Das Leben ist kein Wunschkonzert

ZWEIUNDNEUNZIG

Ich atmete tief durch, bevor ich mich vom Fenster abwandte und Phil in die Augen sah. Er saß immer noch auf dem Stuhl neben meinem Bett und musterte mich interessiert. Ich seufzte und fing dann an zu sprechen: "Ich... Ich möchte dir etwas erzählen. Ich finde, du hast es verdient mehr zu wissen. Du bist von Anfang an respektvoll mit mir umgegangen und hast dich um mich gesorgt. Danke dafür.".

Ich hatte das Gefühl, dass er leicht rot wurde, als er antwortete: "Für mich ist das selbstverständlich!". "Leider nicht für jeden", erwiderte ich und drehte mich wieder zum Fenster. Ich war unsicher. Konnte ich ihm wirklich so sehr vertrauen, dass ich ihm mehr über mich erzählen konnte?

Eine Träne rann meine Wange hinunter und ich wischte sie schnell weg. Es tat weh, über die Vergangenheit nachzudenken, aber vielleicht half es mir, darüber hinwegzukommen.

"Eigentlich war ich immer ein sehr behüteter Junge und ich hatte viel Spaß am Leben, aber als ich elf war, ist meine Mutter bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Ich weiß  nicht, was ich falsch gemacht habe, aber seitdem läuft irgendwie alles schief. Mein Vater hat angefangen zu Trinken und irgendwann hat er mich geschlagen. Erst war es nur eine Backpfeife, dann eine bei jeder schlechten Note und irgendwann hat er gar nicht mehr nach Gründen gesucht.", erzählte ich mit stockender Stimme und starrte nach draußen.

Nach einer kleinen Pause erzählte ich weiter: "Das mag jetzt für manche komisch klingen, aber ich habe ihm verziehen. Von einem auf den anderen Tag war ihm irgendwie alles bewusst geworden und er wollte sich besser und alles wieder gut machen. Ja ich habe ihm verziehen.".

Immer mehr Tränen liefen mir über die Wangen bei den Erinnerungen an die Geschehnisse. Ich brauchte einen Moment, um mich wieder halbwegs zu beruhigen. Mit meinem Tshirtärmel wischte ich mir einmal über das Gesicht und beobachtete einen Rettungswagen, der mit Blaulicht zur Notaufnahme fuhr.