Widmung: Toniily
Die Stimmung in der Nationalmannschaft war schon mal besser gewesen. Wir alle spürten den Druck, der auf uns lag. Die Tatsache, dass wir mit einer Niederlage in die Gruppenphase der WM gestartet waren, hatte es nur noch schlimmer gemacht. Zudem tauchte ständig ein Kamerateam auf, die auf der Suche nach Szenen für die Dokumentation war. Schon jetzt hatten sie mehr als genug Aufnahmen, die hoffentlich nie veröffentlich werden würden, da sie nichts in der Öffentlichkeit verloren hatten. Unsere Teaminternen Meinungsverschiedenheiten mussten nicht der kompletten Welt präsentiert werden.
Gemeinsam mit Marc-André ter Stegen, Ilkay Gündoğan und David Raum saß ich am Frühstückstisch. Im Frühstücksraum war es außergewöhnlich ruhig. Nur vereinzelt wurden leise Gespräche geführt. Die Motivation für die anstehende Besprechung hielt sich bei allen in Grenzen.
Ich ließ meinen Blick durch den Raum wandern bis er bei Jule stoppte, welcher lustlos sein Rührei hin und her schob. Niklas Süle, Nico Schlotterbeck und Karim Adeyemi saßen bei ihm, doch schien er seine Vereinskollegen gar nicht zu beachten. In den letzten Tagen hatte ich ihn schon häufiger so gedankenverloren gesehen, nur die Ursache dafür hatte ich noch nicht in Erfahrung gebracht. Wenn ich ihn drauf ansprach, behauptete er, es sei alles in Ordnung. Jule sollte klar sein, dass ich ihm das nicht glaubte, doch ich konnte ihn ja nicht zwingen mit mir zu sprechen. Ich würde mich darauf verlassen müssen, dass er zu mir kam, wenn er soweit war. Bis dahin würde ich mich damit zufrieden geben, dass der Ältere mich zumindest noch in seine Nähe ließ.
Nachts, wenn alle anderen schliefen, schlich ich mich zu Jule ins Zimmer, wo wir Arm in Arm einschliefen. Es war schön ihn mal wieder mehrere Nächte am Stück bei mir zu haben, dafür nahm ich es auch gerne in Kauf, tagsüber allen anderen vorzuspielen, dass wir nur Freunde wären. Unsere Beziehung blieb unser Geheimnis.
Ilkay, David , Marc-André und ich wurden beinahe alle gleichzeitig fertig und verließen gemeinsam den Frühstückraum. Beim Vorbeigehen strich ich mit einer Hand möglichst unauffällig Jules Rücken entlang, wodurch ich ihn aus seinen Gedanken riss. Unsere Blicke trafen sich und ich lächelte ihn für einen Moment an, ehe ich wieder nach vorne schaute.
Nach einem kurzen Abstecher in mein Zimmer, machte ich mich auf den Weg zum Besprechungsraum, wo bereits mehrere Stuhlreihen standen und einige Spieler saßen. Seufzend ließ ich mich auf einen der Stühle nieder. Ich hoffte, dass die Besprechung schnell vorbei ging und uns vorm Mittagessen noch genügend Zeit für ein Training draußen aufm Rasen bleiben würde.
Langsam füllte sich der Raum, doch von Jule fehlte noch jede Spur. Der Platz rechts von mir war noch frei. Es hatte nicht mal jemand gefragt, ob er sich dort hinsetzen könnte. Bevor Jule jedoch den freien Platz für sich in Anspruch nehmen konnte, begann Hansi seinen Vortrag. Ich hörte ihm nur mit halben Ohr zu, da mein Blick immer wieder auf mein Handydisplay glitt. Es war untypisch für Jule, dass er ohne sich abzumelden nicht zu einer Besprechung kam. Normalerweise sagte er zumindest mit Bescheid. Er reagierte jedoch auch auf keine meiner Nachrichten.
Plötzlich ging die Tür auf und der Vermisste betrat den Raum. Sofort lag die komplette Aufmerksamkeit auf ihm, was ihm sichtlich unangenehm war. Eilig ließ er seinen Blick über die Stuhlreihen wandern, bis er mich und den freien Stuhl neben mir entdeckte. Den Blickkontakt mit Hansi meidend, der Julians Verspätung in seiner Sprache natürlich nicht unkommentiert lassen konnte. Jule versuchte sich nichts anmerken zu lassen, doch konnte ich sehen, wie sehr ihn die Worte unseres Trainers trafen. Für einige Sekunden schimmerten Tränen in seinen Augen.
Ich veränderte meine Sitzposition etwas bis sich unsere Knie berührten. Sofort glitt Jules Blick in meine Richtung. Ich wagte es nicht Hansis Vortrag durch Worte zu stören, weswegen ich schwieg und Jules Blick einfach nur erwiderte. Zum Glück beendete Hansi kurz darauf seine Ansprache und schickte uns raus. Die nächste Trainingseinheit würde am Nachmittag stattfinden. Ich folgte Jule. Schweigend liefen wir nebeneinander her bis wir das Hotelzimmer von Jule erreichten, welches er auschloss.
