Ein Song und ein Drama

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Es war schon bald acht und die Sonne hing tief am Horizont. Nur noch zwei Stunden blieben ihr, dann würde sie untergehen und das ganze Tal in ein buntes Licht hüllen, das bei den Bergen immer erstaunlich aussah.

Verträumt blickte ich was in die Ferne und schaute mich um.
Wie erwartet war Toby nirgends zu sehen und vielleicht in der Scheune schon am Arbeiten...

Doch auch dort war er nicht zu finden, sodass ich überlegte, wo er sich sonst noch aufhalten könnte,
denn wie ich das Chaos hier sah, einen gigantischen Berg aus Stroh, so hatte er noch eine Menge Arbeit vor sich.
Das lose Stroh musste ordentlich gebunden und neben den fertigen Ballen an der Wand gestapelt werden, damit für die Ferienkinder ein kleines Schloss entstand, auf dem sie rumturnen konnten.

Hilfsbereit beschloss ich schon mal für ihn anzufangen und schnappte mir in ner Kammer eine Schubkarre und eine Heugabel, die ich immer wieder mit gewaltiger Wucht ins Heu stach und eine Ladung nach der anderen auf die Karre lud, bis sie endlich voll war.
So karrte ich dann Fuhre für Fuhre rüber ins Silo, bis der gigantische Berg was kleiner wurde.

,Wirklich unverantwortlich, dass er mich hier so alleine lässt,'dachte ich nur nach einer Stunde, als ich bei ner Verschnaufpause noch den großen Berg vor mir sah, und war ganz schön am Schwitzen, sodass ich durchnässt meine Jacke auszog und über einen Balken legte.

Ich vermisste schon die Superstärke, die mir das Medaillon noch vor Kurzem gegeben hatte.
Es fiel mir alles wirklich schwerer, seit ich es vor zwei Tagen ablegen musste... und es fühlte sich gleichermaßen so komisch an wieder einigermaßen ein normaler Mensch zu sein.

Diese Kraft fehlte mir... Wie eine Droge, die ein Junkie nicht bekam.
Ich brauchte sie, um mich stark zu fühlen. Nur dann fühlte ich mich zu etwas wert und bereit mich den Hürden der Welt da draußen zu stellen, sodass ich beschloss es kurzerhand anziehen.

Gar vorsichtig holte ich es aus meiner Hosentasche heraus und schaute mich um, ob jemand in der Nähe war. Aber die Luft war rein. Kein Mensch war zu hören. Nur der Wind, der draußen ab und zu durch die Bäume blies...
So blieb mir genug Freiraum, um meine Kräfte anzuwenden und mit ihnen zu üben.

Doch kaum wollte ich das lederne Band über meinen Kopf ziehen, überkamen mich Zweifel, ob ich wirklich nicht mehr ohne das Ding leben konnte.  War ich wirklich so abhängig geworden von seiner Energie?

Wenigstens für den einen Abend wollte ich es versuchen noch einmal ein normaler Mensch zu sein, der das hier aus eigener Kraft schaffte und für etwas kämpfte.
Nur einmal, das versprach ich mir, wollte ich es versuchen, und steckte das Medaillon zurück in meine Hosentasche.

Ganz gleich welche Schmerzen ich dabei empfand oder wie schwach und erschöpft ich mich danach fühlte, ich machte weiter und stach die Heugabel ins Stroh.

Mit jedem Mal stach ich heftiger zu, bis ich auf einmal auf etwas Hartes stieß. Etwas Hölzernes, Dumpfes.... Eine hölzerne Wand ragte aus dem Stroh, an der ein Pedal befestigt war. Verwundert legte ich sie frei und traute meinen Augen kaum, als ich das sah.
,,Was zum?  Was macht denn bitte ein Klavier hier?,"fragte ich laut und legte verschwitzt einen Hocker frei, der unmittelbar daneben versteckt worden war.
,,Toby? Ist das ein Scherz?,"rief ich laut und sah mich um, aber  kein Mensch war zu sehen.
Nicht mal ein Rascheln war zu hören, weshalb ich davon ausging, dass ich hier alleine war.

Anscheinend wollte er mich damit überraschen, was ihm geglückt war.
Das Klavier war wunderschön. Aus altem Eichenholz gefertigt.
Wie auch immer er es hier her bekommen hatte, es musste ihn viel Arbeit gekostet haben es hier zu verstecken. ,Vielleicht kommt er ja, wenn ich etwas für ihn spiele,'dachte ich und setzte mich auf den Hocker.

Burning Scar - Von Flammen umzingeltWo Geschichten leben. Entdecke jetzt