¤The Face¤

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Wochen vergingen und mit der Zeit bildeten sich etliche Narben an meinem Körper. Besonders an meinem Rücken und meiner rechten Gesichtshälfte bildeten sich Große, die sich ohne eine Operation nicht regenerieren würden. Manche andere an meinen Armen und Beinen hingegen waren nicht so schlimm, sodass sie bald verheilen würden...Das hatte zumindest der Arzt bei meiner letzten Visite gesagt...
Aber das konnte noch dauern...

Bis dahin brauchte ich Zeit, Zeit mich zu trauen, wieder in den Spiegel zu schauen...
Aber je öfter ich darüber nachdachte, es mir ausmalte, desto mehr wuchs in mir die Angst...vor einem völlig fremden entstellten Gesicht...

Schließlich musste ich mich doch eines Tages überwinden, in den Spiegel zu schauen..., auch wenn es mehr aus Zufall passierte, als aus Neugier.

Es geschah an einem Mittwoch in der zweiten Woche nach meinem Erwachen, als die Schwester mir gelassen einen Spiegel in die Hand drückte und mich begierig anschaute... Was auch immer ihr listiges Schmunzeln zu bedeuten hatte, es hatte nichts mit mir zu tun. Für gewöhnlich schwand ihr Lächeln, sobald sie den Raum betrat. Doch diesmal ließ sie es zu und verließ für einen kurzen Moment das Zimmer, als ein leises Klopfen ertönte... Neugierig schaute ich ihr nach und sah sie kurze Zeit später mit einem der Stationsärzte flirten. ,Ach darum ist sie heute so gut gelaunt,'dachte ich und wandte meinen Blick verlegen in den Spiegel.

Da war es... Dieses.. vernarbte Gesicht mit seinen hart verblichenen Augen, von denen das rechte Augenlid komplett betroffen war, hinzu diese kratzerartigen Schliere, die das Ganze wie eine Flamme aussehen ließen...
Ich erstarrte,als ich das sah und musste an mein früheres Ich denken..., an
das hübsche aufgeschlossene Mädchen von früher.. Das würde ich heute nicht mehr sein können... Niemals würde mich jemand mit so einem Gesicht akzeptieren...
Niemals würde jemand etwas für mich empfinden...geschweige denn sich eines Tages in mich verlieben... Ich war verdammt...
,Zu einem Leben in Einsamkeit...,'schallte es durch meinen Kopf und die Tränen nahmen ihren Lauf.
Beschämt legte ich den Spiegel weg und drehte mich auf die andere Seite.
Ich wollte im Moment nicht überlegen, nicht nachdenken, was noch alles sein könnte... Die Schwester dachte sich schon, wie ich mich fühlte, als sie kurze Zeit später wieder rein kam und mir die Tränen wegwischte, bevor sie mir einen neuen Verband anlegte....
Erst bei diesem Verbandswechsel fiel mir auf, dass ich kaum noch Haare hatte. Die Ärzte hatten die verbrannten und verkohlten Haare wohl wegen der Operation weggeschnitten. Meine schönen langen Haare! Das Einzige, was ich an meinem Körper wirklich gemocht hatte.... Ich bedauerte es sehr, doch mit der Zeit musste ich lernen, es zu akzeptieren.

Es brauchte eine Weile, bis sie wieder nachwuchsen...
Aber  schon nach einem Monat waren sie wieder schulterlang, sodass ich sie zusammenbinden konnte...
Neben meinen Haaren gab es noch andere erfreuliche Nachrichten:
Ich hatte kaum noch Schmerzen im Rücken und durfte endlich wieder aufstehen. Doch als ich mich eines Nachts heimlich ins Badezimmer schlich, um mir meinen Rücken im Spiegel anzusehen, war die Freude vorbei..... Die Flammen hatten wie Peitschenhiebe auf mich eingewirkt, ein tiefes Muster gezogen...
Ich erstarrte, als ich das sah... und
ging völlig aufgelöst wieder ins Bett, aber nun konnte ich nicht mehr schlafen... Die Gedanken kreisten in meinem Kopf und bahnten sich einen Weg in mein Herz...
Nie wieder im Bikini schwimmen, wenn dann nur alleine am Strand...Nie wieder Tops oder T-Shirts tragen, wenn dann nur mit ner Jacke oder nem Hemd drüber....Nein! Ich wollte nicht weiter darüber nachdenken! Schnell versuchte ich mich abzulenken und beobachtete die Schwester, die  mal wieder mit dem charmanten Stationsarzt in einer Kammer verschwand. ,Na na na... Wenn das der Chefarzt sieht!,'dachte ich nur und brachte mich selbst zum Lachen. Aber wahrscheinlich machten sie dort was ganz anderes und ich dachte wieder mal zweideutig;)

Der nächste Tag bestand nur aus Untersuchungen... Wie fast an jedem Morgen kamen vier Ärzte zu mir rein und beobachteten meine Werte. Dann legten Schwestern mir einen Kompressionsanzug an, der die Bildung hypertropher Narben verhindern sollte, der allerdings sehr eng war... So hielt ich den Tag meist nur im Bett aus, bis am Abend mein Lieblingsarzt zu mir reinschneite und mir schilderte, was sich an meinem Zustand verbessert hatte... Diesmal hatten sich meine Werte wirklich verbessert, sodass ich nach draußen gehen durfte... Eine gute Nachricht, die mich dazu veranlasste, morgen im Klinikgarten einen Spaziergang zu machen...

Noch etwas wackelig auf den Beinen torkelte ich am nächsten Morgen durch mein Zimmer und blieb vor dem Fenster stehen. Überall wohin ich sah, waren Leute mit Kameras. Sie warteten förmlich darauf, mich mal zu sehen und versteckten ihre Kameras entweder in ihren Taschen oder hinter Zeitungen und saßen auf den Parkbänken. ,Typisch Paparazzis. Immer einem dicht auf den Fersen,' dachte ich und zog zur Tarnung meine Sweatjacke an.

Die Kapuze zog ich so weit runter, bis meine Narbe nicht mehr zu sehen war, dann verließ ich das Zimmer und bahnte mir einen Weg durchs Stockwerk.

Auf den Gängen starrten mich zunächst  die Leute an, kehrten sich aber dann wieder ihrer Arbeit zu. Erleichtert ging ich weiter und trat hinaus aufs Gelände... Der Garten war wunderschön, übersät von Blumen und Bäumen... Von einer Anhöhe aus konnte man direkt  hinaus aufs Meer blicken. Eine schöne Aussicht! Da stellte man sich direkt vor, am Strand zu liegen und seine reine Haut am Meer zu bräunen, nichts als das Rauschen der Wellen im Kopf... und die kreischenden Möwen über einem.... Und weit in der Ferne sehe man die Schiffe ziehen... Ein schöner Traum, der sich nicht mehr erfüllen würde...

Traurig kehrte ich ins Gebäude zurück und verkroch mich in meinem Zimmer in einer Ecke..... Ich hatte lange genug geträumt.. Es hatte zwar gut getan, mal an etwas anderes zu denken, aber die Realität konnte ich mir so nicht aus dem Weg räumen...
So blieb mir das Träumen als Spiel und die Fantasie als Ablenkung, bei der ich rätselte, welcher Gedanke mich am meisten von meinen Sorgen ablenken konnte...

Burning Scar - Von Flammen umzingeltWo Geschichten leben. Entdecke jetzt