Unterricht nicht wirklich erhöhte.

Die meiste Zeit der Stunde schaute ich aus dem Fenster oder kritzelte kleine Figuren auf meinen Block.

Als es endlich zur Pause klingelte stand ich auf und wollte den Raum verlassen, in der Hoffnung meine Kopfschmerzen würden an der frischen Luft besser werden, doch Herr Koch machte mir einen Strich durch dir Rechnung.

Gerade als ich den Raum verlassen wollte, hielt er mich auf. "Vitus, wartest du nochmal kurz bitte?", forderte er mich mit ruhiger Stimme auf.

Ein kleiner Seufzer entwich mir. Warum musst ausgerechnet er mich jetzt wieder ansprechen? Warum konnte er mich nicht wenigstens dieses eine Mal in Ruhe lassen.

Ohne meinen Lehrer anzuschauen, blieb ich in der Tür des Raumes stehen und fragte genervt: "Was wollen Sie von mir?".