"Ich wäre jetzt ...", begann er mir vermutlich zu erklären, dass er allein sein wollte, doch unterbrach ich ihn, indem ich ihn einfach in sein Zimmer schob, ihm folgte und die Tür hinter uns schloss. Sofort zog ich den Älteren an mich und küsste ihn liebevoll.
"Ich lasse dich nicht allein, Juli, niemals. Vielleicht werde ich nicht körperlich immer in deiner Nähe sein können, aber das bedeutet nicht, dass du allein bist. Ich liebe dich und ganz egal, was passiert, es wird nichts an meiner Liebe ändern können."
"Und wenn ich Mist gebaut habe?", wisperte mein Freund, wobei er Richtung Boden blickte. Mir war sofort klar, dass er damit nicht seine Verspätung bei der Besprechung meinte. Es würde viel eher um das gehen, was ihn schon all die Tage beschäftigte.
"Dann bekommen wir das zusammen schon wieder gerade gebogen."
"Aber es lässt sich nicht ungeschehen machen." Ich legte eine Hand an Jules Wange und brachte ihn dazu, mich wieder anzusehen. In seinen Augen erkannte ich Tränen, weswegen ich ihn sofort enger an mich zog.
"Was ist passiert, Jule?"
"Ich wollte das gar nicht, aber er hat mich provoziert. Eigentlich wollte er mich vermutlich nur etwas ärgern, aber er hat mich einfach im falschen Moment erwischt. Ich war so sauer auf ihn, hatte Angst das mit uns zu verlieren und hab dich einfach vermisst, da ist es einfach aus mir heraus geplatzt."
"Wem gegenüber ist dir was rausgeplatzt?", hakte ich weiter nach.
"Ich hab Mats von uns erzählt", nuschelte Jule, wobei er seinen Blick wieder senkte. "Ich weiß, wir haben gesagt, dass wir es Niemanden erzählen und es unser Geheimnis bleibt. Ich wollte das ja auch gar nicht. In dem Moment wurde nur einfach plötzlich alles zu viel. Es tut mir wirklich leid, Kai. Es war keine Absicht."
"Und darüber machst du dir die ganze Zeit solche Gedanken?"
"Ich hab mich nicht an unsere Absprache gehalten. Ich hab dich enttäuscht. Ich habe unsere Beziehung in Gefahr gebracht. Ich ..."
"Stopp, Jule." Tatsächlich schwieg er. "Du hast mich doch nicht enttäuscht. Dann weiß Mats jetzt halt Bescheid. Du kennst ihn besser als ich, aber ich denke nicht, dass er es weitererzählen wird. Davon, dass eine Person mehr von uns weiß, wird die Welt nicht untergehen und unserer Beziehung kann es erst Recht nichts anhaben. Selbst wenn es plötzlich alle wissen sollten, würde es nichts an meiner Liebe ändern. Egal was ein Outing, egal ob gewollt oder nicht, für Auswirkungen auf unsere Karrieren haben sollte, unserer Beziehung könnte es nichts anhaben. Ich liebe dich, Juli, und werde es auch immer tun." Zögerlich hob Jule den Kopf, wodurch sich unsere Blicke wieder trafen.
"Ich liebe dich auch, Kai." Ein kleines Lächelnd umspielte seine Lippen, woraufhin ich mich vorlehnte und ihm einen Kuss auf diese drückte.
"Sollte sowas nochmal passieren ..."
"Wird es nicht", unterbrach Jule mich.
"Wenn doch, rede einfach direkt mit mir. Ich möchte nicht, dass du dir wegen irgendwas unwichtigen dein hübsches Köpfchen Tage lang zerbrichst. Ich hab mir Sorgen gemacht."
"Das tut mir leid."
"Du kannst es ja wieder gut machen." Grinsend streifte ich mit meinen Lippen seine. Jule, der scheinbar sofort zu durchschauen schien, worauf ich hinaus wollte, schmunzelte direkt.
"Und du meinst, das wäre als Entschuldigung geeignet?"
"Ich bin mir sogar ziemlich sicher." Jule legte seine Hände in meinen Nacken, zog meinen Kopf weiter zu sich und küsste mich, wobei er mich langsam mit sich Richtung Bett zog.
Jetzt, wo Jule seine unbegründeten Sorgen beseitigen konnte, konnten wir auch endlich die wenige Zweisamkeit wieder in vollen Züge nutzen und genießen und das würden wir bis zum Mittagessen auf jeden Fall tun.
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Fußball & Formel1 OS-Sammlung (boyxboy) - Teil 2
FanfictionTeil 2 meiner OS-Sammlung (boy x boy) gefüllt mit Fußball- und Formel1 One Shots