Unerwartet

35 4 0
                                    

Toby P.O.V.

Nachdenklich blieb ich auf dem Hügel allein zurück und blieb im Gras noch was sitzen. Der plötzliche Ausbruch ihrer Stimme hatte mir den Rest gegeben, sodass ich gerade nicht klar denken konnte, um mit den anderen darüber zu reden. Sie hatte gesungen! Mit mir tatsächlich gesungen! Und das vor vielen fremden Menschen... Wie lang hatte ich mich nach einem Duett mit ihr gesehnt? Und heute war es einfach passiert... Leise aus ihrem Unterbewusstsein heraus. Zunächst zart, mit ihrer sanften Stimme, dann immer lauter... Sie war so unglaublich, wenn sie sich mit der Musik treiben ließ. Als kenne sie keine Angst mehr... Vor dem Feuer, vor den Blicken und den Stimmen... Vor keinem mehr... Sie war einfach mutig um das Feuer herumgetreten und hatte gesungen, wie ich es noch nie zuvor gehört hatte.... Als sei ihre Stimme erwacht und von einer Schale befreit worden, die sich um ihre Stimmbänder gelegt hatte. Zuvor auf unserem Weg dorthin hatte sie noch am ganzen Körper gezittert, sodass ich ihre Hand halten musste, um sie zu beruhigen. Doch dieser Auftritt hatte etwas in ihr befreit und mir etwas gezeigt:
Wenn ein einfacher Lieblingssong sie zum Singen bringen konnte, konnte die Auflösung ihrer Blockade nicht mehr weit sein und sie würde bald frei wieder reden und singen können. Mein Ziel, das ich seit dem Krankenhaus verfolgte... Ich musste sie nur mehr zum Singen bringen und wusste auch schon wie.

Nachdem ich nachher den übrigen Campmitgliedern, die noch am Campfeuer saßen, erklärt hatte, warum sie plötzlich gesungen hatte und ihnen die Symptome des selektiven Mutismus erläutert hatte, gaben sie zu, dass sie manchmal sie zu Unrecht verurteilt hatten, und verstanden nun auch, warum Sarah mit ihnen nie ein Wort gewechselt hatte. Einige zeigten sich sehr verständnisvoll und baten mir sogar ihre Hilfe an, während andere mir die Geschichte einfach nicht abkauften, dass sie etwas Schlimmes erlebt hatte. Aber bei den Narben in ihrem Gesicht verstand sich das von selbst, die manche von ihnen angeblich noch nie gesehen hatten. Sarah konnte es gut, ihre Narben verstecken und anderen aus dem Weg gehen, sobald sich ihr jemand näherte. So war es für mich kein Wunder, wenn manche sie noch nicht gesehen hatten.
Freundlich sagte ich den Verständnisvollen, dass ich dann auf sie zukommen würde, wenn ich meinen Plan umsetzen würde, und bat die anderen einfach nett zu ihr zu sein. Sie hatte es nicht verdient hier verachtet zu werden. Besonders nicht in unseren Sommercamps, zu denen
Leute aus unterschiedlichen Sparten kamen, gesunde wie kranke Leute, dicke und dünne Leute, aber auch Leute, die auf Bewährung waren oder sich einfach nur nach Veränderung und einem schönen Urlaub sehnten...
Sie alle hier hatten Einiges erlebt und dementsprechend die Last ihrer Geschichte zu tragen. So dankte ich ihnen fürs Zuhören und ging nach langer Zeit endlich zu meinem Zelt.
Es war schon spät geworden
und die Meisten schliefen schon. Aber dennoch konnte ich in meinem Zelt ein Licht brennen sehen. ,Nanu... Wer da wohl drin ist, 'wunderte ich mich und schlich mich misstrauisch über einen anderen Weg ans Zelt heran. Auf der Rückseite hatte es ein kleines durchsichtiges Plastikfenster, durch das ich immer zu den Pferden schauen konnte, falls etwas passierte. Aber heute Nacht diente es mir als Spion und als ich durchsah, konnte ich kaum meinen Augen trauen: Auf meiner Matte lagen zwei nackte Mädchen, die anscheinend auf mich warteten.
Ungeduldig hörte ich die eine vor mir klagen und versteckte mich, als sie sich umwandte. Sie hatte wohlgeformte Brüste und hier und da ein paar Kurven, die ihren Körper geschickt makellos umspielten, aber im Gesamten sah sie einfach zum Anbeißen aus.

,,Boa... Wann kommt der denn endlich?, "stöhnte sie und guckte zum gefühlt tausendsten Mal auf ihre Handyuhr.
,,Hab Geduld... Seit dieses komische Mädchen gesungen hat sind alle aus dem Häuschen. Vielleicht muss er das erst mal verarbeiten",meinte die andere neben ihr mit den schlankeren Beinen und
zeigte Verständnis. ,,Wenn das so eine Sensation ist, dass dieses Kapuzen Girl mal den Mund aufbekommt, will ich nicht wissen, was seine Messlatte bei ihr noch höher steigen lässt ," schnaubte sie grimmig und hüllte sich in die Decke. Baff von dieser Bemerkung trat ich was zurück und überlegte, ob ich hineingehen sollte.
Die Zwei wollten offensichtlich mit mir schlafen, weshalb sie da splitterfasernackt auf meiner Matte lagen und auf mich warteten. Aber etwas in mir wollte das nicht. Der alte Toby hätte sie sofort flach gelegt, wie Sämtliche im letzten Jahr, und einer nach der anderen das Herz gebrochen. Doch nun war mir die Lust vergangen, auch wenn ich spürte, dass sich unten in meiner Hose etwas regte, während ich dort hineinsah. Ich konnte es nicht.

Burning Scar - Von Flammen umzingeltWo Geschichten leben. Entdecke jetzt