Joshuas PoV
Es musst irgendwie weitergehen, das wusste ich. Doch ich wusste nicht, wie das funktionieren sollte. Vor zwei Wochen hatte ich unser Baby verloren und noch immer fühlte ich mich vom Schmerz wie betäubt. Ich wollte eine Erklärung haben, wieso es passiert war. Damit, dass es Schicksal war, gab ich mich nicht zufrieden. Jedoch war mir auch bewusst, dass ich keine Erklärung bekommen würde, weil es einfach keine gab.
Vom Arzt hatte ich nach einer Nachuntersuchung vor einer Woche die Erlaubnis bekommen, wieder ins Training einzusteigen. Sicherlich hatte er diese Meldung auch an unseren Trainer weitergegeben, dennoch ging ich nicht hin. Leon hatte ich davon nichts erzählt. Mir fehlte die Kraft für irgendwelche Diskussionen. Während mein Freund also weiterhin an jedem Training teilnahm, verkroch ich mich Zuhause. Leon litt genauso unter dem Verlustschmerz, doch ging er anders mit diesem um. Mit jedem Tag wandelte sich die Trauer in seinen Augen mehr zu Besorgnis, was meine Schuld war.
Stundenlang saß ich einfach im halbfertigen Kinderzimmer. Ich wollte nichts essen, nicht nach draußen, nicht reden. Ich wollte einfach nur, dass der Schmerz aufhörte. Ich wünschte mir, die Zeit zurückdrehen zu können. Vielleicht könnte ich es irgendwie verhindern. Vielleicht hatte es doch irgendeine Ursache gegeben, die ich hätte vermeiden können. Vielleicht war ich schuld. Der Arzt hatte zwar gesagt, dass man es nicht verhindern hätte können und niemand Schuld war, doch meine innere Stimme sagte mir etwas anderes. Es musste einen Grund geben. Da in den letzten Wochen keine einzige Person irgendwie Einfluss auf die Schwangerschaft hätte nehmen können und nichts außergewöhnliches passiert war, blieb ich als einziger Schuldiger übrig. Es war mein Körper. Ich hatte die Verantwortung für unser Baby. Ich hatte versagt.
"Jo?", riss mich plötzlich Serges Stimme, die durchs komplette Haus hallte, aus meinen Gedanken. Ich hatte meinen besten Freund seit drei Wochen nicht mehr gesehen und hatte eigentlich nicht das Bedürfnis gehabt, es zu ändern. Lieber wollte ich allein sein. Selbst Leon ertrug ich nur für kurze Dauer in meiner Nähe. Er litt, weil ich versagt hatte. Ich war schuld an seinem Schmerz. Ich hatte sein Baby verloren. Leon versuchte für mich da zu sein, doch machte es das nur noch schlimmer für mich. Es wäre einfacher, wenn er sauer auf mich wäre.
Die Zimmertür zum Kinderzimmer öffnete sich. Leon betrat den Raum. Er schien bereits gewusst zu haben, dass er mich hier fand. Allerdings war das auch nicht all zu schwer zu erraten, da ich die meiste Zeit des Tages dort verbrachte.
"Serge ist unten", berichtete mir mein Freund, wobei er sich mir näherte. "Er ließ sich von mir nicht aufhalten und wird nicht gehen ohne die gesehen zu haben." Schweigend schaute ich weiter auf das Affen-Kuscheltier, welches ich in den Händen hielt. Leon kniete sich vor dem Sessel, auf welchem ich saß, und legte seine Hände auf meine. Vorsichtig nahm er mir den Affen aus den Händen. "Lass uns kurz nach unten, damit Serge wieder geht und dann überlegen wir uns was schönes für den Abend, einverstanden?"
"Ich will Serge nicht sehen", murmelte ich.
"Er ist dein bester Freund."
"Trotzdem."
"Er macht sich aber Sorgen um dich." Ich zuckte lediglich mit den Schultern. "Du kannst dich nicht für immer in diesem Zimmer verkriechen."
"Wieso nicht?" Leon richtete sich etwas auf, wodurch wir auf Augenhöhe waren. Er umschloss sanft mein Gesicht mit beiden Händen und schaute mir in die Augen.
"Weil ich dich brauche und weil ich dich liebe. Egal was du denkst und dir einredest, du bist nicht Schuld. Das ist keiner. Ja, es tut weh und das wird es auch noch einige Zeit, aber, auch wenn es blöd klingt, das Leben geht weiter. Wir können nicht unser Leben lang an dieser Stelle verharren und erwarten, dass der Schmerz von allein nachlässt. Wir müssen irgendwie weitermachen, weil es nur so besser werden kann." Leon platzierte einen kleinen Kuss, der kaum spürbar war, auf meinen Lippen. Es war eher ein Streifen meiner Lippen, dennoch war es schon mehr als die letzten zwei Wochen. Ich lehnte mich vor und drückte meine Lippen zurück auf die von Leon, welcher den Kuss sofort erwiderte. Für einen Moment spürte ich etwas anderes als Schmerz oder Verzweiflung. Stattdessen spürte ich Liebe und Dankbarkeit.
"Leon? Jo?", rief Serge, weswegen wir unseren Kuss lösten. Leon lächelte mich sanft an.
"Ich liebe dich", flüsterte Leon mir zu, ehe er mich noch einmal sanft küsste.
