"So bizarr es auch klingt, ich bin mir sicher, dass Steve sich geirrt hat. Ich bin mir sicher, dass meine fehlende Angst mir für eine lange Zeit das Leben gerettet hat."
"Wie meinen Sie das, Professor?"
Ellis lächelte. Selbst nach Jahren, in welchen sie nicht mehr seine Schülerin gewesen war, hatte Lily nie aufgehört, ihn mit "Professor" anzusprechen.
"Nun, Tom war unglaublich stolz. Er hat es gehasst herausgefordert zu werden und ich habe ihn mit fast jedem meiner Worte herausgefordert, weil ich dumm genug war, nicht einsehen zu wollen, wie gefährlich er tatsächlich war. Ich glaube, dadurch hasste er mich so sehr, dass er niemals zugelassen hätte, dass ich starb, ohne vor seinen Augen zu verlieren."
"Zu verlieren, Professor?"
"Er wollte von jedem bewundert und gefürchtet werden. Ich habe nichts von beidem getan und habe auch nicht gezögert, ihm das mitzuteilen. Er wusste, dass ich ihn niemals bewundern würde, also hat er alles daran gesetzt, dass es zumindest das Zweite sein würde. Es begann harmlos, entwickelte sich jedoch, als er realisierte, dass die Drohungen seiner Freunde oder die Verletzungen während den Quidditchspielen, wofür sie mit Schummeleien gesorgt hatten, mir relativ gleichgültig waren, zu mehr. Sie bekamen um einiges... aggressiver. Nicht bloss zu mir, sondern zu allen muggelstämmigen Schülern. Dabei hatte Steve sich nicht geirrt. Etwas hatte sich verändert, sie hassten um einiges passionierter. Nicht selten wurde man mit Zauberstab bedroht, manche selbst mitten auf den Gängen verprügelt, auch wenn die Feiglinge sich dabei hauptsächlich jüngere und kleinere Schüler vornahmen als mich. Tom selbst rührte keinen Finger, zumindest nicht, wenn er sich nicht hinter geschlossener Tür befand, wo man ihn nicht dabei beobachten konnte. Er hatte schliesslich einen guten Ruf zu wahren, wollte das Vertrauen der Lehrer nicht verlieren."
"Und hast du es dann getan?", murmelte James und blickte von der Tischplatte hoch, "Hast du ihn dann zu fürchten begonnen?"
"Ich bin im Waisenhaus aufgewachsen.", schmunzelte Ellis, "Ich war mir schlimmeres gewöhnt, als verwöhnte Teenager, die mir einen Zauberstab unters Kinn hielten und mich beleidigten. Aber ich gebe zu, nachdem sie damit begonnen hatten, hat es nicht lange gedauert, bis auch ich ihn zu fürchten begonnen habe. Tom findet noch die Schwachstellen von jedem heraus. Zumindest von jedem der ihm wichtig genug ist. Meine hat er am Ende des vierten Schuljahres entdeckt."
"Was für Schwachstellen?"
"Meine Kindheit. Und natürlich meine Freunde."
"Eine Party?"
"Eine Party!", rief Steve bestätigend durch die geschlossene Holztür hindurch. Ellis fuhr sich ein letztes Mal durch seine Haare und über seinen Körper, sicherstellend, dass er jegliches Shampoo herausgewaschen hatte und stellte dann, einige Sekunden noch geniessend unter dem heissen Wasserstrahl stehend, die Dusche aus. Nach einem Handtuch greifend und es sich geschickt um seine Hüfte wickelnd, trat er aus dem Badezimmer heraus.
"Eine Party?"
"Hab ich doch gesagt.", lachte Steve, der sich von der Wand neben der Tür löste und ihm augenblicklich einen halbherzigen Schlag in die Magengrube verpasste, dem Gryffindor damit ein überraschtes Keuchen entlockte. "Eine Slytherinparty. Du bist herzlich eingeladen."
"Hast du nicht gesagt, ich müsste mich von denen fernhalten?"
