¤Awake¤

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Die Nacht war kalt und stürmisch. Wie in mir, so herrschte draußen ein Sturm der Verwüstung und peitschte mit seinen Böen gegen meine Fensterscheibe, sodass ich kaum ein Auge zubekam. Bei all dem Lärm konnte ich kaum schlafen, sodass mich in meinem Bett hin und her wälzte. Meine Gedanken kreisten dabei immer wieder um Sarah, wie sie dort auf der Straße gelegen hatte, um ihr Leben bangte und mir das Geständnis gemacht hatte. War sie wirklich K.C. oder hatte sie das nur durch einen Rauschzustand gesagt? Sie war noch sehr benommen gewesen, als ich sie aus dem Riesenbeutel befreit hatte, und nach Dr. Brown sei es ein Wunder gewesen, dass sie mich bei der Dosis wiedererkannt hatte, aber genauer konnte er es mir nicht sagen, ob sie in dem Moment bei Verstand gewesen war. Sie stand sehr unter Drogen, weshalb sie vielleicht nicht gewusst hatte, was sie da gesagt hatte... So konnte ich nur warten und hoffen, dass sie bald wieder erwachte und sich erinnerte.

Gleich am frühen Morgen fuhr ich müde mit dem Bus zu ihr hin und besuchte sie im Krankenhaus. Durch Zufall traf ich auf dem Gang auf Ms. Shaun, die sich gerade mit Koffein stärkte, und sah ihr an, dass sie die ganze Nacht an ihrem Bett verbracht hatte. ,,Nanu Toby? Schön dich zu sehen... Was machst du denn schon hier?," grüßte sie mich mit einem erschöpften Lächeln und wunderte sich. ,,Sie ablösen," erwiderte ich, schnappte mir einen Stuhl und setzte mich zu ihr, ,,Gibt's was Neues?" - ,,Nein... Noch unverändert... Die Ärzte können noch nicht sagen, wann sie erwacht," raunte sie und deutete mit einer Kopfbewegung zur Fensterscheibe des Vorzimmers, in dem eine Krankenschwester saß und auf den Monitor starrte. ,,Oh okay, dann bleib ich hier und Sie fahren nach Hause," sagte ich und sie verschluckte sich fast an ihrem Kaffee: ,,Mhm...Nach Hause? Nein! Ich kann nicht nach Hause fahren, wenn ich nicht weiß, ob es ihr gut oder schlecht geht! Außerdem könnte sie jederzeit erwachen". - ,,Oh...Na schön, dann... bleiben Sie hier und ruhen sich was im Besucherzimmer aus. Ich halte solange die Stellung. Sie kann es Ihnen ja nicht verübeln, wenn Sie mal was schlafen wollen", schlug ich vor und kassierte von ihr nur ein fragwürdiges Schulterzucken:,,Das würdest du tun?" - ,,Ja klar. Wir sind Nachbarn, wir müssen zusammenhalten... Und wenn es was Neues gibt, hol ich Sie sofort," überredete ich sie und schaffte es, ihr ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern, sodass sie aufsprang und mir den Arm tätschelte: ,,Okay... Danke!", seufzte sie, dann verließ sie den Gang und ließ mich mit ihr allein.

Die ersten fünf Minuten in ihrem Zimmer starrte ich sie schweigsam an und betrachtete die Schlieren an ihren Händen. Sie hatten sie wohl stramm gefesselt, sodass die Handschellen an ihren Handgelenken gescheuert hatten... und die Brandwunden an ihren Armen... Sie muss die Hölle durchgemacht haben, dort, wo sie sie hingebracht hatten... Dabei wirkte sie hier so friedlich, wie sie da lag und ruhig atmete. Die Schwestern hatten sie seit gestern ganz schön zurecht gemacht, sie gewaschen und gepflegt. Ihr rotbraunes Haar war nicht mehr so zerzaust wie am Vortag und ihre Wunden waren sauber. Kein vertrocknetes Blut klebte mehr an ihrer Wange oder ihren Narben und die tiefen Wunden hatten sie genäht. Im groben Ganzen wirkte sie auf mich wie eine schlafende Prinzessin, die von ihrem Leid erlöst werden musste, nur dass das hier die Realität war und kein Märchen, in dem der Kuss eines Prinzen sie retten konnte... Sie musste von selbst erwachen und zum Leben finden. Sie war stark, sonst hätte sie diese Tortur nicht überlebt.
Seufzend lehnte ich mich in meinen Stuhl was zurück und begann etwas zu erzählen. Aus Erfahrungsberichten im Internet wusste ich, dass es die Chance des Aufwachens erhöhte, wenn man mit einem Komapatienten redete und ihm das Gefühl gab, nicht allein zu sein. Auch wenn ich bezweifelte, dass sie mir zuhören oder gar antworten würde, so sprach ich mit ihr und erzählte ihr lässig Dinge, die ich ihr sonst nicht sagen würde: ,,Sarah... Ich...hm habe es dir nie erzählt, aber ich war damals da, als du nach der Prügelei im Krankenhaus warst... Du hast noch geschlafen, als ich mich heimlich in dein Zimmer geschlichen habe. Aber ich war da, auch wenn du es vielleicht nicht gemerkt hast... Ich habe deine Hand gehalten und dir gesagt, dass es mir leid tut...",stammelte ich, grinste leicht und streichelte sanft ihre Finger. Ein lautes Piepen ertönte, als ich sie in meine legte und mit meinem Daumen in ihrer Hand Kreise drehte. Ihr Herz schien irgendwie schneller zu schlagen, seitdem ich sie berührte, und für einen Moment lang kam es mir so vor, als hätte sie geblinzelt. Doch als ich sie näher anschaute, waren ihre Augen noch genauso geschlossen, wie ich sie in Erinnerung hatte... Sie hatten sich nicht bewegt...

Burning Scar - Von Flammen umzingeltWo Geschichten leben. Entdecke jetzt