¤Hide and Seek¤

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Am nächsten Morgen erwachte ich sehr früh und fühlte mich wie gerädert. Mit halb offenem Auge schaute ich auf den Display meines Radioweckers und stöhnte auf. Es war gerade mal halb Sieben. Ich war wohl noch an den Alltag des Krankenhauses gewöhnt, denn da wurde man immer um Sechs geweckt...
Mit dem Kissen im Gesicht stand ich auf und schleppte mich ins Bad, wo ich mein Gesicht wusch. Ich war noch etwas erschöpft von der gestrigen Aktion, aber
es ging mir schon etwas besser, auch wenn das Wasser das Brennen meiner Narben nicht stillen konnte...

Erst nach einer langen Dusche und einer aufwendigen Narbenbehandlung traute ich mich wieder in den Spiegel zu sehen und versuchte dabei den Kompressionsanzug anzuziehen, was alleine nicht so leicht war.
Das ,,Ganzkörperkondom" (Ja so fühlte es sich an!) zwängte mich ein,bei jeder Bewegung, die ich machte... Dennoch gelang es mir, nach einer schmerzvollen halben Stunde mich anzuziehen und runterzugehen.

Hungrig machte ich mir das Frühstück, setzte Tee auf, schmierte Brote und war gerade am Essen, als es plötzlich klingelte. Erschrocken zuckte ich zusammen und warf mir
blitzschnell eine Jacke über, bevor ich zur Tür ging und durch den Spion schaute.

Es waren die Strongholds, die bei mir auf der Matte standen. Ihre Söhne schliefen wohl noch, was ich vorhin an den runtergezogenen Rollläden gesehen hatte.

Zögernd öffnete ich die Tür und ließ sie eintreten.
Durch die Dunkelheit des Hauses sahen sie mich zunächst nicht und schauten sich verwirrt um. Als Mrs. Stronghold mich entdeckt hatte, kam sie mir direkt entgegen und schüttelte eifrig meine Hand:
,,Ach hier bist du! Warum ist es so dunkel hier?"
,,Wegen dem Sonnenlicht... Es ist nicht gut für die Haut und Mrs. Smith sagte ja, dass Ihre Söhne noch nichts von mir wissen sollten...",erwiderte ich ihre Geste und begrüßte ihren Mann.
,,Ah... Was das betrifft, wollten wir mit dir reden... Aber vorerst... Unser Beileid!" Sie schluckte, schniefte und unterdrückte eine Träne... ,,Wir wissen,
was du jetzt durchmachst und wollten dir sagen, dass du immer zu uns kommen kannst, wenn du was brauchst,"ergriff ihr Mann das Wort und hielt tröstend meine Hand.

Dankbar schenkte ich ihm ein leichtes Lächeln und führte sie ins Wohnzimmer, wo sie sich mir gegenüber auf der Couch niederließen.
Während wir uns einen Moment lang anschwiegen, legte er seinen Arm um seine Frau und streichelte ihre Schulter.

,,Möchten Sie... vielleicht etwas trinken?",bot ich ihnen was an, doch sie schüttelten nur mit dem Kopf...

,,Nein, danke...,"hauchte er und fand zunächst die rechten Worte nicht...

,,Sarah... Wir...wir haben mit unseren Söhnen gesprochen... und sie wissen jetzt Bescheid... Du musst dich nicht mehr verstecken... Sie haben uns erzählt, was gestern passiert ist...
Mit einem Kurzschluss ist nicht zu spaßen... Wenn dir was passiert ist, sag uns das bitte jetzt.."
Ich schwieg zunächst und wusste nicht, ob ich es ihnen sagen sollte...
Sie würden vielleicht einen Arzt rufen oder mich gleich wieder ins Krankenhaus bringen, wenn sie von dem Stromschlag und den Kopfschmerzen erfahren würden....

Aber diese Schmerzen raubten mir noch den Verstand.
Ich war froh, an diesem Morgen einigermaßen wieder gehen zu können...
In der letzten Nacht war mir so schwindelig gewesen... Verrückte Träume, einer nach dem anderen. Nebenbei die Geräusche von den Straßen, den Nachbarn, den Häusern, deren Besitzer ganz früh morgens in die Autos stiegen und zur Arbeit fuhren...
,,Sarah... Was ist mit dir?",rief mich eine ihrer Stimmen aus den Gedanken.
,,Was? Äh... nichts... Bin nur etwas müde...",stammelte ich und lügte sie an... Ich wusste, dass es falsch war,aber
ich wollte ihnen nicht noch mehr zur Last fallen. Das Unglück meiner Familie hatte beide sehr erschüttert,
sodass ich mich kaum wagte sie anzuschauen...
Allerdings war es ihnen anzusehen, wie schwer es ihnen fiel mit der Sache umzugehen.
Solch ein Unglück erlebte man nicht jeden Tag in seinem Umfeld...
Sie wirkten mehr und mehr überwältigt, als würden sie es nicht wahrhaben wollen... Und im Grunde wollte ich es auch nicht wahrhaben.
In jeder Ecke dieses Hauses war ein Teil von ihnen.... Ich spürte sie, in jedem Bild, an das ich vorbeiging... Als wären sie lebendig...
,,Hör zu Sarah... Uns fällt das auch nicht leicht.. Aber ich denke, wir sollten über deine Zukunft reden. Mrs. Smith sagte uns, du würdest drei Monate bis zur nächsten OP bleiben. In dieser Zeit könntest zur Schule gehen, versäumten Stoff nachholen und vielleicht Freunde finden..."
,,Zur Schule? Freunde finden?,"wiederholte ich ihre Worte laut in Gedanken und schaute zu ihnen auf...
,,Mit diesem Gesicht?!",fragte ich sie, zog meine Kapuze runter und deutete auf meine Visage, die sie durch das hellere Tageslicht besser erkennen konnten.

Burning Scar - Von Flammen umzingeltWo Geschichten leben. Entdecke jetzt