"Ich liebe dich auch, Leon", erwiderte ich, wobei sich meine Lippen das erste Mal seit zwei Wochen zumindest zu einer Art Lächeln verzogen. Leon richtete sich auf und hielt mir seine Hand hin. Seufzend griff ich nach dieser, um mich auf die Beine ziehen zu lassen. Ohne die Hand meines Freund, der unsere Finger miteinander verschränkt hatte, loszulassen, folgte ich ihm in den Flur.
Serge war scheinbar gerade die Treppe hochgekommen. Er drehte sich in unsere Richtung, als Leon die Tür öffnete und musterte uns irritiert. Nach seinem Wissensstand stand der Raum leer und wurde nicht einmal als Abstellraum benutzt. Ich zog hinter mir die Zimmertür zu, da mir die Kraft fehlte, Serge alles zu erklären.
"Schön dich mal wieder zu sehen, nachdem ich zwei Wochen lang überhaupt nichts von dir gehört hab. Du hättest mir ruhig mal auf meine Nachrichten antworten oder zurückrufen können", beschwerte sich mein bester Freund, wobei nicht zu übersehen und -hören war, dass er eher erleichtert, sowie gleichzeitig besorgt war statt wütend. Er kam zu uns, um mich in eine feste Umarmung zu ziehen. "Noch schöner wäre das Wiedersehen, wenn du nicht so miserabel aussehen würdest", murmelte Serge, wobei er mich fest an sich drückte. Ich schwieg. "Was ist los, Joshua? Du weißt, dass du mit mir über alles reden kannst."
"Wir erklären dir irgendwann alles, Serge, aber zur Zeit geht es nicht", meinte Leon, der eine Hand auf meinen Rücken gelegt hatte, um mir zu zeigen, dass er bei mir war.
"Und damit soll ich mich zufrieden geben?", hakte Serge nach, wobei er sich etwas von mir löste, um zwischen Leon und mir hin und her sehen zu können. "Ihr seid meine besten Freunde. Ihr könnt nicht verlangen, dass ich, obwohl es euch beiden offensichtlich nicht gut geht, schweigen daneben stehe."
"Ja, weil es genau das ist, womit du uns aktuell am meisten hilfst. Gib uns bitte einfach etwas Zeit", bat Leon. Erneut schaute Serge zwischen uns hin und her, ehe er mit einem Seufzen nachgab.
Erschöpft ließ ich mich aufs Bett fallen. Das erste Mal seit Wochen hatte ich wieder am Mannschaftstraining teilgenommen. Nach einigen individuellen Trainingsstunden war ich zur Mannschaft zurückgekehrt. Da unsere Mitspieler bereits Leon seit meinem Ausfall mit Fragen gelöchert hatten und dieser mehrfach deutlich gemacht hatte, dass wir nicht drüber reden wollten, blieb ich zum größten Teil von Fragen zu den letzten Wochen verschont. Serge hatten wir mittlerweile als Einzigen aus der Mannschaft eingeweiht.
"Du hast jetzt aber nicht vor so zu schlafen, oder?", erkundigte sich Leon amüsiert, als er das Schlafzimmer betrat. Als Antwort gab ich lediglich ein Brummen von mir und blieb quer im Bett liegen. Schritt kamen näher, weswegen ich die Augen einen Spaltbreit öffnete. Leon griff an meinen Knöchel und zog mich in seine Richtung. Als er mein Bein losließ, berührten meine Füße den Boden. "So habe ich zumindest noch etwas Platz, um richtig im Bett liegen zu können", meinte der Größere, wobei er die freigewordene Fläche des Bettes betrachtete, ehe sein Blick zu mir glitt. "Zieh zumindest den dicken Pullover aus. Du bekommst heute Nacht sonst noch nen Hitzeschlag."
"Machst du das Fenster aus?", bat ich.
"Auf gar keinen Fall. Ich habe keine Lust zu erfrieren, nur weil du zu faul bist deinen Pullover mal eben auszuziehen." Als ich keine Anstalt machte, mich zu bewegen, lehnte Leon sich mit einem Seufzen über mich und übernahm für mich das Ausziehen des Pullovers. Meine Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. Leon konnte ein verdammter Sturkopf sein, aber in solchen Moment war ihm mein Wohlergehen wichtiger als darauf zu bestehen, dass ich nachgab. Mein Pullover fiel zu Boden, ehe Leon sich neben meinem Kopf abstützte und mich zärtlich küsste.
Schneller als mir lieb war, löste der Größere sich jedoch wieder und richtete sich auf, um sich selbst von seinen Klamotten zu befreien und das Licht auszuschalten.
"Es ist schön, dich beim Training wieder an meiner Seite zu haben", erklärte Leon lächelnd, als er sich in Boxershorts auf seine Seite des Bettes legte. "Es wäre auch schön, wenn du von meiner Bettdecke runtergehen würdest, damit ich heute Nacht nicht doch noch erfriere." Tatsächlich richtete ich mich auf, was Leon nutzte um sich zuzudecken. Ich krabbelte zu meinem Freund unter seine Bettdecke und kuschelte mich an ihn. Leon schlang seine Arme um mich, während er einen Kuss auf meiner Stirn platzierte.
"Ich liebe dich", murmelte ich schläfrig, als ich mich noch etwas enger an den Älteren schmiegte. Ich hörte noch, wie Leon die Liebeserklärung erwiderte, ehe ich zufrieden einschlief.
DU LIEST GERADE
Fußball & Formel1 OS-Sammlung (boyxboy) - Teil 2
FanfictionTeil 2 meiner OS-Sammlung (boy x boy) gefüllt mit Fußball- und Formel1 One Shots