"Provozier sie einfach nicht. Das sollte wohl reichen. Die werden zu betrunken sein, um dich auf der Party zu entdecken, solange du deine grosse Klappe geschlossen behältst."
Ellis schmunzelte, überquerte den Raum zu seinem Kleiderschrank und zog sich Sekunden später die erstbesten Boxershorts und Hosen über, welche er fand.
"Also, kommst du?"
"Weiss nicht. Bin nicht wirklich in Partystimmung.", murmelte er und trottete, mit Steve an seiner Seite, in die Richtung der Tür, um aus seinem Zimmer zu verschwinden.
"Ist das dein Ernst? Du musst kommen! Würdest du es nicht tun, wäre die Hälfte der Schülerschaft enttäuscht und damit meine ich die weibliche, um einiges wichtigere Hälfte der Schülerschaft. Wem sollen sie denn bitteschön sonst aus der Ferne hinterhersabbern? Und wen sollen sie sonst aus der Nähe belästigen, wenn du nicht auftauchst?"
Augenverdrehend zwang Ellis sich ein Lächeln aufs Gesicht, als er sich auf das Sofa im Gemeinschaftsraum fallen liess, ignorierend, dass dabei Wasser von seinem Oberkörper und seinen Haaren darauf tropfte und es befeuchtete. Steve tat es ihm gleich.
"Ich überlege es mir."
"Nein, tust du nicht. Du kommst. Und weisst du auch wieso?"
"Sag es mir."
"Weil ich meinen besten Freund brauche, der keinen Alkohol trinkt und mich vor Dummheiten bewahrt."
Ellis warf protestierend seine Hände in die Höhe.
"Es ist unmöglich, dich vor Dummheiten zu bewahren. Du wirst mit oder ohne mich zu viel trinken und du wirst mit oder ohne mich angetrunken eine Prügelei starten. Du wirst auch mit oder ohne mich zwei Mädchen gleichzeitig abzuschleppen versuchen und letztendlich vollkommen alleine im Bett landen, weil kein Mädchen darauf steht, bloss eine von zwei zu sein."
"Irgendwann wird das schon funktionieren."
"Wird es nicht!"
"Wieso so pessimistisch, Ellis? Jemals von "die Hoffnung stirbt zuletzt" gehört? Auf jeden Fall kommst du..."
Steves Worte wurden abrupt unterbrochen, als die Tür zum Gemeinschaftsraum aufgeschlagen wurde und Daisy Matthews, eine Gryffindor zwei Jahrgänge unter ihnen, hineinstürzte. Ellis fuhr automatisch hoch, erkennend, dass sie vollkommen ausser Atem war und gerannt sein musste.
"Was ist los?"
"Sam."
Mehr musste sie nicht sagen. Die beiden Freunde waren bereits zur Tür hinauserannt, zwangen sie somit dazu, ihnen nachzurennen und ein "Im Hof!" nachzurufen, damit sie auch wussten, wo sie denn hin mussten.
Sam war ein Hufflepuff aus dem dritten Jahr. Muggelstämmig, etwas tollpatschig und verträumt und auch etwas zu schüchtern, was ihn immer wieder zum Angriffsziel von Toms Freunde machte. Per Zufall hatte Ellis einmal mitbekommen, wie Malfoy dem Jungen alles mögliche angedroht hatte und hatte ihn von diesem Tag an unter seine Fittiche genommen. Es war auch unmöglich gewesen, den Jungen nicht in sein Herz zu schliessen.
Ellis schwor sich noch auf dem Weg zum Hof, dass er, sollte der Hufflepuff verletzt sein, trotz des Versprechens Tom nicht zu provozieren, welches er Steve gegeben hatte, zurückschlagen würde.
"Es war der tatsächliche Beginn von allem. Denn sie hatten Sam verletzt. Und ich habe mich daraufhin vergessen. An diesem Tag überschritt ich die Grenze und gab ihm unbewusst auch noch meine beiden Schwachstellen preis."
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One-Shots
Hayran KurguOne-Shots zu absolut allem, was mir oder euch gefällt, hautpsächlich zu James Potter.